Präsentation eines virtuellen Modells vom Kernfusionsreaktor ITER beim Siemens Business Media Day 2022

Präsentation eines virtuellen Modells vom Kernfusionsreaktor ITER beim Siemens Business Media Day 2022

© David Kotrba

B2B

Aus digitalen Zwillingen soll Industrie-Metaversum entstehen

Dank Facebook ist das Metaversum ja in aller Munde - eine Art immersive Welt, durch die man als Nutzer*in spazieren und Informationen auf eine ganz neue Weise entdecken soll. "Aber die eine Definition dafür gibt es nicht", sagt Peter Körte, Chief Technology and Strategy Officer von Siemens. Dennoch sieht man beim deutschen Industriekonzern, der dieser Tage seinen 175. Geburtstag feiert, die ersten Anzeichen dafür. Der Idee eines "industriellen Metaversums" kann man auch einiges abgewinnen.

Startpunkt war CAD-Design

Der Startpunkt der Entwicklung war laut Körte das Computer-unterstützte Design (CAD), mit dem digitale Modelle von Bauteilen entworfen und verändert werden konnten. Digitale Zwillinge stellen eine Weiterentwicklung dar. Mit ihnen können präzise Simulationen von Produkten, Fabriken oder ganzen Stadtteilen durchgeführt werden. "Man kann physische Belastungen auf Bauteile, den Luftzug über einen Prozessor oder Vorgänge in der Elektronik simulieren", sagt Körte. "Der nächste Schritt ist, das fotorealistisch zu machen."

Virtuell durch neues Viertel

Einen Vorgeschmack auf die Möglichkeiten präsentiert Siemens bei seinem Business Media Day in Berlin gemeinsam mit dem US-amerikanischen Software-Entwickler Bentley Systems: Einen digitalen Zwilling des Projekts Siemensstadt Square. Auf einer Fläche von 70 Hektar im Berliner Ortsteil Spandau soll eine hochmoderne Siedlung entstehen. Sämtliche Gebäude, Freiflächen, Bäume und Infrastruktur wie Leitungen unter der Erde sind in einem digitalen Modell dargestellt. Die Präzision der Daten dabei ist so hoch, dass sie in Ingenieurs-Arbeitsprozessen verwendet werden können.

Rendering des Stadtviertels Siemensstadt Square in Berlin

Rendering des Stadtviertels Siemensstadt Square in Berlin

Eintauchen in den Kernfusionsreaktor

Der Digitale Zwilling wurde versuchsweise in eine Game Engine übertragen, wodurch man den neuen Stadtteil virtuell durchwandern kann. Das gleiche hat Bentley auch für ITER gemacht, das multinationale Kernfusionskraftwerk, das im Süden von Frankreich gebaut wird. Auch hier kann man - entweder mit VR-Brille oder am Computerdisplay - jede Schraube erkunden, oder jeden Abschnitt der supraleitenden Magneten rund um den Tokamak-Reaktor, in dessen Inneren künftig 150 Millionen Grad Celsius heißes Plasma fließen wird.

Ein industrielles Metaversum soll es erlauben, Projekte wie die beschriebenen künftig kollaborativ, mit einer Vielzahl von Stakeholdern, und in Echtzeit zu bearbeiten. Der Umgang mit der Technologie soll sich leicht anfühlen. "Es wird ein bisschen dauern, bis sich so etwas materialisiert", meint Nicolas Cumins, COO von Bentley Systems, aber viele Technologien, die dafür notwendig sind, gibt es bereits - etwa 5G zur annähernd verzögerungsfreien mobilen Übertragung großer Datenmengen. Jedenfalls seien Digitale Zwillinge die Grundlage für das Metaversum.

Digitalisierung einfach machen

Um überhaupt Prozesse mit Hilfe von digitalen Zwillingen zu optimieren, müssen Unternehmen freilich die Digitalisierung weiter vorantreiben. Hier sieht Siemens noch  enormen Aufholbedarf. Digitalisierung sei nicht nur wichtig, um effizienter zu wirtschaften, sondern auch um das Klima zu schützen, etwa durch reduzierten Energieverbrauch. Laut eigenen Nachforschungen sehen 86 Prozent der Unternehmen bestehende Systeme als Hindernis. Genau ihnen will der Konzern die Digitalisierung einfach machen.

Gelingen soll das mit der hauseigenen Geschäftskundenplattform Siemens Xcelerator. Dazu zählen verschiedenste Software-Pakete, Hardware-Lösungen und ein Partner-Ökosystem. Zu letzterem Punkt passend wurden im Rahmen des Business Media Day zwei neue Partner vorgestellt: Der schwedische E-Truck-Hersteller Volta (will im oberösterreichischen Steyr produzieren!) und der transeuropäische Elektrofahrzeug-Batteriehersteller ACC. Siemens Xcelerator bietet für verschiedenste Bereiche spezielle Produkte an. Präsentiert wurden Beispiele für Mobilität, industrielle Fertigung, sowie Infrastruktur.

Der digitale Zwilling einer Fabrik simuliert selbst kleinste Prozesse

Der digitale Zwilling einer Fabrik simuliert selbst kleinste Prozesse

Simulation bis zum einzelnen Handgriff

In der Fertigung können durch den Einsatz von Sensoren und Künstlicher Intelligenz Produktionsabläufe analysiert und verbessert werden. Digitale Zwillinge ganzer Fabriken bieten einen Detailgrad, der sogar die Handgriffe einzelner Arbeiter*innen inkludiert. Auf Produktebene seien durch Digitalisierung schnellere Entwicklungsabläufe möglich. Als Beispiel gezeigt wurde etwa ein Elektrofahrzeug, bei dem ein digitaler Zwilling eines Bauteils aus 3D-gedrucktem Material mit bionischem Design erstellt wurde. Dadurch konnte es um 30 Prozent leichter gemacht werden.

Mehrere Gebäude im Überblick

Mit Siemens zusammenarbeitende Hotelketten setzen unterdessen Software ein, mit der Energieverbräuche mehrerer Häuser überwacht und optimiert werden können. Bestehende Gebäude mit Sensoren auszustatten, mit KI zu analysieren und so Einsparungspotenziale zu finden, sei einfach, wie Thomas Kiessling, CTO Smart Infrastructure, erklärt. Auch Stromnetze können durch Digitalisierung ihre Kapazität steigern und resilienter gegen Ausfälle werden. Das sei auch notwendig, denn in den kommenden Jahrzehnten werde sich die Spitzenerzeugungsleistung bei Strom verdreifachen. Kiessling: "Wir kommen nicht dahin, wenn wir nicht massiv in Software und die Digitalisierung investieren."

Bahnhof Achau mit DS3 Schriftzug auf Anzeigetafeln

In Achau, Niederösterreich, wurde die cloudbasierte Zugsteuerungsplattform DS 3 installiert

Vorhandene Gleise besser nutzen

Im Mobilitätsbereich gibt es etwa Lösungen für Bahnbetreiber, um Züge und Infrastruktur genauer zu überwachen und vorhandene Potenziale zur Kapazitätserhöhung zu nutzen. Auch hier werden Digitale Zwillinge eingesetzt, etwa um bei Betriebsstörungen Prognosen über mögliche Auswirkungen zu treffen und dynamisch Umbuchungen für Passagiere durchzuführen. Großer Wert wird dabei auf Offenheit gelegt, um mit einer Vielzahl bestehender - und höchst unterschiedlicher - IT-Systeme von Bahn- und Infrastrukturbetreibern umgehen zu können.

Österreich dient Siemens hier als gutes Beispiel. In Achau, südlich von Wien, wurde etwa zum ersten Mal die cloudbasierte Zugsteuerungsplattform DS 3 eingesetzt. Bei der fahrerlosen U-Bahnlinie U5 in Wien werden bisher kabelgebundene Sensoren mittels 5G vernetzt.

 

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen der futurezone und Siemens.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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