Symbolbild: Eine Influenzerin bei der Aufnahme eines Videos

Symbolbild: Eine Influenzerin bei der Aufnahme eines Videos

© APA/AFP/Khaled Desouki

Digital Life

Politiker gehen viral: Wieso kann wirklich jeder ein TikTok-Star werden?

Thomas Sattelberger hat weiße Haare, Geheimratsecken und eine uncoole Brille. Der deutsche Ex-Manager und Politiker (FDP) ist nicht der Typ, von dem man denken würde, dass seine Videos auf TikTok viral gehen. Genau das bewies der über 70-Jährige aber vor 3 Jahren, als TikTok in Europa zum ersten Mal ein Massenpublikum begeisterte. Seine Videos über sperrige Themen wie Steuerhinterziehung, Koalitionsverhandlungen und seinen Arbeitstag im Bundestag wurden millionenfach angeschaut. 

Allein schaffte er das aber nicht – er hatte dafür Hilfe von Garden of Youth, einer deutschen Social Media Agentur, die auf Content für die Gen Z spezialisiert ist. „Das Alter ist komplett egal, du kannst einen 70-Jährigen wie Thomas Sattelberger haben, der Bock darauf hat, mitmacht und sich Mühe gibt. Du kannst aber auch einen 20-Jährigen haben, der eigentlich auf TikTok gar keine Lust hat – das merkt man dann auch“, erklärt Urs Meier, Chief Creative Officer von Garden of Youth. 

Nicht die Inhalte entscheiden über den Erfolg

Von Sattelbergers Erfolg kann man einiges über TikTok lernen – z.B., dass Alter und Themen nicht zwingend ein Hindernis sind, um auf der Plattform erfolgreich zu sein. „Politiker vor ihm haben eher mal eine Bundestagsrede auf TikTok hochgeladen oder ihre Follower gesiezt. Das ist nicht wirklich TikTok-gerecht“, erklärt Meier. „Unser Erfolgsgeheimnis war, dass es so unerwartet war und jemand in der gewohnten TikTok-Sprache kurze politische Messages verbreitet.“

Zeit auf TikTok verbringen und Trends verfolgen

Bei TikTok gibt es ganz andere Stilmittel als bei klassischen Medien oder auf anderen Plattformen. Wer auf TikTok erfolgreich sein will, müsse dort viel Zeit verbringen und die Eigenheiten und Trends kennenlernen. „Ich kann jetzt schwer diesen einen Trend nennen, auf den jetzt alle aufspringen sollten - das ändert sich jeden Tag“, sagt Meier. Nach 2 Wochen seien die Trends und Themen oft schon wieder komplett durch. 

„Thomas Sattelberger hat sehr stark auf Trends und Sounds gesetzt“, sagt Meier. Auf TikTok gebe es immer aktuelle Sounds und Musik zu denen man sich auf eine bestimmte Art bewege oder ein Thema, über das gerade alle sprechen. „Bei Sattelberger haben wir einfach versucht, diese typischen Trends so umzubauen, dass wir immer eine kleine politische Message reinkriegen.“ Entscheidend sei, dass es echt wirkt: „Die Leute merken total, wenn etwas nicht für TikTok gemacht und langweilig ist.“

TikTok-Trends sind laut dem Experten häufig ein globales Phänomen. „Man merkt immer, dass das, was z.B. vor 2 Monaten in Amerika Trend war, auch zu uns kommt.“ Auch aus Asien kämen immer mehr Trends nach Europa. Dennoch habe jedes Land doch auch eigene kulturelle TikTok-Besonderheiten. 

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Knackiger Einstieg und keine falschen Versprechen

Besonders der Anfang des Videos entscheide über den Erfolg: „Die ersten Millisekunden sind entscheidend. Der erste Satz, mit dem du reingehst, muss spannend sein und die Leute dranhalten. Er muss irgendeine Frage aufwerfen.“ Diese Frage sollte im Video geklärt werden, denn sonst würden sich die frustrierten Zuschauer*innen abwenden. Ob Zuseher*innen das Video bis zum Ende anschauen, entscheide wiederum, wie vielen anderen User*innen der Algorithmus das Video in der Folge vorschlägt. 

Je unbekannter man ist, desto mehr Mühe müsse man sich beim Storytelling geben. „Erstmal habe ich keine Daseinsberechtigung auf der Plattform - für die Leute, die den Content konsumieren. Die kennen mich ja nicht. Je unbekannter man ist, desto mehr muss man kreative Stilmittel reinbringen und auch selber ein bisschen zur Marke werden“, sagt Meier. Wer schon vorher einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, etwa durch andere Medien oder sozialen Netzwerken, habe es leichter, auch auf TikTok durchzustarten. 

Kampf um Aufmerksamkeit

Langweilig dürfen die Videos nicht sein, weil TikTok in erster Linie eine Unterhaltungsplattform ist: „Wenn du es langweilig machst, dann wirst du auf TikTok gar nicht ausgespielt," erklärt Meier. Die Anzahl der Wiedergaben, wie viele Likes, Kommentare und Shares ein Video hat, sind ausschlaggebende Faktoren dafür, wie hoch der TikTok-Algorithmus ein Video bewertet. Je höher dieser Score, der weder für User*innen noch für Content-Creator*innen sichtbar ist, desto mehr anderen User*innen wird das Video und folgende Videos der Content-Creator*in gezeigt.

„Wenn du auf TikTok etwa Politiker bist, dann sind deine Konkurrenten nicht andere Politiker: Jeder 15-jähriger kann heute eine bessere Idee haben als du, die vom Algorithmus besser belohnt wird.“ Der Algorithmus unterscheide nicht zwischen einem coolen Sänger, der seinen neuen Song bewirbt und einem Abgeordneten. 

Der Algorithmus entscheidet auch danach, was eher zu Ende geschaut wird: Womit beschäftigen sich die Menschen auf der Plattform lieber und länger? „Du stehst im Wettbewerb mit jedem: Das sind Millionen von Usern, die in jedem Land jeden Tag was hochladen – es ist ein Kampf um Aufmerksamkeit.“ Jugendliche, Stars, Comedians und Politiker*innen – sie alle werben um unsere knappe Aufmerksamkeit.

Auch seriöse Themen haben auf TikTok einen Platz

Wichtig sei es, sich zu überlegen, was die Leute interessiere: „Anstatt in den eigenen Kalender zu schauen, muss man in den Kalender der Zielgruppe gucken: Was interessiert die Leute da draußen?“ Im nächsten Schritt gelte es zu überlegen, wie man das mit seinen eigenen Themen verbinden kann. Unterhaltung spiele zwar auf der Plattform eine große Rolle – das schließe aber nicht aus, dass es inhaltlich auch gehaltvoller sein kann: „Dann sprechen wir von Edutainment, also einer Mischung aus Unterhaltung und Bildung“, erklärt er.

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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