Science

Wiener Forschern gelingt Streckenrekord bei Quantenverschränkung

In Glasfaserkabeln wird das Datensignal regelmäßig aufgefrischt, um Verluste bei der Übertragung auszugleichen. Im künftigen Quanteninternet geht das nicht, weil Quanteninformation nicht kopiert werden kann. Daher versucht man, die Information möglichst weit zu senden. Wiener Physiker berichten nun im Fachjournal "Nature Communications" über einen neuen Langstreckenrekord: Sie schickten verschränkte Photonen nach Sankt Pölten und Bratislava über insgesamt 248 Kilometer.

Unknackbare Datenübertragung

Im Quanteninternet will man sich die besonderen Phänomene der Quantenphysik wie die Verschränkung unter anderem für absolut abhörsichere Kommunikation zunutze machen. 2 verschränkte Teilchen, etwa Photonen (Lichtteilchen) bleiben über beliebige Distanzen miteinander verbunden und teilen ihre physikalischen Eigenschaften. Messungen des einen lassen sofort Rückschlüsse auf das zu erwartende Messergebnis des anderen zu.

Misst man etwa an einem Photon die Schwingungsrichtung (Polarisation) und diese ist waagrecht, muss auch das andere Lichtteilchen waagrecht polarisiert sein. Das kann man etwa zur Erstellung eines "Schlüssels" für prinzipiell unknackbare Datenübertragung mittels Quantentechnologie ("Quantenkryptographie") nutzen.

Forschung an Quanteninternet

Das Forschungsnetzwerk QUAPITAL hat ein zentraleuropäisches Quanteninternet basierend auf dem europäischen Glasfasernetz zum Ziel. Im Rahmen dieses Netzwerks haben Wissenschafter um Sebastian Neumann und Rupert Ursin vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) eine neue, leistungsfähige Quelle für verschränkte Photonen entwickelt und diese im Fachjournal "Quantum" vorgestellt.

Bisher produzierten solche Quellen nicht genügend Photonen-Paare in der erforderlichen Qualität. "Unsere Quelle vereint alle 3 erforderlichen Eigenschaften: Sie liefert mit einer Milliarde Photonen-Paare pro Sekunde extrem hohe Datenraten, wobei ihre Effizienz sehr hoch ist und tatsächlich Teilchen-Paare und nicht nur viele einzelne Photonen produziert werden. Zudem ist die Polarisation der Photonen von hoher Qualität", erklärte Neumann gegenüber der APA.

Sender in Wien, Empfänger in St. Pölten und Bratislava

Diese am Physik-Institut der Universität Wien platzierte Quelle wurde an 2 jeweils knapp 125 Kilometer lange Glasfaserkabel angeschlossen, die zu Empfangsstationen in Sankt Pölten und Bratislava führten. Von den erzeugten verschränkten Photonenpaaren ging jeweils ein Lichtteilchen nach Niederösterreich und eines in die Slowakei. Die Polarisation der beiden Teilchen ist bei der Produktion und am Weg zum Detektor unbekannt. Sobald man aber in St. Pölten misst, weiß man sofort, dass in Bratislava das gleiche Messergebnis vorliegt.

Obwohl die Photonen-Quelle eine Milliarde Teilchen-Paare pro Sekunde liefert, sind die Verluste in den Glasfasern so hoch, dass nur 10 Paare pro Sekunde bei den Empfängern ankommen. "Die Schwierigkeit dabei ist, dass man die zusammengehörigen Photonen überhaupt identifiziert", sagte Neumann.

Der limitierende Faktor dabei sind die Detektoren, deren Zeitmessung nicht genau genug ist. "Es ist kein Problem, noch mehr Photonen wegzuschicken, mit unserer Quelle können wir schon Gigabit-Raten erreichen. Doch um die zusammengehörenden Photonen zu identifizieren, muss der Detektor eine gewisse Zeitauflösung haben, weil die Photonen sonst überlappen", so Neumann.

Übertragungsrate von 1,5 Bit pro Sekunde

Aus diesem Grund liegt die mögliche verschlüsselte Datenübertragungsrate in dem Netzwerk zwischen Sankt Pölten und Bratislava bei der Quantenkryptografie noch bei bescheidenen 1,5 Bit pro Sekunde, "das ist am absoluten Limit mit der derzeitigen Technologie".

Ganz nutzlos sind jedoch auch niedrige Raten nicht: Anders als bei einer herkömmlichen Internetverbindung könnten die Daten über einen längeren Zeitraum gesammelt werden, bis man sie zur Verschlüsselung benötigt, betont der Physiker. So kämen monatlich immerhin 450 Kilobyte zusammen.

Stabilisierungssystem nötig

Die Wissenschafter mussten zudem das Signal gegenüber Temperaturschwankungen in der Faser unempfindlich machen. Durch diese Temperaturveränderungen ändert sich der Gesamtquerschnitt der Glasfaser und damit die Polarisation der Lichtteilchen. Mittels eines eigens entwickelten Stabilisierungssystems, bei dem mithilfe von Piezokristallen die Glasfaser auf einer Länge von etwa 2 Zentimetern gequetscht wird, können diese Schwankungen über die ganze Strecke ausgeglichen werden. "Weil die Teilchen verschränkt sind, reicht es, wenn wir das nur an einer der beiden Fasern machen", so Neumann.

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