Das Kraftwerk Simmering ist das größte in Österreich.
Großrevision im Kraftwerk Simmering: Was passiert, wenn der Block stillsteht
"Es ist wie beim Auto, das braucht auch jedes Jahr ein Pickerl", sagt Kraftwerksleiterin Michaela Killian. Sie kennt das Kraftwerk Simmering in- und auswendig. Mit seinen 3 Blöcken ist das Kraftwerk Simmering das größte Kraftwerk in Österreich. Es kann mehr als die Hälfte der Wiener Haushalte mit Strom und 270.000 Haushalte mit Fernwärme versorgen.
Momentan steht der Kraftwerksblock 3 still, eine Großrevision bei der Dampfturbine wird durchgeführt. Die Wiener Bevölkerung merkt davon nichts, die Arbeiten werden schon lange im Voraus geplant und angekündigt, damit andere Kraftwerke bei der Stromversorgung einspringen können. Der Sommer ist gleichzeitig auch die perfekte Jahreszeit für solche Arbeiten. Es wird weniger Fernwärme benötigt und es gibt mehr Strom aus Sonnenenergie.
Kraftwerksleiterin Killian im Kombiblock 3.
© Marcel Strobl
Der Block 3 wurde 1992 gebaut, damals noch als Gas-/Schwerölkraftwerk. Heute wird nur noch Erdgas verwendet, seit Anfang 2025 ist explizit kein russisches Erdgas mehr im Mix enthalten.
Stilles Chaos
In der Halle, wo normalerweise ohrenbetäubender Lärm von den Gas- und Dampfturbinen herrscht, ist es jetzt still. Turbinenteile liegen herum, der Zutritt ist nur mit Helm und Stahlkappenschuhen gestattet. "Normalerweise ist es hier leerer", sagt Killian und zeigt auf die Teile der Dampfturbine. Die bildet zusammen mit der Gasturbine das Herzstück der Anlage.
Die Dampfturbine wird bei der Revision komplett auseinandergenommen.
© Marcel Strobl
Wie funktioniert ein Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk?
Strom wird in einem solchen Kraftwerk an 2 Stellen erzeugt - einerseits durch die Gas- und andererseits durch die Dampfturbine. Durch die Kombination beider Prozesse gehört zu den effizientesten fossil befeuerten Kraftwerksarten. Der Wirkungsgrad vom Kraftwerk Simmering liegt bei über 81 Prozent. So funktioniert es:
Gasturbine
- Luft wird angesaugt und verdichtet.
- Die verdichtete Luft wird mit Erdgas in einer Brennkammer vermischt und verbrannt.
- Die dabei entstehenden Gase treiben die Gasturbine an, wodurch Strom erzeugt wird
Dampfturbine
- Die heiße Abluft wird dazu genutzt, um Wasser zu verdampfen. Dabei handelt es sich um vollentsalztes Wasser, damit sich in den Anlagen keine Mineralien (Kalk) ablagern können.
- Der rund 500 Grad Celsius heiße Wasserdampf treibt dann eine Dampfturbine an. Im Kraftwerk Simmering ist das eine mehrstufige Turbine, deren Teile auf verschiedene Drücke ausgelegt sind.
- Aus dem Wasserdampf wird zusätzlich Wärme für die Fernwärme abgeführt. Das Kraftwerk Simmering speist mehr als 150 Grad heißes Wasser direkt ins Primärnetz, das sich dann in das Sekundärnetz verzweigt, an dem die einzelnen Haushalte angeschlossen sind.
- Der Wasserdampf wird dann wieder kondensiert und dem Kreislauf hinzugeführt. Zum Kühlen wird beim Kraftwerk Simmering Wasser aus dem Donaukanal verwendet.
Betrieb erst wieder Ende November
"Normalerweise dauert so eine Revision 3 bis 5 Wochen, dieses Mal steht der Block allerdings bis Ende November still", sagt Killian. Grund ist der Bau einer neuen 380-kV-Trafostation der Wiener Netze, um den produzierten Strom auch ins Netz einspeisen zu können.
Mehrere von diesen Dampfturbinenschaufeln sind in der Turbine verbaut.
© Marcel Strobl
Bis dahin ist noch genügend Zeit, um die beschädigten Dampfturbinenschaufeln auszutauschen. Die Turbine muss sich nämlich 3.000 Mal pro Minute (50 Mal pro Sekunde) drehen, um die Grundfrequenz des Stromnetzes von 50 Hz aufrechtzuerhalten. Bei diesen Geschwindigkeiten können selbst kleinste Wassertröpfchen Schaden anrichten.
Beispiel einer erodierten Laufschaufel einer Dampfturbine. Die Schaufel in Simmering durfte aufgrund von Geheimhaltung nicht fotografiert werden.
© Wikipedia/Gsälzbär., CC BY-SA 3.0
Schwarzstart bei Blackouts
Doch das Kraftwerk Simmering hilft nicht nur dabei, die Netzstabilität aufrechtzuerhalten. Das Kraftwerk ist auch zentral für die "Wiederbestromung" Wiens bei einem großflächigen Blackout. Wenn große Teile der Stadt oder sogar des Landes im Dunkeln sind, kann in Simmering ein sogenannter "Schwarzstart" durchgeführt, also unabhängig vom Stromnetz wieder hochgefahren werden.
Dafür steht ein Diesel-Notstromaggregat zur Verfügung, das zunächst den Kompressor der Gasturbine mit Energie versorgt. Dann wird der gesamte Block hochgefahren, bevor auch die anderen Kraftwerksblöcke angeschmissen werden können. Dank einer direkten Leitung zum Kraftwerk Donaustadt kann auch dieses in weiterer Folge wieder hochgefahren werden.
Ein Blick auf die Gasturbine mit den Silobrennkammern vorn und hinten.
© Marcel Strobl
Wie lange es dann dauert, bis in Wien wieder die Lichter angehen, ist schwierig zu sagen, meint Killian. "Für den Schwarzstart mit der Gasturbine benötigen wir 7 Minuten. Wie lange der Blackout dann dauert, kommt auf die Ausmaße an", sagt sie. Man stehe dabei allerdings immer in Verbindung mit den Wiener Netzen und dem Übertragungsnetzbetreiber APG (Austrian Power Grid) und tausche sich darüber aus, wie viel Leistung gerade eingespeist werden soll.
Im normalen Betrieb wird das Kraftwerk Simmering übrigens selten ausgelastet. "Es gibt einige Tage im Jahr in Vollast, wo wir auch den Reserveblock 2 aktivieren", sagt Killian. "Aber die kann man an einer Hand abzählen."
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen Wien Energie und der futurezone.
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