Wie am Flughafen mit Wärmebildkameras das Coronavirus gejagt wird
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Nach dem Ausbruch des neuen Coronavirus‘ 2019-nCoV in China sind die Sicherheitskontrollen an internationalen Flughäfen zunehmend strenger. Mehr als ein Dutzend Menschen sind in China bereits gestorben und Hunderte erkrankt.
Während es in Europa bislang noch keine Nachweise gibt, melden andere Länder wie Thailand, die Vereinigten Staaten, Taiwan, Südkorea und Japan erste Fälle. Wie auch bei der SARS-Pandemie 2002/2003 werden an Flughäfen daher Wärmebildkameras eingesetzt, die die Hauttemperatur der Ein- beziehungsweise Ausreisenden messen.
Da besonders Fieber ein wesentliches Anzeichen für eine Infektion sein kann, achten Flugbeamte auf Körpertemperaturen außerhalb des Normalbereichs. Kurzum: Die Kamera erkennt jene Personen, deren Hauttemperatur dem vordefinierten Wert übersteigt. Verdächtige Passagiere können so rasch von den anderen isoliert werden.
Flughafenkontrolle
„Den Coronavirus kann man mit einer Wärmebildkamera natürlich nicht feststellen. Was sie kann, ist die Hauttemperatur messen“, sagt Axel Pinz vom Institut für Elektrische Messtechnik und Messsignalverarbeitung an der TU Graz. Jeder Körper, der wärmer ist als 0 Kelvin (-273,15 Grad Celsius), sendet Strahlung aus. Diese Strahlung wird laut dem Experten bei Wärmebildkameras typischerweise von kleinen geschwärzten Membranen absorbiert - sie erwärmen sich. In Folge führe diese Erwärmung zu einer Veränderung des elektrischen Widerstands. "Und die kann gemessen werden", so Pinz. Der Strahlungssensor wird als Bolometer bezeichnet. So wie eine Pixelkamera eine Fotodiode pro Pixel hat, hat eine Wärmebildkamera ein Mikrobolometer pro Pixel. „Diese Bilder sind meist weniger hochauflösend, aber ausreichend“, sagt der Experte.
Kalibrierung wesentlich
Das Gerät muss auf den Emissionskoeffizienten der menschlichen Haut (dieser ist 0,79 Grad) eingestellt sein. Dann sieht man ein Pixelbild von der Kontrollperson, dessen Hauttemperatur berührungslos über eine gewisse Distanz gemessen wird. „Und zwar dort, wo die Haut frei liegt, also auf der Stirn“, sagt Pinz. Bei einer Temperaturmessung gebe es allerdings viel zu beachten, denn auch der Messabstand, die reflektierte Temperatur von der Stirn, jene von außen und der Umgebung sowie die relative Luftfeuchtigkeit würden miteingespielt. „Die Atmosphäre kann man auch als Körper sehen, der eine Strahlung abgibt - nur gasförmig“, sagt Pinz und ergänzt: „Wenn ich zum Beispiel die Stirn draußen, wo es kalt ist, in einem Abstand von 10 Metern messe, kommt ein anderer Wert heraus als im Flughafen."
Messungen können daher ungenau sein. Wärmebildkameras sind auch sehr gut darin, die relative, aber nicht die absolute Temperatur zu messen. Das heißt, sie erkennen Temperaturunterschiede viel genauer, als tatsächliche Temperaturen. Auch hat jeder Mensch seine "persönliche" Normalkörpertemperatur. Dadurch könnte ein Mensch, der mit 36,6 Grad Celsius in einer Gruppe von Menschen mit 36,4 Grad Celsius den Checkpoint passiert, auf dem Wärmebild regelrecht herausleuchten.
Dadurch können viele "false positives" entstehen, wenn sich das Flughafenpersonal nur auf die Wärmebildkameras verlässt. Deshalb sollte immer medizinisches Personal anwesend sein, um eine genauere Überprüfung schnell abzuwickeln.
Kein direkter Kontakt
„Der Vorteil solcher Kameras ist, dass man dadurch einen direkten Kontakt vermeidet – gemessen wird aus sicherer Entfernung“, untermauert Mediziner Christoph Steiniger von der MedUni. Das Problem aber: Erhöhte Körpertemperaturen können unterschiedliche Ursachen haben - auf eine Infektion rückzuschließen sei also nicht möglich.
"Auch eine Person, die gerade gelaufen ist um den Flug zu erwischen und dadurch verschwitzt und erschöpft ist, weist höhere Temperaturwerte auf", sagt er. Wichtig sei demnach, Menschen mit einem Virusverdacht bei Voruntersuchungen genauer zu befragen. Die Österreicher können ihm zufolge aber jedenfalls aufatmen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient zu uns kommt, ist sehr gering“, sagt Steininger.
"Erhöhte Aufmerksamkeit"
Auch wenn Europa (vorerst) sicher ist, nehmen die Sicherheitskontrollen auch hier an bestimmten europäischen Flughäfen zu. So wurden in Rom unlängst Hunderte Passagiere und Besatzungsmitglieder einer Maschine der China Southern Airline, die aus Wuhan kam, auf den Coronavirus, überprüft. Und auch am Moskauer Großflughafen Scheremetjewo werden verstärkte Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen.
Am Flughafen Wien ist im Falle eines Verdachts die hauseigene Ambulanz erste Anlaufstelle. „Derzeit gilt eine erhöhte Aufmerksamkeit am Flughafen Wien. Passagiere, die entsprechende Symptome aufweisen, beispielsweise über Fieber klagen, werden von unserem medizinischen Personal betreut“, sagt Peter Kleemann, Pressesprecher des Flughafen Wien, gegenüber futurezone.
„Darüber hinaus finden derzeit keine weiteren Maßnahmen statt“, so Kleemann. Würde tatsächlich ein Krankheitsfall eintreten, würden in Absprache mit der Gesundheitsbehörde die nächsten Schritte gesetzt. Wärmebildkameras kommen in Wien aber nicht zum Einsatz. Direktflüge von und nach Wuhan gebe es von hier aus auch nicht.
Kleemann weist auch darauf hin, dass es für derartige Krankheitsphänomene, wie es auch bei SARS, der Vogelgrippe oder Ebola der Fall war, außerdem entsprechende klare Einsatzpläne gibt, unter anderem Quarantäne- oder Notfallgates. Würde an Bord des Flugzeugs eine infizierte Person verdächtigt, wird der Flieger speziell abgefertigt und die Passagiere entsprechend medizinisch betreut. Dies sei bislang jedoch noch in Wien noch nicht zum Tragen gekommen.
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