Mehr denn je scheiden sich bei Kryptowährungen die Geister.

Mehr denn je scheiden sich bei Kryptowährungen die Geister.

© APA/AFP/MARVIN RECINOS

Digital Life

Nach Skandalen und Kursstürzen: Wie geht es mit Krypto weiter?

Es ging alles ganz schnell: Anfang November kollabierte FTX, eine der größten Kryptobörsen der Welt, binnen 8 Tagen. Ihr Gründer Sam Bankman-Fried soll mit Geldern der Kundschaft spekuliert haben. 10 Milliarden US-Dollar wurden abgezweigt. Aber schon vor dem FTX-Bankrott krankte der Kryptomarkt. Eine Kündigungswelle jagte 2022 die nächste, einige Plattformen mussten sogar Insolvenz anmelden. 

Dabei sind der Bitcoin und Altcoins eigentlich angetreten, um eine stabile Alternative zu herkömmlichen Währungen zu sein. Sie sollten das etablierte Bankensystem ablösen, Investitionen und Zahlungen „fairer“ für alle machen. Was bleibt nach all den Skandalen von der Vision? Mehr, als so mancher glauben würde, sagen Experten.

Hoch geflogen, tief gefallen

Dass der Kryptomarkt derart einbricht, ließ das Jahr 2021 nicht vermuten. Im November machte der Bitcoin mit einem Rekordkurs Schlagzeilen. Damals war er nahezu 69.000 Dollar wert. Die zweitwichtigste Kryptowährung Ether stand ähnlich gut da, sie erreichte mit über 4.800 Dollar am selben Tag ihr Allzeithoch.

Danach ging es für die Kryptobranche rasant bergab. Im Mai kollabierte der Stablecoin Terra gemeinsam mit seiner Reservewährung Luna, wodurch ein Anlegervermögen von 50 Milliarden Dollar verpuffte. Und die Schockwellen dieses Crashs zogen weite Kreise. Wenig später strichen zahlreiche Krypto-Unternehmen Stellen. Coinbase, Crypto.com, Bitpanda, OpenSea – sie alle mussten zuletzt Angestellte entlassen.

Im Juni fror schließlich eine weitere Kryptoplattform, Celsius Network, das Vermögen seiner Anlegerschaft ein. Die Pleite von FTX drückte die Kryptokurse weiter nach unten. Der Bitcoin fiel erstmals seit 2020 wieder unter die 16.000-Dollar-Marke.

Der Bitcoin musste, wie andere Kryptowährungen, 2022 einiges einstecken.

Mäßig steigende Kurse

Wenn die Kurse weiter fallen, rutscht Krypto dann in die Irrelevanz ab? Der Kryptomarkt sei schon immer von starken Schwankungen gezeichnet gewesen, sagt Alfred Taudes von der Wirtschaftsuniversität Wien im futurezone-Interview. „Das resultiert vor allem daraus, dass es 2 Klassen von Investoren gibt“, erklärt der Ökonom. „Jene, die angelockt werden von kurzfristigen Renditen, und jene, die langfristig investieren und nicht so schnell wieder verkaufen“.

Letztere könnten Krypto zwar über Wasser halten, ein starker Anstieg der Kurse dürfte im kommenden Jahr dennoch ausbleiben. „Krypto ist in einer Zeit gewachsen, in der es sehr niedrige Zinsen gab", sagt Taudes.

Das Bitcoin-Protokoll ging 2009 online, kurz nach dem Beginn der Weltwirtschaftskrise. „Diese Zeiten sind allerdings vorbei", erklärt der Ökonom. Zuletzt haben die Europäische Zentralbank (EZB) und die US-Notenbank, die Zinsen stark angehoben, um die rasant steigende Inflation aufzuhalten. Höhere Zinsen bedeuten in der Regel mehr Geld für Anleger*innen. Denn um gute Renditen zu erzielen, müssen sie nicht länger in riskante Assets, wie beispielsweise Krypto, investieren. Sie machen auch mit Investitionen in weniger risikoreiche Vermögenswerte, wie etwa Anleihen, Gewinn. 

Weckruf für mehr Regularien

Die Kryptoskandale des vergangenen Jahres beeinflussen aber nicht nur die Kurse. Sie setzen auch Regulatoren weltweit unter Zugzwang. Der FTX-Bankrott sei zwar „schmerzhaft“, könne aber „der Beschleuniger sein, um die Kryptoregulierung voranzubringen“, sind sich Expert*innen der US-Bank JP Morgan einig.

Erste Anstrengungen gibt es bereits. In den USA brachte die demokratische Senatorin Elizabeth Warren kürzlich einen Gesetzesentwurf auf den Weg, der Geldwäsche mit Kryptowährungen erschweren soll. Und sogar die Branche selbst scheint jetzt auf strengere Regularien zu pochen. Als Antwort auf den FTX-Bankrott ließ beispielsweise Bitpanda seine Finanzen extern prüfen. „Wir spekulieren nicht mit den Assets unserer Kunden“, kommentierte die österreichischen Trading-Plattform ihre Maßnahme.

Künftig könnte der Nachweis von Rücklagen und die Sicherheit von Einlagen bei Kryptounternehmen noch wichtiger werden, sagt Ökonom Taudes. „Wie es im Bankensektor eben schon gang und gäbe ist". 

Im Fokus der Zentralbanken

Anders als die Branche, zeigt sich die EZB gegenüber der Entwicklung von Krypto nicht so optimistisch. Der Bitcoin habe „keinen ökonomischen Wert“ und sei „auf dem Weg in die Irrelevanz“, heißt es in einem Blogbeitrag der Zentralbank, veröffentlicht im Anschluss an den FTX-Kollaps. Weder als Zahlungsmittel noch als Anlageform eigne sich die Cyberdevise.

„Für die Mehrheit der Gesellschaft ist Krypto einfach ein hochriskantes Asset“, stimmt Taudes der EZB zu. „2 Drittel der Leute, die in Österreich Bitcoin halten, lassen sie auf den Exchanges und verwenden sie nicht zum Zahlen“. Das werde auch in Zukunft so bleiben. Denn „gibt es eine stabile Währung und ein funktionierendes Zahlungssystem, das bequem ist für jeden, dann brauche ich auch keine Alternativen“, beurteilt Taudes die Lage.

Alternative für bestimmte Länder

Gerade in Ländern, denen es an wirtschaftlicher Stabilität mangelt oder es eben kein funktionierendes Zahlungssystem gibt, könnte Krypto künftig aber an Bedeutung gewinnen – allen Kursschwankungen und Pleiten zum Trotz. „Bitcoin wurde gemacht, weil das normale Finanzsystem nicht funktioniert hat“, hält Taudes fest. „Und er funktioniert dort, wo das herkömmliche es nicht tut.“

Bereits jetzt sind Kryptowährungen in Ländern mit instabilen, behäbigen Wirtschaftssystemen beliebt. Bei der Adoption von Kryptowährungen führen Nigeria, die Türkei und Argentinien derzeit das Ranking an - allesamt Länder, die zuletzt von ökonomischen Schwierigkeiten geplagt wurden. Im Libanon verwenden technisch versierte Nutzer*innen zunehmend dollargedeckte Stablecoins, um Geld abseits des krankenden Bankensystems zu verschicken oder zu empfangen. Und in El Salvador und der Zentralafrikanischen Republik ist Bitcoin mittlerweile als offizielles Zahlungsmittel zugelassen. „Krypto ist in diesen Ländern eine ganz normale Alternative", sagt Taudes. Hierzulande halten 14,8 Prozent Bitcoin, dort sind es 30 bis 40 Prozent". 

 

Die Türkei war in den vergangenen Jahren von finanzieller Instabilität geplagt. Die Nutzung von Kryptowährungen hat angezogen.

Was bleibt von Krypto?

Dass Krypto nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Staaten von Bedeutung seien könnte, zeigt der Ukraine-Krieg. Die Ukraine hatte am Beginn des Krieges via Twitter zu Krypto-Spenden aufgerufen. Über 60 Millionen US-Dollar sollen dadurch eingenommen worden sein. Und auch für den Aggressor Russland rückten Bitcoin, Ether und Co in den Fokus. Es wurde gemutmaßt, ob die Föderation mit Krypto Sanktionen umgehen könnte.

Was also bleibt von der versprochenen Geldrevolution? Dass die Nachfrage nach einer neuen Art von Wertanlage während einer globalen Krise sinkt, sollte nicht überraschen. Es ist daher zu kurz gegriffen, die Branche wegen Kursfällen für tot zu erklären. 

Der Kollaps von FTX hat allerdings gezeigt, dass allem voran in den USA noch Regularien festgezurrt werden müssen, um arglose Investor*innen zu schützen und die Branche salonfähig zu machen. Nach dem spektakulären Zusammenbruch von FTX ist erst wieder mit großen Kapitalzuflüssen zu rechnen, wenn sich die regulatorische Unsicherheit gelegt hat", schätzt Philipp Sandner, Wirtschaftswissenschaftler an der Frankfurt School of Finance & Management die Lage ein.

Mehr News zu Bitcoin und anderen Kryptowährungen lest ihr auf unserem Krypto-Channel futurezone.at/krypto.

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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