Wie sinnvoll das Fliegen mit Speiseöl ist
Vor einigen Tagen ist eine Boeing 787 der Fluglinie Virgin Atlantic von London nach New York geflogen, die keinen Tropfen herkömmliches Kerosin in den Tanks hatte, sondern "Sustainable Aviation Fuel". SAFs, wie die nachhaltigen Flugzeugtreibstoffe kurz genannt werden, sind die große Hoffnung von Fluglinien, wenn es darum geht, Treibhausgasemissionen zu senken. Im Falle des jüngsten Fluges stammt der Treibstoff von gebrauchten Speiseöl. Dieses kann mit relativ wenig Aufwand zu einer Flüssigkeit umgewandelt werden, die Triebwerke ohne Anpassungen verwenden können.
CO2-Bilanz von Flugzeugen sinkt
Die Luftfahrtbranche ist von der Möglichkeit begeistert, weil bisher mit Kerosin fliegende Flugzeuge nicht ersetzt werden müssen und ihre CO2-Bilanz dennoch sinkt. Der jüngste Transatlantikflug zeige, dass man den Transportsektor dekarbonisieren könne und Menschen weiterhin soviel fliegen können, wie sie wollen, sagt der britische Verkehrsminister Mark Harper. Ein schlechtes Gewissen, weil man durch eine Flugreise besonders hohe Emissionen verursacht, bräuchten Passagiere damit in Zukunft nicht mehr haben.
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Flächenkonkurrenz befürchtet
Klimaschützer*innen halten diese Aussage für Unfug. SAFs könnten Emissionen tatsächlich stark reduzieren, spielen derzeit in der Luftfahrt aber nur eine minimale Rolle. Flugzeugtreibstoff aus Altspeiseöl werde derzeit nur in sehr geringem Umfang produziert, der Rohstoff könne den Bedarf der Luftfahrt nicht einmal decken, wenn man ihn voll ausschöpfen würde. Wenn landwirtschaftliche Flächen für den Anbau von Pflanzen genutzt werden, deren Öl dann in Flugzeugen landet, entstehe eine Flächenkonkurrenz mit der Lebens- und Futtermittelindustrie. Die Folgen wären ein Ausbau von Anbauflächen, Waldrodungen und damit eine weitere Zerstörung von Lebensräumen und Kohlenstoffsenken (Bäume binden CO2 aus der Atmosphäre).
Greenwashing vs. Notwendigkeit
Testflüge mit SAFs, die stets groß beworben werden, gebe es seit vielen Jahren. Laut Kritiker*innen werde damit "Greenwashing" betrieben. Unternehmen verpassen sich damit ein grünes Image, während Fluggastzahlen steigen und jegliche Klimaschutzmaßnahmen im Luftfahrtbereich zunichtemachen. "Natürlich geht es bei solchen Flügen auch immer um Marketing, aber sie haben schon ihren Sinn. Bei großer Höhe, niedrigem Druck und niedriger Temperatur verhalten sich SAFs anders als auf der Erdoberfläche", sagt Dina Bacovsky vom Forschungsinstitut BEST, das sich auf Bioenergie und nachhaltige Technologien spezialisiert.
Unterschiedliche Abfälle und Reststoffe verwertbar
Laut internationalen Regeln dürfen SAFs Kerosin nur zu maximal 50 Prozent beigemengt werden. 100 Prozent seien bisher nur durch Ausnahmegenehmigungen möglich gewesen. Eine Reihe von Unternehmen stelle SAFs bereits her. Die OMV zählt dazu. Die Produktion soll in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark ausgebaut werden. Neben Altspeiseöl können eine Reihe weiterer Abfall- und Reststoffe verwertet werden, die in wesentlich größerer Menge vorhanden seien. Unter anderem könnte man Abfall und Reststoffe aus der Holz- und Lebensmittelindustrie verwerten. In einigen Bereichen gebe es aber noch Forschungsbedarf, von einer Marktreife sei man noch entfernt.
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Das derzeit dominierende Herstellungsverfahren HEFA (Hydroprocessed Esters and Fatty Acids), mit dem auch Altspeisefett verwertet wird, reiche für den derzeitigen Markt völlig aus. In Zukunft seien die Herstellungswege über Alkohol (ATJ, Alcohol-to-Jet) und die Fischer-Tropsch-Synthese von Gas (FT, etwa aus Biomasse) favorisiert.
Genügend Lebensmittel vorhanden
In der EU bestehe die Gefahr einer Flächenkonkurrenz nicht. Pflanzen, die für Nahrungs- oder Futtermittel angebaut werden, dürfen nicht für die Produktion von SAFs verwendet werden. Einen Mangel bei der Lebensmittelherstellung gebe es nicht. Reduziere man den Fleischkonsum - aus Klimaschutzsicht sehr begrüßenswert - stünde künftig viel Anbaufläche zur Verfügung. Staatliche Regulierung sei in jedem Fall notwendig.
Weniger Flüge dennoch notwendig
Derzeit sind SAFs noch sehr teuer, sie kosten mehr als Doppelte von Kerosin. Durch verpflichtende Beimischungsquoten wird die Produktion aber steigen, der Preis langfristig sinken. SAFs aus biogenen Quellen (wie Altspeiseöl) werden den Markt laut einer internationalen Studie, an der Bacovsky mitgearbeitet hat, früher erobern. Mit einem etwas langsameren Hochfahren rechnet man bei synthetischen SAFs, allen voran E-Fuels. Das sind Treibstoffe, die durch Elektrolyse von Wasser mittels erneuerbarer Energien und Kombination mit CO2 hergestellt werden.
Im Jahr 2050 könnte die Menge an unterschiedlichen SAFs theoretisch so groß sein, dass Flugzeugtanks weltweit zu mehr als 50 Prozent damit, anstatt mit Kerosin gefüllt sein könnten. Ob die Luftfahrt durch SAFs wesentlich grüner wird, hänge laut Bacovsky aber auch davon ab, wie viel geflogen wird: "Fliegen soll einen Preis haben, es ist kein Grundbedürfnis des Menschen."
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