Start-ups

Kernspaltung für mehr Nachhaltigkeit

Kerne von Marillen, Zwetschken, Sauerkirschen und Pfirsichen werden üblicherweise entsorgt oder verheizt, nachdem die Früchte zu Säften, Marmelade, Konserven oder Schnaps verarbeitet wurden. "Sie enthalten aber viele wertvolle Inhaltsstoffe", sagt Luca Fichtinger. "In den Samen der Kerne befinden sich viele Proteine und gesunde Fettsäuren."

Das von dem WU-Absolventen gemeinsam mit seinem früheren Studienkollegen Michael Beitl gegründete Start-up Kern Tec gewinnt aus den Abfallprodukten Samen, Öle, Mehle und Schalen die dann zu Shampoos, Hautcreme, Backwaren oder Fitnessriegeln weiterverarbeitet werden.

Das bringt nicht nur Obstbauern eine neue Einnahmequelle, sondern unterstützt durch den nachhaltigen Umgang mit Ressourcen die Kreislaufwirtschaft. Die Kerne seien auch eine "tolle Quelle für Innovation", sagt Fichtinger.

Eine Million Kerne will das niederösterreichische Unternehmen heuer veredeln

300 Tonnen Kerne verarbeitet

300 Tonnen Steinobstkerne hat das junge Unternehmen, das aus einem universitätsübergreifenden Studienprojekt der WU, TU und Boku in Wien hervorgegangen ist, im vergangenen Jahr bereits verarbeitet. Die Kerne werden mit einer eigens entwickelten vollautomatisierten Technologie aufgespaltet, sortiert und veredelt.

Marille eigne sich besonders gut als Öl für Backwaren oder zum Abrunden von Soßen, sagt Fichtinger. Pflaumen- und Kirschensamen hätten gute Eigenschaften als Botenstoffe und würden bei Kosmetika für die Gesichts- und Körperpflege verwendet.

Die Samen könnten aber auch, nachdem sie von ihrem Blausäuregehalt befreit wurden, als Snack verwendet werden. Auch dazu hat das Start-up ein eigenes Verfahren entwickelt. Der Geschmack sei "ganz wunderbar", sagt Fichtinger.

"Gehen kreativ an Produkte heran"

Die Schalen der Kerne werden zu feinem Granulat verarbeitet, das Mikroplastik ersetzen kann, das bei Peeling-Produkten zum Einsatz komme. Das Granulat könne aber auch in Zahnpasta zum Lösen von Zahnbelag oder in der Industrie zur Oberflächenreinigung eingesetzt werden.

Bei den Anwendungen der Samen und Öle arbeitet das Start-up direkt mit den Abnehmern zusammen. "Die Idee für die Weiterverarbeitung kommt meistens von uns. Wir gehen kreativ an die Produkte heran", sagt Fichtinger.

Das Start-up zählt mittlerweile 9 Mitarbeiter. Dazu gehören neben den ursprünglichen Gründern Beitl und Fichtinger auch 2 Techniker und Mitgründer Sebastian Jeschko und Fabian Wagesreither, sowie 2 Lebensmitteltechnologen, die an Anwendungsfällen arbeiten. Finanziert wurde das Unternehmen anfangs mit Ersparten und unbezahlter Arbeit der Gründer. Später kamen Preisgelder von Wettbewerben und Förderungen, unter anderem von der Förderbank austria wirtschaftsservice (aws) und dem Greenstart-Programm des Klima- und Energiefonds, dazu. Im vergangenen Jahr wurden erste Umsätze erwirtschaftet. "Unsere Samen waren restlos ausverkauft", sagt Fichtinger

Kern-Tec-Team: Michael Beitl und Luca Fichtinger und die Techniker Sebastian Jeschko und Fabian Wagesreither (v.l.n.r.)

Kerne aus ganz Europa

Mittlerweile bezieht das Start-up seine Kerne nicht nur von österreichischen Obstbauern, sondern auch von Betrieben aus Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland und Ungarn. Die Kerne werden von Partnerunternehmen lokal von Fruchtfleisch gereinigt, gewaschen und getrocknet, bevor sie in Österreich von Kern Tec veredelt und international weiterverkauft werden. Europaweit fallen laut Fichtinger jährlich 550.000 Tonnen an Kern-Abfall an. In Österreich seien es immerhin 100 bis 200 Tonnen, schätzt der Gründer.

Bisher wurden die Kerne in der Produktionsstätte eines Partnerunternehmens gespaltet. Heuer hat das Start-up im niederösterreichischen Herzogenburg eine eigene Produktion in Betrieb genommen. Auf einer Länge von 10 Metern sind dort in einer Halle einige Maschinen aneinandergereiht. Im Juli sollen die ersten Kerne geknackt werden, sagt Fichtinger: "Die Kapazitäten sind gigantisch. Wir können jetzt mehrere 1.000 Tonnen verarbeiten."

 

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und aws (austria wirtschaftsservice).

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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