Lovely female auto mechanic, examining engine of an automobile
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Fahrzeugdaten sorgen für Ärger bei Autowerkstätten

Viele Autobesitzer*innen müssen sich ärgern, wenn sie ihr Fahrzeug in die nächstgelegene Werkstatt bringen, und diese die Fahrzeugdaten nicht sofort auslesen kann. Bis der Fehler diagnostiziert werden kann, dauert es. Das liegt an verschlüsselten Schnittstellen, die in vielen neueren Fahrzeugmodellen aktiviert sind.

In modernen Autos gibt es seit 2001 für Benziner und seit 2004 für Diesel-Fahrzeuge ein verpflichtendes Fahrzeugdiagnosesystem. Dies überwacht während des Fahrbetriebs alle abgasbeeinflussenden Systeme und weitere wichtige Steuergeräte. Liegt ein Fehler vor, kann dieser von einem/r Automechaniker*in über eine sogenannte „On-Board-Diagnose(OBD)-Schnittstelle abgefragt und ausgelesen werden.

Schnittstelle gehackt

Doch diese Schnittstellen sind angreifbar. Hacker*innen ist es im Jahr 2016 gelungen, einen Jeep Cherokee von Fiat Chrysler über diese Schnittstelle zu übernehmen. Daraufhin hat die EU im Jahr 2018 beschlossen, dass Zugänge zu technischen Informationen und Diagnosedaten durch Sicherheitszertifikate oder spezielle Authentifizierungsprozesse zu schützen sind. Diese sind jetzt in fast allen neueren Fahrzeugen verbaut, unter anderem bei den Herstellerfirmen Fiat Chrysler, Hyundai, Kia, Renault, Nissan, Mercedes-Benz sowie Volkswagen und Audi.

Genau diese machen jetzt allerdings freien Werkstätten – und damit auch indirekt den Kund*innen – große Probleme. Es gibt nämlich keinen einheitlichen Prozess und jede Autofirma kocht ihr eigenes Süppchen. „Hier gibt es verschiedene Ansätze seitens der Herstellerfirmen“, erklärt Daniel Deimel, Experte für Fahrzeugkommunikation beim ÖAMTC. „Manche arbeiten mit eigenem Log-in und einer Verbindung zum Hersteller-Service, andere mit einem USB-Dongle, um Zugriff auf die Daten zu erhalten“, sagt Deimel.

Für die freien Werkstätten bedeutet dies, dass sie wichtige Diagnosedaten, die Hinweise auf die Fehlerursache geben, nicht sofort auslesen können. Sie müssen sich erst Zugänge zu den Online-Portalen der Herstellerfirmen besorgen, spezielle Adapter oder Sicherheitsschlüssel einsetzen. Für die Reparaturtechnik sei eine Vereinheitlichung des Zugangs „wünschenswert“, sagt Deimel vom ÖAMTC. Das sei nicht nur für freie Werkstätten notwendig, sondern auch für Pannendienste wie den ÖAMTC. „Noch bleiben noch nicht so viele neuere Autos liegen, aber in fünf Jahren wird sich das ändern.“

Mehraufwand und Kosten

Für Fahrzeughersteller*innen ist es gesetzlich verboten, freien Autowerkstätten Informationen zu Kfz-Service und -Reparatur vorzuenthalten. Auch unabhängigen Werkstätten müssen alle Informationen zur Verfügung gestellt werden. Zwar nicht gratis, aber zu einem „angemessenen Marktpreis“. Damit sollen Kund*innen weiterhin die freie Wahl haben, wo sie ihre Autos reparieren lassen.

Doch dieser Mehraufwand und die Mehrkosten werden Kund*innen am Ende weiterverrechnet. „Wir bekommen die Daten häufig nicht in der Art und Weise, wie wir sie für die Reparatur benötigen würden“, erklärt Walter Birner, Obmann des Verbands der freien Kfz-Teile-Fachhändler (VFT). „Teilweise müssen wir die Daten mühsam händisch abtippen oder sie werden nicht so übermittelt, dass wir sie direkt verwenden und per Computer verarbeiten können.“ 

„Bei Connected Cars werden die Auto-Besitzer*innen direkt in die nächste Markenwerkstätte geleitet, wenn die rote Lampe blinkt."

Walter Birner | Obmann des Verbands der freien Kfz-Teile-Fachhändler (VFT)

Geregelt in EU-Verordnung

Geregelt ist die Weitergabe der Daten auch an unabhängige Werkstätten in Europa in der EU-Kraftfahrzeug-Gruppenfreistellungsverordnung (Kfz-GVO), die nächstes Jahr ausläuft und verlängert werden müsste. Doch die freien Autowerkstätten fürchten, dass Autohersteller etwas dagegen haben könnten.

Birner kritisiert, dass diese Daten immer nur an den Fahrzeughersteller*innen geschickt werden und bestimmte Informationen nur in minimalem Umfang weitergegeben werden. „Wir würden einen direkten Zugang zu den Fahrzeugdaten, von einer neutralen Stelle bevorzugen“, so Birner. Das wäre am Ende auch für die Kund*innen von Vorteil.

Der VFT-Experte sagt auch, dass Hersteller*innen Kund*innen indirekt dazu bewegen, bevorzugt Vertragswerkstätten aufzusuchen, anstatt freie Kfz-Werkstätten. „Bei Connected Cars werden die Autobesitzer*innen direkt in die nächste Markenwerkstätte geleitet, wenn die rote Lampe blinkt“, sagt Birner.

Mechanic lying under car and working with tools

Autos oft nur mehr schwer reparaturfähig

Im Schnitt sind Autos rund 15 Jahre in Gebrauch. So lange sollten sie auf jeden Fall auch repariert werden können. Doch, wie ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wird dies seitens der Autohersteller*innen erschwert. In einem Chrysler Stratus ist ein Froststopfen, der an und für sich nur zwei Euro pro Stück kostet, genau hinter dem Automatik-Getriebe verbaut. Damit muss das Fahrzeuggetriebe komplett herausgenommen werden, um das defekte Teil zu wechseln. Das lohnt sich kostentechnisch für viele Kund*innen nicht und diese lassen das Fahrzeug dann lieber verschrotten. Laut Birner ist dies durchaus beabsichtigt.

Es sei ein Trend zu beobachten, dass Autos so konstruiert werden, dass sie nach ein paar Jahren nicht mehr reparaturfähig sind. Das sei in vielen Industriezweigen üblich geworden und eine Verschwendung von Ressourcen, wie Birner sagt. „Fahrzeuge müssen weiterhin so gebaut werden, dass sie wiederaufbereitet werden können.“ Aus Nachhaltigkeitssicht sei eine derartige geplante Obsoleszenz klar abzulehnen. „Über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeuges betrachtet – von der Produktion bis zur Entsorgung –, ist es besser, ein Fahrzeug zu reparieren und damit zu erhalten, anstatt es durch ein neues zu ersetzen“, ist Birner überzeugt.

Autos bald nur noch sechs Jahre unterwegs?

Auch der IT-Experte Ross Anderson von der Cambridge University zeigte sich bereits bei einem Vortrag auf dem Chaos Communication Congress alarmiert über die absichtliche Reduzierung der Lebensdauer von neuen Autos. Es gebe Bestrebungen von Firmen, die Lebensdauer auf sechs Jahre zu beschränken, warnte Anderson bereits 2019.

Dem ÖAMTC-Experten ist derzeit kein Fahrzeug bekannt, welches etwa nach einer Lebensdauer von sechs Jahren nicht mehr reparierbar sei. „Es gibt kein Fahrzeug, wo etwas in diesem Zeitfenster nicht mehr reparierbar ist, sofern man es auch wirtschaftlich vertreten kann“, so Deimel. Das wäre etwa bei einem Totalschaden nicht mehr der Fall. Mit der Verbreitung von E-Autos dürfte sich jedoch am Automarkt noch einmal etwas ändern. Die meisten Hersteller*innen geben auf die Akkus derzeit rund 8 Jahre Garantie.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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