Der T-72 könnte zum Sturmpanzer umgerüstet werden (Symbolbild)
Russland entwickelt Monster-Panzer mit 152mm-Kanone einer Haubitze
Eine der Lehren aus dem Russland-Ukraine-Krieg ist, dass der Kampfpanzer nicht mehr der König am Schlachtfeld ist. Egal ob russischer T-90 oder deutscher Leopard: FPV-Drohnen (First Person View), die vielleicht ein paar Tausend Euro kosten, machen mit den Multi-Millionen-Kriegsgeräten kurzen Prozess.
Ganz ohne Panzer geht es aber auch nicht. Gerade in Offensiv-Operationen und um Infanterie im Häuserkampf Feuerunterstützung zu liefern, werden sie benötigt. Russland könnte deshalb mit dem Gedanken liebäugeln, eine längst vergessene Kategorie wieder einzuführen: den Sturmpanzer.
Ein Patent dafür wurde am 18. Juni veröffentlicht. Es stammt von Mitarbeitern der Yuri Gagarin staatlichen technischen Universität in Saratow und trägt den Titel: „Sturmpanzer mit fernbedienbaren Waffen-Modul“.
Skizze aus dem Patent für den russischen Sturmpanzer
© Yuri Gagarin TU Saratow
Von 125mm zu 152mm
Sturmpanzer kamen zuletzt im Zweiten Weltkrieg in nennenswerter Stückzahl zum Einsatz. Das grundlegende Konzept ist ein Panzer, der mit einer Kanone einer Haubitze ausgestattet ist. Der deutsche Sturmpanzer IV hatte etwa eine 150mm-Kanone, während der Tiger eine 88mm-Kanone hatte.
Ein Sturmpanzer IV im Museum von Kubinka
© Alan Wilson/Wikimedia Commons
Auch beim russischen Sturmpanzer aus dem Patent wird dieses Konzept beibehalten. Das Geschütz soll eine gekürzte 152mm-Kanone einer Haubitze sein. An der Mündung ist eine Gasbremse installiert, um den Rückstoß zu reduzieren, der beim Abfeuern auf den Panzer wirkt.
Zum Vergleich: Russlands neuester Kampfpanzer im aktiven Einsatz, der T-90, nutzt ein 125mm-Hauptgeschütz.
Laut dem Patent würde das größere Kaliber nicht nur die Wirkung gegen andere Panzer und befestigte Ziele verbessern, sondern auch die Splitterwirkung von entsprechenden Geschoßen. Diese sei 3-mal größer als bei einer 125mm-Kanone.
Kampfpanzer und Artillerie in Einem
Das soll dem Sturmpanzer erlauben, wie Artillerie eingesetzt werden zu können. Laut dem Patent soll die Kanone dazu um bis zu 60 Grad erhöht werden (in den Skizzen des Patents sind nur 45 Grad eingezeichnet). Damit könnte der Sturmpanzer ballistisch auf größere Distanzen oder über Hindernisse hinweg schießen, um Ziele indirekt zu treffen. Bei den meisten russischen Kampfpanzern lässt sich die 125mm-Kanone nur um 15 Grad erhöhen und 5 Grad senken.
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Um zu sehen, wo der Sturmpanzer hinschießt, hat er Drohnen an Bord. Diese können zur Aufklärung und Zielbeobachtung gestartet werden. Laut dem Patent könnten auch Kamikaze-Drohnen genutzt werden, bzw. die Aufklärungsdrohnen zusätzlich mit Sprengsätzen ausgestattet sein.
Skizze aus dem Patent des russischen Sturmpanzers
© Yuri Gagarin TU
30mm-Kanone gegen Drohnen
Am Dach des Turms soll der Sturmpanzer eine 30mm-Maschinenkanone haben, die sich unabhängig vom Turm steuern lässt. Diese ist fernbedienbar. Das heißt: Sie wird nicht direkt von einem Crewmitglied bedient, sondern per Display und Joystick. Dadurch muss kein Platz für den Soldaten im hinteren Bereich des Turms eingeplant werden, weil der in der Wanne des Panzers sitzen kann.
Im Patent wird kein konkretes Waffensystem für das 30mm-Kanonenmodul genannt. Russland stellt mit dem 32V01 aber bereits eine fernbedienbare 30mm-Kanone in Modulbauweise. Das Modul enthält auch ein Maschinengewehr im Kaliber 7,62mm – auch dieses wird im Patent erwähnt.
Die Reichweite der 30mm-Kanone des 32V01 liegt bei etwa 4 km. Sie kann nicht nur gegen Drohnen, sondern auch leicht gepanzerte Ziele und Infanterie genutzt werden.
Laserwaffe und LiDAR
Zur weiteren Abwehr von Drohnen soll der Sturmpanzer eine Laserwaffe haben. Diese soll leistungsstark genug sein, um auch niedrig fliegende Hubschrauber zu bekämpfen oder die Zielsysteme von Raketen zu blenden.
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Laut dem Patent soll der Laser zudem wie ein LiDAR genutzt werden können. Dadurch können potenzielle Ziele erfasst und klassifiziert werden. Wird das System mit der 30mm-Kanone gekoppelt, könne dieses automatisch, je nach Art und Entfernung des Ziels, mit der Kanone oder dem Laser angegriffen werden.
Thermobarer Raketenwerfer
Außerdem soll der Sturmpanzer thermobare Raketenwerfer an Bord haben. Bei dieser Art von Waffen werden bei der Detonation Aerosole freigesetzt, die sich in der Folge entzünden. Zudem breitet sich eine Druckwelle aus. Anschließend entsteht ein Unterdruck, der die Luft um den Explosionsherd herum wieder in dessen Zentrum zurückzieht. Das sorgt unter anderem für Sauerstoffverlust und ist auch für Menschen und Tiere tödlich, die vor der Explosion selbst geschützt waren.
Russland hat solche Systeme in der Form des RPO‑A Shmel und RPO‑M/PDM‑A Shmel‑M im Einsatz.
Laut dem Patent soll der Sturmpanzer damit Infanteristen bekämpfen, die in Häusern und Bunkern verschanzt sind. Der Raketenwerfer soll ebenfalls mit dem LiDAR gekoppelt werden. Dadurch können die thermobaren Raketen und die 30mm-Kanone genutzt werden, um anfliegende panzerbrechende Geschoße oder Panzerabwehrraketen automatisch zu zerstören.
Skizze aus dem Patent des Sturmpanzers zeigt die Abwehrzonen mit 30mm-Kanone und thermobaren Raketen
© Yuri Gagarin TU
Upgrade für bestehende Panzer
Damit der Sturmpanzer möglichst rasch einsatzbereit ist, sollen für ihn bestehende Fahrgestelle genutzt werden. Laut dem Patent würden sich der T-72, T-80 und T-90 dafür eignen.
Abgesehen von dem neuen Turm samt 152mm-Kanone und 30mm-Waffenstation, soll der Sturmpanzer noch eine Bulldozer-Schaufel bekommen. Diese soll nicht nur die Schutzwirkung vorne erhöhen, sondern Hindernisse zur Seite schieben, damit Infanterie oder andere Fahrzeuge passieren können, sowie Mauern und Häuserwände im Stadtkampf einreißen.
Russland hat schon zuvor Monster-Panzer gebaut
Dass Russland einen „Sturmpanzer Neu“ bauen wird, scheint im 21. Jahrhundert etwas bizarr. Allerdings scheint das Konzept auf dem Papier Sinn zu machen. Im Krieg gegen die Ukraine ist Artillerie und indirektes Feuer extrem wichtig geworden, während der klassische Kampfpanzer als „Allzwecklösung“ stark in den Hintergrund gerückt ist.
Das Verknüpfen von Technologien, um die Abwehrfähigkeiten gegen FPV-Drohnen zu steigern, ist ebenso sinnvoll. Außerdem werden in dem Patent bereits vorhandene Technologien kombiniert – es muss also nicht erst jahrelang etwas neu entwickelt werden. Das gilt auch für die 152mm-Kanone. Russland nutzt so eine etwa bei den Haubitzen 2A65, 2S19 und 2S35.
Außerdem wäre es nicht das erste Mal, dass Russland aus bestehenden Komponenten einen neuen „Monster-Panzer“ zusammenschustert. Dazu gehört etwa der BMPT, Spitzname Terminator 2.
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Dieser nutzt das Fahrgestell des T-72. Die Bewaffnung ist für den Nahbereich und Häuserkampf ausgelegt. Sie umfasst 2 30mm-Kanonen, 2 AGS-17 Granatwerfer, 4 9K120 Panzerabwehrraketen und ein 7,62-Maschinengewehr.
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