Warum ein Zeckenbiss eine Fleischallergie auslösen kann
Menschen können auf eine Vielzahl von Stoffen allergisch reagieren. In seltenen Fällen können sie auch eine Allergie auf Fleisch entwickeln. Fleischallergien sind bisher noch wenig erforscht. An der FH Campus Wien wird nun versucht, durch die Identifizierung und Charakterisierung der Allergie auslösenden Moleküle (Allergene) besser zu verstehen, wie Fleischallergien entstehen können.
Wenige Betroffene
"Zugegeben, Allergien gegen Fleisch treten nicht sehr häufig auf, aber es gibt noch keine genauen Daten dazu", sagt Ines Swoboda, Leiterin des Kompetenzzentrums für Molecular Biotechnology der FH Campus Wien und Leiterin des Projekts "Immunantworten auf Fleischallergene". 3 bis 10 Prozent der Bevölkerung in der westlichen Welt sind von Nahrungsmittelallergien betroffen, von diesen weisen wiederum schätzungsweise 3 bis 10 Prozent eine Fleischallergie auf.
Fleischallergien können sich sehr unterschiedlich äußern, in den meisten Fällen sind Betroffene entweder gegen rotes oder weißes Fleisch allergisch, also gegen Fleisch von Säugetieren oder Geflügel. Manche leiden nur an leichten Symptomen, etwa Hautausschlägen. In anderen Fällen können auch Bauchschmerzen auftreten und sogar besonders schwere Symptome, etwa anaphylaktische Reaktionen, bei denen sofortige Hilfe notwendig sei, erklärt Swoboda.
Kreuzreaktive Allergene
In einem Vorgängerprojekt sind bereits einige Allergene identifiziert worden, die zu Fleischallergien führen können. "Die in dem Vorgängerprojekt generierten Daten haben uns gezeigt, dass es noch zusätzliche Allergene gibt. Genau mit diesen beschäftigen wir uns jetzt intensiver", sagt die Projektleiterin. Auf der Spur ist man dabei auch so genannten kreuzreaktiven Allergenen. Dabei handelt es sich um Inhaltsstoffe anderer tierischer Nahrungsmittel, etwa Fisch, Meeresfrüchte oder Insekten, die aufgrund ihrer molekularen Ähnlichkeit mit Fleischallergenen eine Allergie auf diese tierischen Nahrungsmittel auslösen können.
"Ein klassisches Beispiel für Kreuzreaktivität kommt aus dem respiratorischen Bereich", erklärt Swoboda: "Menschen mit einer Birkenpollenallergie reagieren manchmal auf Moleküle, die auch in Äpfeln oder Nüssen vorkommen."
Immunblot-Methode
Um Fleischallergene zu identifizieren, verwenden die Forscher*innen der FH Campus Wien die Immunblot-Methode. Aus Fleisch werden Extrakte hergestellt, die Allergene enthalten. Diese Extrakte werden mittels Gel-Elektrophorese in ihre Einzelkomponenten aufgetrennt und danach auf eine Membran transferiert. Mit Hilfe von Seren von Personen, die erwiesenermaßen auf Fleisch allergisch reagieren, wird nun auf der Membran nach Proteinen gesucht, die IgE-Antikörper binden und daher für allergische Reaktionen verantwortlich sind. Diese werden dann mittels Massenspektrometrie identifiziert.
Während sich IgE-Antikörper meisten gegen Proteine richten, gibt es auch seltene Fälle von Fleischallergien, bei denen andere Moleküle Allergien auslösen können. Einem davon widmet sich das Forschungsprojekt besonders: Der so genannten Alpha-Gal-Allergie. "Die Antikörper richten sich dabei gegen Zuckerstrukturen. Bisher dachte man, die seien für Allergien irrelevant", sagt Swoboda.
Voraussetzung Zeckenbiss
Die Alpha-Gal-Allergie ist aber auch aus anderen Gründen besonders. Symptome treten dabei nicht unmittelbar nach einem Fleischkonsum auf, sondern erst mit einer Verzögerung von mehreren Stunden. Außerdem haben Betroffene alle eines gemeinsam: Sie wurden zuvor von einer Zecke gebissen. "Damit man auf Alpha-Gal-Strukturen allergisch wird, muss davor ein Zeckenbiss passiert sein, bei dem das Immunsystem stimuliert wurde." Wie und warum, das will man durch das Forschungsprojekt besser verstehen.
Alpha-Gal-Allergien kommen bei Personengruppen häufiger vor, die öfter Kontakt mit Zecken haben, etwa Jäger*innen oder Förster*innen. Rund 20 Prozent dieser Menschen sind gegen Alpha-Gal sensibilisiert, allerdings zeigen nicht alle Symptome. Für die Erforschung dieser speziellen Allergieform arbeitet die FH Campus Wien mit der MedUni Wien zusammen. Aus der Abteilung für Parasitologie wird etwa Zeckenspeichel zugeliefert, mit dem Zellexperimente durchgeführt werden. Das Projekt läuft bis April 2025 und wird vom FWF gefördert.