BTR-82A beim Abfeuern der 30mm-Kanone

BTR-82A beim Abfeuern der 30mm-Kanone

© Ministry of Defence of the Russian Federation

Militärtechnik

Dauerfeuer nach Drohnentreffer: Russischer Panzer „dreht durch”

Ein Video geht derzeit durch die sozialen Medien. Es zeigt einen russischen Panzer, der von einer ukrainischen Kamikaze-Drohne getroffen wird. Was direkt nach dem Treffer passiert, ist unerwartet:

Der Panzer schießt für 20 Sekunden mit Dauerfeuer. User kommentieren das mit „der Panzer dreht durch“ oder glauben, dass die Crew aus Panik auf einen Feind schießt, wo gar keiner ist. Die Ursache dürfte aber ein technischer Defekt sein.

➤ Mehr lesen: China stattet Kampfpanzer Type 99A mit winzigem Drohnenschutz aus

Runaway: Alles geht raus

Bei Schusswaffen wird dieser Defekt als Runaway bezeichnet. Dabei trifft der Schlagbolzen auf das Zündhütchen der Patrone, ohne dass der Abzug betätigt wird. Das Ganze geht so lange, bis die Munition leer ist, die Munitionszuführung manuell gestoppt wurde oder es zu einem weiteren technischen Defekt kommt – etwa eine Auswurfsstörung, bei der die leere Patronenhülse nicht mehr aus der Kammer extrahiert wird oder den Verschluss verklemmt.

Ein Runaway kann mehrere Ursachen haben: So kann etwa der Abzugsmechanismus nach dem ersten Abdrücken defekt sein und nicht mehr in der Ruhestellung einrasten. Es kann vorkommen, dass durch vorheriges Schießen die Patronenkammer so heiß geworden ist, dass die Patrone von alleine zündet und so der Runaway gestartet wird.

Mangelnde Wartung und verschlissene Bauteile begünstigen Runaways. Als anfällig gelten etwa die Modelle des amerikanischen Maschinengewehrs M60 im Kaliber 7.62 NATO.

Auch das MG74 des Bundesheeres kann diesen Defekt haben. Deshalb ist bei Übungen mit scharfer Munition immer ein zweiter Soldat instruiert, den Patronengurt um 180 Grad zu verdrehen, sollte das 74er „durchrennen“. Dadurch wird die Munitionszufuhr blockiert.

In Kanada werden die MG-Schützen trainiert, den Gurt beim C6 (FN MAG) selbst abzureißen:

Auch kleinere und größere Kaliber sind nicht vorm Runaway gefeilt. Hier hat ein M249 im Kaliber 5.56 NATO einen Runaway, bei dem sich gleich die ganze Abzugsgruppe vom Gehäuse löst:

Hier rennt ein amerikanisches M2 im Kaliber .50 BMG durch. Prinzipiell tritt dieser Effekt bei Maschinengewehren häufig auf, weil die möglichst simpel gebaut sind und eine viel höhere Schussbelastung haben als die Sturmgewehre der Soldaten. Und mehr Schussbelastung bedeutet mehr Verschleiß.

War doch die Besatzung schuld?

Eine andere Theorie, die sich zum russischen Panzer hält: Ein Mitglied der Besatzung wurde durch den Drohnentreffer tödlich verletzt und hat seine Hand am Abzug gehabt. Auch wird spekuliert, dass ein Feuer im Panzer ausgebrochen ist und der Schütze die Munition verballern wollte, damit diese nicht im Turm zündet und einen sogenannten „Cook Off“ auslöst, bei dem der Panzer von innen heraus durch die Sekundärexplosionen vernichtet wird.

Dagegen spricht, was im Video zu sehen ist. Der Panzer raucht bereits vor dem Einschlag der Kamikaze-Drohne. Zudem ist die Kanone nach oben gerichtet und bewegt sich nicht. Womöglich wurde also schon zuvor versucht, eine Drohne abzuwehren.

➤ Mehr lesen: Neuer Panzer schießt mit Laser, Raketen und Maschinenkanone auf Drohnen

Außerdem ist zumindest eine der Luken geöffnet und im Feld sind anscheinend Fußspuren zu sehen, die vom Panzer wegführen. Das alles spricht dafür, dass der Radpanzer schon zuvor getroffen wurde und die Besatzung das Fahrzeug zurückgelassen hat. Verlassene Fahrzeuge werden von der Ukraine zerstört, wenn sie nicht sicher geborgen werden können, oder wenn nicht klar ist, ob der Panzer wirklich verlassen wurde oder sich nur „totstellt“.

Schützenpanzer BTR-82

Bei dem Panzer handelt es sich um einen BTR-82 bzw. BTR-82A. Das sind Varianten des russischen Radschützenpanzers BTR-80, der seit 1984 produziert wird. Gegenüber dem Originalmodell hat er einen 300 PS starken Motor. Dieser soll das 16 Tonnen schwere Gefährt auf bis zu 90 km/h beschleunigen.

Die Hauptbewaffnung ist die 30mm-Maschinenkanone 2A72. Die effektive Reichweite beträgt 1,5 km mit normaler Munition und bis zu 3,6 km mit modernen Geschossen. Die maximale Feuerrate beträgt 330 Schuss pro Minute.

Üblicherweise hat ein BTR-82 300 Schuss für die Kanone am Bord. Da im Video nur 20 Sekunden geschossen wurde, hat der BTR-82 vorher schon einen Teil seiner Munition verbraucht oder die Zuführung wurde durch einen weiteren technischen Defekt gestoppt.

➤ Mehr lesen: Panzerjäger aus Nordkorea in der Ukraine aufgetaucht

Zusätzliche Panzerung gegen Drohnen

Der BTR-82 im Video wurde mit zusätzlicher, improvisierter Panzerung versehen. Der Turm mit dem 2A72 hat einen eigenen Cope Cage. Das Heck, in dem sich der Transportraum für 6 Soldaten befindet, wurde mit einem weiteren Käfigaufbau ausgestattet, um die Wucht von Kamikaze-Drohnen abzudämpfen.

Vorne und seitlich sind weitere Gitter erkennbar, sowie Schürzen. Diese sollen nicht nur vor Drohnen schützen, sondern auch vor Splitter und Explosionen, die etwa die Räder zerstören könnten.

BTR-82 mit Cope Cages, Gittern und Schürzen

BTR-82 mit Cope Cages, Gittern und Schürzen

Seit dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine dürfte Russland mindestens 1.080 BTR-82 verloren haben. Zu diesem Ergebnis kommt die Oryx-Gruppe, die die Verluste anhand optischer Bestätigung, also Fotos und Videos aus dem Kriegsgebiet, protokolliert. Die tatsächlichen Verluste dürften weit höher sein.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

mehr lesen
Gregor Gruber

Kommentare