Künstlerische Darstellung von Tempest

Künstlerische Darstellung von Tempest

© BAE Systems

Militärtechnik

Tempest: Neuer britischer Stealth-Fighter wird für Luftkampf optimiert

Tempest ist der Projektname für einen Kampfjet der 6. Generation. An der Entwicklung beteiligt sind Großbritannien, Japan und Italien. Das britische Verteidigungsministerium hat nun neue Details zum geplanten Stealth-Figher bekannt gegeben. Davon berichtet The War Zone

Ein Bericht des Unterhaus-Ausschusses zum Global Combat Air Program (GCAP) liefert einige Punkte zu den erwünschten Fähigkeiten des Jets. Im entsprechenden Abschnitt (Punkt 5) heißt es, dass die “Partnerländer eine Einigung über die Systemanforderungen erzielt hätten”.

Der Jet soll ua. für den Luftkampf optimiert werden. Demnach sind dies die wichtigsten Anforderungen an das neue Flugzeug, die sein Design bestimmen werden:

  • Größere Reichweite
  • Höhere Nutzlast, die den Transport einer größeren Luft-Luft-Rakete mit höherer Reichweite ermöglicht
  • Verbesserte Tarnung
  • Verschmelzung und Integration riesiger Mengen an Informationen, die im Kampfgebiet verfügbar sein werden

Zudem heißt es, es sei „absolut“ möglich, dass sich Tempest längerfristig zu einer unbemannten Plattform entwickeln könnte. 

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FILE PHOTO: Britain's defence minister, Gavin Wiliamson, unveiled a model of a new jet fighter, called 'Tempest' at the Farnborough Airshow, in Farnborough

Ein Modell des Tempest bei der the Farnborough Airshow

Rakete muss in den Waffenschacht passen

Es ist auffällig, dass speziell größere und reichweitenstärkere Luft-Luft-Raketen gefordert werden, als in den beteiligten Ländern bislang eingesetzt wurden. Das ist relevant für das Design des neuen Kampfjets, weil der interne Waffenschacht des Tempest entsprechend groß ausfallen muss.

Stealth-Fighter, wie die amerikanische F-35, russische Su-57 und chinesische J-20, haben ihre Bewaffnung in geschlossenen Schächten. Diese werden kurz vor dem Abschuss bzw. Abwurf geöffnet. Einen seltenen Blick darauf liefern Airshows, wie hier 2018 in China, bei denen Stealth-Fighter ihre Waffenschächte fürs Publikum öffnen:

Durch das Verstauen von Bomben und Raketen in Schächten, bleiben die Tarnkappeneigenschaften der Flugzeuge erhalten, die durch die spezielle Form und Beschichtung des Flugzeugrumpfs erzielt werden. Werden die Waffen auf den Hardpoints unter den Flügeln montiert, vergrößert sich der Radarquerschnitt, was die Tarnung weniger wirksam macht - das Flugzeug kann leichter von der Luftabwehr aufgespürt werden.

Der Nachteil der Waffenschächte: Sie können nicht nachträglich vergrößert werden. Eine Luft-Luft-Rakete mit höherer Reichweite benötigt mehr Treibstoff. Um den unterzubringen, muss die Rakete größer gebaut werden. Und daher ist es eben wichtig, von Anfang an beim Design eines Stealth-Fighters die gewünschte Bewaffnung miteinzubeziehen. Damit wird vermieden, dass die neue Rakete später auf einem Hardpoint landet, weil der Waffenschacht in der Entwicklungsphase der Tempest nur für bereits vorhandene Waffen, anstatt zukünftige Waffen designt wurde.

Mögliche Luft-Luft-Raketen für Tempest

Um welche neuen Raketen es sich dabei handeln könnte, ist unklar. Denkbar wäre ein Ankauf aus den USA einer bislang noch unbekannten Waffe. Der Hinweis, dass sie “größer” sein wird, schließt die AIM-260, die demnächst in Dienst gestellt werden soll, allerdings aus. Diese weist nämlich die gleichen Abmessungen wie die AIM-120 (siehe unten) auf.

AIM-120

AIM-120

Im Rahmen einer bilateralen Zusammenarbeit unterstützte das britische Verteidigungsministerium auch Japans Programm für neue Luft-Luft-Raketen (JNAAM). Dieses dürfte aber nicht über die technische Erforschungsphase hinausgegangen und mittlerweile eingestellt worden sein. Diese Raketen fallen also auch weg. Es ist daher denkbar, dass die Luft-Luft-Rakete mit hoher Reichweite für Tempest erst entwickelt wird, bzw. die aktuelle Entwicklung davon noch geheim ist.

Meteor 

Derzeit nutzen Großbritannien und Italien die europäische Meteor-Rakete. Diese wird von MBDA gebaut. Der europäische Rüstungskonzern ist auch in die Entwicklung des Tempest involviert.

 Die Meteor bei der deutschen Bundeswehr

Die Meteor hat eine Reichweite von 200 Kilometern und kommt etwa im Eurofighter Typhoon zum Einsatz. Künftig soll sie auch in die F-35B integriert werden, die Großbritannien auf seinen Flugzeugträgern einsetzt.

Zwar soll auch die Meteor ein Update bekommen, aber selbst damit dürfte sie nicht die Leistungsanforderungen der für Tempest vorgesehenen Rakete erfüllen. Auch scheint es ausgeschlossen, dass diese größer als die aktuelle Meteor sein wird. Zudem dürfte Meteor bis zur Indienststellung des Tempest in den 2030er- bis 2040er-Jahren schon längst nicht mehr zeigtemäß sein. 

AMRAAM

Derzeit übertrifft Meteor aber immerhin die US-amerikanische AIM-120 AMRAAM. Sie kommt ebenfalls im Eurofighter und in der F-35 zum Einsatz. Die AIM-120 hat eine Reichweite von etwa 160 Kilometer

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Russland

Der Umstand, dass man bei Tempest Raketen mit deutlich höherer Reichweite haben möchte, dürfte nicht zuletzt auch an den neuen Fähigkeiten Russlands und China liegen. Die russische Exportversion der R-37M (RWW-BD) soll angeblich eine Reichweite von 200 Kilometer, die Serienversion für die russischen Streitkräfte sogar 400 Kilometer haben.

Sie wurde speziell entwickelt, um hochwertige Ziele aus großer Entfernung zu bekämpfen. Die technischen Angaben sind jedenfalls mit Vorsicht zu genießen - Russland übertreibt gerne, wenn es um die Fähigkeit seiner Rüstungsgüter geht.

China

Bei China ist es anders: Hier wird mehr Wert auf Geheimhaltung gelegt, damit der mögliche Feind sich nicht schon vor einem Konflikt auf die chinesischen Waffensysteme einstellen kann. Deshalb wird bei Chinas PL-15 eine Reichweite von 200 bis 300 Kilometer geschätzt. Sie könnte aber auch höher sein. Damit übertrifft sie zumindest schon die Meteor und AIM-120 AMRAAM.

Zudem soll China derzeit die PL-17 entwickeln, die eine noch größere Reichweite haben dürfte. In der Praxis sind all diese Reichweiten allerdings von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, unter anderem von der Flugbahn des Ziels sowie der Höhe und Geschwindigkeit.

Kosten und Zeitplan

Die britische Regierung hat geplant, bis 2025 2 Milliarden Pfund in die Anfangsphase des Tempest-Projekts zu investieren. Beteiligt sind Unternehmen wie BAE Systems, Rolls-Royce, Leonardo und MBDA UK. Vonseiten Japans ist etwa Mitsubishi mit an Bord.

Ein Demonstrationsmodell soll 2027 fliegen. Eine Indienststellung ist für 2035 geplant. Dieser Zeitplan wirkt sehr optimistisch, für die Entwicklung eines Kampfjets der 6. Generation. Vor allem in Anbetracht daran, dass die USA mit ihrem NGAD-Projekt aktuell straucheln.

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Was ist NGAD?

NGAD ist ein bemannter, einsitziger Stealth-Fighter der 6. Generation. Details zum Programm sind immer noch geheim. Inoffiziell bewerben sich die Rüstungskonzerne Boeing Defense und Lockheed Martin um den Auftrag. Offiziell ist bekannt, dass Northrop Grumman 2023 freiwillig die Bewerbung zurückgezogen hat.

Details zu NGAD sind noch vage. Bekannt ist, dass der Flieger ein adaptives Triebwerk haben soll, das Verbrauch und Flugverhalten automatisch optimiert. Außerdem soll NGAD eng mit KI-gesteuerten Wingman-Drohnen zusammenarbeiten können.

6. Generation

Würde die Air Force ihren Zeitplan einhalten, wäre NGAD weltweit das erste Kampfflugzeug der 6. Generation im Dienst. Zu den noch lose definierten Fähigkeiten eines Gen-6-Fliegers gehören:

  • Tarnkappeneigenschaften und interner Waffenschacht
  • Für Luftkämpfe und Bodenangriffe geeignet
  • Geeignet für elektronische Kriegsführung
  • Erweiterte Datenübertragungsfähigkeiten für das vernetzte Schlachtfeld und Datenübertragung direkt zu Satelliten
  • Kann optional ferngesteuert und mindestens teilautonom mittels KI agieren
  • Helm-Display ist mit Außenkameras verbunden, damit der Pilot „durch das Flugzeug“ durchschauen kann und so eine 360-Grad-Rundumsicht hat
  • Adaptives Triebwerk
  • Erweiterte Gegenmaßnahmen, wie Jammer, Infrarot-Blender und optional Energiewaffen – etwa um anfliegende Raketen per Laser zu zerstören

NGAD hätte der erste Kampfjet der 6. Generation sein können, der gebaut wird. Falls Tempest wirklich gebaut und vor NGAD fertig wird (falls NGAD nicht eingestellt wird), wäre das peinlich für die US-Rüstungsindustrie und ein Zeichen für Regierungen, sich beim Kauf von Rüstungsgütern weniger stark an den USA zu orientieren.

Möglicherweise wird aber China sowohl die USA und Großbritannien schlagen. Erst kürzlich sind 3 neue Fluggeräte aufgetaucht, die Stealth-Eigenschaften haben könnten. Ob dies tatsächlich Prototypen von 6.-Gen-Kampfjets sind, Technologie-Demonstratoren oder Drohnen, ist noch nicht bekannt.

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