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Wiener Bürgermeister sprach mit Deepfake von Vitali Klitschko

Mehrere europäische Politiker*innen sind von einem falschen Vitali Klitschko kontaktiert worden. Er lud unter anderem den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ), die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey und den Bürgermeister von Madrid, José Luis Martinez-Almeida, zu einem Gespräch per Video-Telefonie ein. 

Wie nun der stellvertretende "Bild"-Chefredakteur Paul Ronzheimer auf Twitter mitteilte, soll es sich dabei um Betrug gehandelt haben. Statt dem echten Klitschko könnten die Politiker*innen ein Deepfake des Kiewer Bürgermeisters vor sich gehabt haben.

Ronzheimer teilte ein Video von Vitali Klitschko. In diesem erklärt er auf Deutsch, dass sich ein "falscher Klitschko" gemeldet habe, "der absurde Dinge von sich gegeben hat". Es müsse dringend ermittelt werden, sagt er. 

"Offizielle Gespräche kann es nur über offizielle Kanäle in Kiew geben", erklärt er weiter. Schließlich spricht er die betroffenen Stellen direkt an: "Ich brauche nie einen Übersetzer", sagt er den deutsch- und englischsprachigen Politiker*innen.

Giffey brach das Gespräch ab

Franziska Giffey bekam bereits während der Videokonferenz Zweifel, ob sie tatsächlich wie geplant mit Klitschko verbunden war. Das Gespräch endete dann vorzeitig. "Die erste Viertelstunde war völlig unauffällig", sagte Senatssprecherin Lisa Frerichs am Freitagabend.

Nach einer unauffälligen Viertelstunde seien einige Themen angesprochen worden, die Giffey misstrauisch gemacht hätten. "Es ging einmal darum, dass er sich auf ein angebliches Gespräch mit Botschafter (Andrij) Melnyk bezogen und gefragt hat, wie wir das sehen, dass so viele Ukrainerinnen und Ukrainer sich Sozialleistungen in Berlin erschleichen wollten", sagte Frerichs.

"Und es gab die Bitte, dass wir durch unsere Behörden unterstützen mögen, dass gerade junge Männer in die Ukraine zurückgehen, um dort zu kämpfen." Das letzte Thema sei dann noch auffälliger gewesen: "Er hat gefragt, ob wir Kiew beratend unterstützen könnten, eine Art CSD (Christopher Street Day) auszurichten. Das war angesichts des Krieges schon mehr als seltsam." Die Verbindung sei dann beendet worden oder abgebrochen.

Ludwig löscht Tweet

Michael Ludwig hingegen schien während des gesamten Gesprächs nichts bemerkt zu haben. Er postet auf englisch und deutsch eine Zusammenfassung auf Twitter. Dieser Tweet wurde heute gelöscht. Eine Anfrage der futurezone bei der Stadt Wien läuft derzeit. 

In einem Statement auf Twitter teilt die Stadt Wien mit: "Es gab keine Indizien dafür, dass das Gespräch nicht mit einer realen Person geführt wurde und es zu hinterfragen." Ludwig gehe davon aus, dass es sich um einen schweren Fall von Cyberkriminalität handelt. Man überprüfe nun den Hergang und werde Maßnahmen treffen, um dieser neuen Form der Cyberkriminalität künftig zu begegnen, heißt es weiter.

Deepfake vermutet

Die Berliner Senatskanzlei geht von einer digitalen Manipulation aus: "Allem Anschein nach haben wir es mit Deepfake zu tun", sagte Frerichs. Es habe keinen Hinweis darauf gegeben, nicht mit einer realen Person zu sprechen. "Es saß uns jemand gegenüber, der genau so aussah wie Vitali Klitschko, der sich so bewegt hat." Inzwischen wurden das Landeskriminalamt und der deutsche Staatsschutz eingeschaltet.

Auf Twitter teilte die Senatskanzlei am Freitag mit, ein Gespräch mit Melnyk, dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, habe bestätigt, dass Giffey nicht mit Klitschko verbunden gewesen sei. "Es gehört leider zur Realität, dass der Krieg mit allen Mitteln geführt wird", wird Giffey in dem Tweet zitiert. "Auch im Netz, um mit digitalen Methoden das Vertrauen zu untergraben und Partner und Verbündete der Ukraine zu diskreditieren."

Ob es sich tatsächlich um einen Deepfake handelte und wer hinter dem Betrug steckt, ist nun Gegenstand von Ermittlungen. Laut Ronzheimer sollen sich die Bürgermeister*innen über eine E-Mail von der Adresse mayor.kyiv@ukr.net zu einem Gespräch haben einladen lassen. Er geht davon aus, dass man weder in Kiew nachgefragt, noch Recherche betrieben hat. Ein Blick auf die Endung der E-Mail hätte schon einen Hinweis gegeben, denn ukr.net ist ein kommerzieller Mailhoster. Offizielle E-Mail-Adressen enden in der Ukraine mit gov.ua, wie es in den meisten Staaten üblich ist. 

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