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Wie gefährlich ist 5G wirklich?

Tote Vögel, die angeblich scharenweise von Bäumen fallen. Laserartige Strahlen, die Menschen anvisieren und die Haut verbrennen sollen. Mobilfunkmasten, so weit das Auge reicht. Mit diesen und ähnlichen Horrorvorstellungen machen Gegner der neuen Mobilfunkgeneration 5G mobil und sind damit in sozialen Netzwerken wie Facebook erfolgreich. Bei Forschern der Seibersdorf Laboratories und der TU Wien sorgt die Panikmache hingegen für Kopfschütteln. In der futurezone geben sie Antworten auf die wichtigsten Fragen zu 5G.

Was ändert sich durch die neuen 5G-Frequenzen?

„Dass die aktuell vorgesehenen 5G-Frequenzen etwas ganz Neues, Gefährliches sein sollen, ist schlichtweg unwahr“, erklärt Gernot Schmid von den Seibersdorf Laboratories. „Da in der ersten Ausbaustufe sowohl die Frequenzbereiche als auch die Übertragungstechnologien sehr ähnlich sind, sind aus wissenschaftlicher Sicht keine Unterschiede zum bestehenden Mobilfunk zu erwarten“, sagt der Experte für elektromagnetische Felder.

Sind gesundheitliche Auswirkungen zu erwarten?

Nein, da 5G zunächst nur in Frequenzbereichen genutzt wird, die seit Jahren flächendeckend vom  Mobilfunk, aber auch von WLAN verwendet werden. In der ersten Ausbaustufe wird das 5G-Netz mit Frequenzen unterhalb von 3,8 Gigahertz betrieben. Das liegt zwar geringfügig über dem Bereich bisheriger Mobilfunk-Netze (bis 2,7 GHz), aber etwa unter der Frequenz von WLAN, das schon jetzt im Bereich von bis zu 5,7 GHz funkt. Trotz unzähliger Studien ist nicht nachgewiesen, dass Mobilfunk die Krebsgefahr erhöht.

Was passiert, wenn bei 5G noch höhere Frequenzbereiche genutzt werden?

In frühestens fünf Jahren sollen auch höherfrequente Bereiche, konkret 24 bis 28 GHz – noch später 40 bis 44 GHz und 61 bis 71 GHz, für 5G verwendet werden. Diese haben den Vorteil, dass sie die Übertragung großer Datenmengen erleichtern. Hohe Frequenzen haben aber den Nachteil, dass sie nur eine geringe Reichweite haben bzw. nur bei direkter Sichtverbindung gut funktionieren. Für eine flächendeckende Versorgung sind daher viele Funkzellen notwendig, die nur kleine Raumbereiche abdecken können.

Bedeutet das unzählige neue Handymasten?

Nein. Neben der Nutzung bestehender Masten, die modernisiert werden, handelt es sich bei neuen Anlagen um kleine Basisstationen, die mit WLAN-Routern vergleichbar sind und auch mit entsprechend geringer Sendeleistung betrieben werden. Diese können auch in Straßenbeleuchtung, Kanaldeckeln oder anderer öffentlicher Infrastruktur verbaut werden.

Huawei experimentiert seit längerem mit 5G-Technologien

Sorgen die vielen Basisstationen für eine permanent höhere Strahlenbelastung?

„Wenn mehr Frequenzen genutzt werden, kommt es mancherorts zu höheren Werten. Es ist aber ein Missverständnis, dass die größte Funkbelastung von den Stationen verursacht wird. Die weitaus stärkere Belastung kommt wie bisher vom Handy selbst, das man nah am Körper trägt. Wenn das Handy durch ein dichteres 5G-Netz einen besseren Empfang hat, kann es mit geringerer Leistung arbeiten, was die Funkbelastung unter Umständen sogar verringert“, erklärt Funkexperte Stefan Schwarz von der TU Wien.

Inwiefern spielt die Leistung der Sendeanlagen eine Rolle?

Dieser Aspekt kommt nach Ansicht der befragten Experten stets zu kurz. So verwendet etwa eine Mikrowelle mit 2,45 GHz die gleiche hochfrequente Strahlung wie die meisten WLAN-Router. „Niemand wird bezweifeln, dass es gesundheitsschädlich ist, sich in einen Mikrowellenherd zu setzen, der mit 600 Watt bis zwei Kilowatt konzentriert auf kleinem Raum eine große Feldstärke aufbaut. Neben einem Router zu sitzen, der mit 0,1 Watt Sendeleistung operiert, ist hingegen völlig unbedenklich“, erklärt Schmid.

Dass auch Mobilfunker ihre Stationen mit der geringstmöglichen Leistung betreiben werden, die für eine Versorgung von Endgeräten mit Daten notwendig ist, liegt für den Strahlenexperten von Seibersdorf Laboratories auf der Hand. Denn jedes Watt, das in einer Zelle zu viel verwendet werde, beeinträchtige auch die Übertragungsqualität in den danebenliegenden, sagt Schmid: „Wenn eine Basisstation mit geringer Sendeleistung hohe Datenraten ermöglicht, warum sollte ein Mobilfunker seine Antennen ineffizient mit höherer Sendeleistung betreiben?“

Die Angst vor neuen großen Mobilfunkmasten ist laut Ansicht von Forschern und Experten unbegründet

Wird höherfrequente Strahlung anders vom Körper aufgenommen?

„Der wesentlichste Unterschied bei Frequenzen oberhalb 24 GHz ist, dass die Strahlungsleistung deutlich weniger weit ins Körperinnere vordringt als bei den bisher genutzten Frequenzen, da sie praktisch gänzlich von der Haut absorbiert wird“, erklärt Schmid. Hier müsse in den kommenden Jahren noch besser erforscht werden, wie sie im Detail in der Haut verteilt oder auch von den obersten Augenschichten aufgenommen werde. Durch die geringe Sendeleistung sollten die existierenden Schutzgrenzwerte aber problemlos eingehalten werden.

Welche Grenzwerte werden aktuell verwendet?

Um die Exposition der Bevölkerung gegenüber elektromagnetischen Feldern zu begrenzen, hat die EU bereits 1999 eine Empfehlung erlassen. Die Einhaltung der Grenzwerte soll sicherstellen, dass sich das Gewebe durch Aufnahme der Strahlung nicht in einem Maß erwärmt, das gesundheitsschädlich ist.

Neben der spezifischen Energieabsorptionsrate (SAR), die mit 0,08 Watt pro Kilogramm begrenzt sein soll, wird bei höherfrequenter Strahlung die sogenannte Leistungsdichte herangezogen. Der Grenzwert dabei liegt bei 10 Watt pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Ein Meter neben einem WLAN-Router werden im Normalfall nur 0,008 Watt pro Quadratmeter gemessen. Mit jedem Meter Entfernung fällt dieser Wert stark ab.

Wie stark werden die Grenzwerte schon jetzt ausgereizt?

„Gegenwärtige Mobilfunk-Messdaten für 2G, 3G und 4G zeigen, dass die Immissionen typischerweise deutlich unter einem Prozent des Grenzwerts liegen. Das sind gerade einmal 0,1 Watt pro Quadratmeter, wobei beim Großteil der Bevölkerung eher 0,001 Watt pro Quadratmeter durch Mobilfunkstrahlen anfallen“, sagt Schmid.

„Bei extremer Exponiertheit - etwa auf einer Dachterrasse in direkter Sicht wenige Meter von einem Mobilfunkmast entfernt - können bei hoher Auslastung der Zelle Expositionen im Ausmaß von drei bis maximal zehn Prozent des Richtwerts erreicht werden. Da ist für 5G also noch viel Luft nach oben“, erklärt Schmid. Berücksichtigt werden muss dabei allerdings, dass die Antennen gezielt auf Geräte ausrichten können, um diese mit hohen Bandbreiten zu versorgen.

Was hat es mit diesen Richtungsantennen („Beam forming“)  auf sich?

5G bietet mehr Möglichkeit, die Sendeleistung dort zu konzentrieren, wo Endgeräte sie zum Surfen oder Hochladen von Dateien benötigen. Dort, wo viele Nutzer gleichzeitig hohe Datenmengen über ihr Handy streamen, werden die Immissionen für diesen Zeitraum und Ort höher sein als jetzt. In wenig frequentierten Bereichen wie etwa im ländlichen Raum könnte die Gesamtbelastung sogar sinken, weil Nutzer nur von den Funkwellen erfasst werden, wenn sie sie benötigen.

Auch Schwarz von der TU Wien weist auf die positiven Aspekte des „Beam Forming“ hin. Da Antennen Geräte gezielt ansteuern, können sie im Vergleich zu bestehendem Mobilfunk mit viel geringerer Leistung betrieben werden, um die selben und höhere Bandbreiten zu garantieren. Künftig soll die Technologie auch bei bestehenden 3G- und 4G-Netzen zum Einsatz kommen, was zu einer noch besseren Effizienz beitragen würde.

Handelt es sich dabei tatsächlich um laserartige Strahlen?

Die Behauptung ist Schmid zufolge physikalisch gesehen unsinnig. Enge Abstrahlwinkel von unter zehn Grad seien extrem selten. Und selbst wenn man hypothetisch einen Kegel von fünf Grad annehme, sei dieser in 20 Meter Entfernung bereits 1,75 Meter breit – also definitiv kein Strahl mehr. Natürlich müsse sichergestellt werden, dass die Grenzwerte auch bei einer direkten Ausrichtung auf einen Nutzer eingehalten werden.

Warum haben etwa Brüssel oder die Schweiz viel strengere Grenzwerte?

Den Experten zufolge handle es sich dabei um eine politisch motivierte Vorsichtsmaßnahme. So gebe es wissenschaftlich gesehen keine überzeugenden Hinweise, dass der Grenzwert von 10 Watt pro Quadratmeter nicht völlig ausreichend sei.

5G-Stationen werden wesentlich kleiner sein als bestehende Mobilfunk-Antennen

Warum tun sich Wissenschaftler so schwer, die Panikmache zu entkräften?

„Wenn man besorgt ist, entwickelt man viel mehr Kraft, als wenn man sich keine Sorgen macht. Das ist eine menschliche Eigenheit. Zudem ist es viel einfacher, eine Schreckensmeldung abzusetzen, als diese wissenschaftlich seriös zu entkräften. Das ist ja nicht nur beim Thema Mobilfunk so. Das Problem ist auch: Die Menschen wollen hören, dass Mobilfunkstrahlung keinen gesundheitsschädlichen Effekt hat. Einen ,Nicht-Effekt' nachzuweisen, ist wissenschaftlich aber unmöglich, das ist das Dilemma“, erklärt Schmid.

Fazit: Wie gefährlich ist 5G also wirklich?

„Gefährlich ist allein deswegen schon ein schlechtes Wort, weil wir von einem rein hypothetischen Risiko sprechen. Es gibt keine nachgewiesene Kausalität, dass diese Art von Strahlung bei der Intensität, mit der sie eingesetzt werden soll, gesundheitsgefährdend ist. Da es noch einige nicht restlos geklärte Fragen gibt, ist wissenschaftlich gesehen ein Restrisiko vorhanden. Deshalb aber ein Bedrohungsszenario an die Wand zu malen, ist angesichts der bekannten Fakten einfach nicht angebracht“, ist Schmid überzeugt.

Auch Schwarz plädiert für einen unaufgeregten Umgang mit dem Thema. Neue Studien zum Thema Mobilfunkstrahlung im Bereich über 24 Gigahertz seien natürlich begrüßenswert. Sorgen müsse man sich keine machen, weil sämtliche Geräte weit unter den Grenzwerten betrieben würden. „Das wird sich auch mit 5G definitiv nicht ändern. Wo neue Regelungen und Grenzwerte notwendig sind, werden diese zeitgerecht beschlossen“, sagt Schwarz im Interview mit der futurezone.

 

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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