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Interview

"Wir müssen uns überlegen, wo wir zu Robotern werden"

„Was isst du?“, fragen zwei Kinder in einem japanischen Einkaufszentrum eine Roboterassistentin. „Ich esse Strom“, lässt das androide Wesen die beiden wissen. Später sehen wir, dass die Antwort von einem Menschen kommt, der in einem Kontrollraum sitzt und mit dem vermeintlich intelligenten Roboter verbunden ist. Die Szene stammt aus Maria Arlamovskys Film Robolove, der am 27. März in den heimischen Kinos startet.

Robolove wirft Schlaglichter auf die Entwicklung von menschenähnlichen Robotern und beleuchtet dabei unser Verhältnis zu den Androiden. Und die sind noch lange nicht so weit, wie uns Werbevideos der Hersteller glauben machen wollen. 

Zu Wort kommt in dem Film der japanische Robotik-Guru Hiroshi Ishiguro, der an einem maschinellen Doppelgänger seiner selbst arbeitet. Der südkoreanische Künstler June Korea erpropt das intime Zusammenleben mit humanoiden Robotern. Die Transhumanistin Natasha Vita-More will ein Backup von sich in einen Roboter laden, um so die Sterblichkeit zu überwinden.

Der Sexroboter-Hersteller Matt McMullen schwadroniert über die Vorzüge einer Beziehung mit Robotern, während hinter ihm Frauenkörpern nachmodellierten Plastikhüllen für die androiden Geschöpfe von der Decke baumeln. Ich habe bei den Dreharbeiten gelernt, wie großartig wir Menschen eigentlich sind. Es ist wahnsinnig schwierig, uns nachzubauen, sagt Regisseurin Arlamovsky im Gespräch mit der futurezone.

Robolove wirft eine Vielzahl von Perspektiven auf humanoide Roboter - von Sexrobotern bis hin zur Überwindung des Körpers mit Androiden und zum Transhumanismus. Welche haben Sie am Spannendsten gefunden?
Maria Arlamovsky: Mich hat vor allem interessiert, wie wir zu den Wesen, die da im Entstehen sind, Beziehungen aufbauen. Wie wird die Verbindung Mensch Maschine aussehen? Welche emotionalen Bezüge ergeben sich dabei?

Es heißt, dass Sie während der Dreharbeiten enttäuscht waren, wie wenig humanoide Roboter tatsächlich schon können.
In den Medien wird uns vorgegaukelt, dass Roboter schon sehr viel können, tatsächlich ist das aber nicht der Fall. Nehmen Sie den humanoiden Roboter Sophia. Sie können ihr nur vorbereitete Fragen zu abgesteckten Themenfeldern stellen. Man fühlt sich ein bisschen verarscht. Aber andererseits muss so etwas wohl behauptet werden, um diese Roboter zu verkaufen. Denn um weiterforschen zu können, ist viel Geld notwendig. Ich habe bei den Dreharbeiten gelernt, wie großartig wir Menschen eigentlich sind. Es ist wahnsinnig schwierig, uns nachzubauen. Es ist fast unmöglich, diese Roboter 2 Schritte machen zu lassen, ohne dass sie umfallen oder jemanden wehtun.  

Warum sollen Roboter überhaupt menschenähnlich sein?
Es geht darum, dass wir Roboter annehmen müssen, weil wir sie brauchen werden. Auch die ersten Autos haben ausgesehen wie Kutschen. Das, was sie machen sollten, nämlich uns von A nach B zu bringen, konnte man sich nur durch Kutschen vorstellen. Genauso, wie wir uns für die Jobs, für die wir Roboter bauen, humanoide Gebilde vorstellen. Weil wir uns andere Formen noch gar nicht vorstellen können. Die Form ist aber eine entscheidende Frage. Welche werden wir finden? Welche nehmen wir an? Und wie sexistisch ist das eigentlich? Da tun sich ganz viele Fragen auf.

Viele dieser Roboter sind nach Frauenkörpern modelliert.
Vor Männern fürchtet man sich, Kinder sind patschert, also werden Frauen genommen. Sie sind ästhetisch hübscher anzusehen und sie sind traditionell in der Rolle der Bedienenden. Natürlich funktioniert es, weil vor einer gut aussehenden Plastikfrau fürchte ich mich weniger, als wenn ein stämmiger Typ vor mir steht, der mich an den Terminator erinnert. All diese Klischees, die wir eigentlich überwunden haben, kommen jetzt wieder zurück. 

Wie können sie erneut überwunden werden?
Die Technik ist männerdominiert, also werden Männerfantasien reproduziert. Es ist wichtig, dass viel mehr Frauen in dieses Gebiet hineingehen. Das erinnert mich an die 50er-Jahre, als nur Architekten an die Städteplanung herangelassen wurden. Dann hatten wir viele Städte, in denen Kinderwägen keinen Platz hatten. Man muss groß denken und viele diverse Standpunkte einbringen, um vielen menschlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. 

Sexroboter nehmen in Ihrem Film eine gewichtige Rolle ein. Interessant ist, dass die Leute, die sie herstellen, die Rolle des sexuellen Akts herunterspielen. Harmony“-Erfinder Matt McMullen sagt etwa, Männer würden sich nur unterhalten wollen und eigentlich eine Beziehung suchen.
Der Einstiegspunkt um diese Roboter zu verkaufen, um sie von dem Schmuddelsex ein bisschen wegzukriegen, ist die Hoffnung der Branche, dass sie mehr können, als nur Masturbationsmaschinen zu sein. Sie stochern in ein emotionales Loch. Der Markt erahnt, dass es nicht nur um Sex geht, sondern auch um diese unendliche Einsamkeit, die sich in reichen Ländern ausbreitet. Aus den Robotern sollen verlässliche Partner werden. Natürlich erzählt man einer Frau auch lieber so etwas und nicht, wie toll man diese Roboter vögeln kann. Hätte ein Mann gefragt, hätte er andere Antworten bekommen. 

Posthumane Romantik

Es gibt eine Szene in dem Film, die sehr beklemmend wirkt. Wir sehen einen Mann, der mit seiner Roboter-Geliebten einen Ausflug macht. Sieht so posthumane Romantik aus?
Die Roboter sind heute noch nicht gut genug, also habe ich versucht, mir vorzustellen, wie so eine Beziehung zwischen Mensch und Maschine aussehen würde. Wir haben diese Szene erarbeitet und es sieht eigentlich lächerlich aus. Die Frage ist aber, ob uns diese Dinge, die unendlich geduldig sind, weil sie keine Gefühle haben, sondern einfach nur programmiert sind, etwas erfüllen können, was Menschen nicht erfüllen können.

Und zwar?
Menschen haben ein Ego, jeder von uns hat eigene Bedürfnisse und will nicht nur die Bedürfnisse des anderen erfüllen. Diese Roboterwesen sind immer nur sonnig gestimmt und weisen uns nicht in die Schranken. Die Frage ist, wie das unser Verhalten verändern wird. Matt McMullen, der Erfinder des Sexroboters "Harmony" sagt, dass Menschen Angst hätten, sich anderen gegenüber zu öffnen, weil sie dann beurteilt werden könnten. Das stimmt. Aber so sind die Menschen eben. Wir müssen auch lernen, mit Frust umzugehen. Denn sonst werden wir auch nicht wachsen.

Der japanische Robotiker Hiroshi Ishiguru spricht in dem Film mehrmals an, wie sehr Unterschiede zwischen Mensch und Maschine verschwimmen.
Das ist natürlich sehr weit hergeholt. Er sagt auch, der Mensch ist eigentlich nur ein Affe, wenn wir ihm die Technik wegnehmen. Am Anfang klingt das arg, aber wenn wir uns überlegen, wie viel Technik heute verwendet wird, ohne darüber nachzudenken, wie sehr unser Hirn schon auf das Handy ausgelagert ist, dann brauchen wir uns nichts vorzumachen. Es beginnt in kleinen Schritten. Wir finden das normal, weil wir mitwachsen. Sehen wir uns die Paralympics an. Menschen, die künstliche Beine haben, können inzwischen schneller laufen als Athleten, die das nicht haben. Man kann im Kleinen Technik dazu verwenden, um uns upzugraden. 

Maria Arlamovsky

Ist es nicht auch so, dass sich Menschen Robotern immer mehr angleichen, um mit ihnen zu koexistieren?
Wir müssen uns überlegen, wo wir zu Robotern werden. Wo schauen wir nicht mehr vom Bildschirm auf, wenn unsere Partner nach Hause kommen? Wo passen wir uns permanent den Stromquellen an, damit wir ja nicht ohne Strom sind? Wo möchten wir lieber alleine unterhalten werden, statt gemeinsam ins Kino zu gehen? Der Film spitzt das nur zu. Humanoide Roboter sind griffig, weil sie menschlich aussehen. Busige Frauenkörper, die durch die Gegend getragen werden, sind verlockender anzusehen als Smartphones oder Lautsprecher, mit denen wir auch sprechen.

Sie zeigen auch Beispiele, in denen versucht wird, mit Robotern die sterbliche Hülle des Menschen zu überwinden. Etwa mit dem Roboter Bina 48, der als eine Art Avatar für Verstorbene fungiert.
Das trifft einen wunden Punkt von uns. Wir wollen nicht sterben. Wir laden unseren Geist - mir gefällt der englische Ausdruck Mind besser - hoch und der kann mich so überleben. Heute repräsentieren Fotos unsere Vorfahren, früher waren es Gemälde. Vielleicht ist es bald so, dass wir am Kaminsims unsere Oma stehen haben und wenn man traurig ist, dreht man den Roboter an. Sie sagt dann nette Worte zu mir, und kann mich vielleicht trösten.  

Der Film geht auch auf die Menschen ein, die an diesen Robotern arbeiten. Was treibt sie an?
Viele von ihnen sind Utopisten, die etwas verwirklichen und auch Neuland betreten wollen. Früher hat man Kontinente und Gebiete erforscht. Jetzt geht es darum, mit Technologie in neue Welten vorzudringen, neue Realitäten zu erzeugen. Diese Leute wollen ihren Traum verwirklicht sehen. Natürlich haben sie dann Scheuklappen und schauen nicht mehr nach links oder nach rechts. Die Gesellschaft hätte die Aufgabe, diesen Raum abzustecken, in dem das stattfinden soll und zu fragen, ob es sinnvoll ist und ob wir das auch wirklich brauchen.

In Zeiten des Coronavirus könnten wir Roboter vielleicht ganz gut brauchen.
Ich habe hier ein paar Ideen: Wenn wir eine Roboterkopie von uns hätten, könnten wir zu Hause in Quarantäne sein und trotzdem unsere Roboterkopie nach draußen schicken zum Einkaufen oder um uns Bilder von der Welt draußen mitzubringen, einfach um Anschluss zu haben. Oder wenn wir unsere Großeltern nicht mehr im Altersheim besuchen dürfen – könnten wir eine Roboterkopie hinschicken und am Bett der Oma sitzen lassen um sicherzustellen, dass die Oma eine Ansprache hat. Vereinsamen im menschlichen, körperlichen Sinne würde sie leider trotzdem. Oder wenn ein Verwandter gestorben ist und er hat vorher seinen Geist hochgeladen, dann hätten wir das Gefühl, dass wir noch mit ihm in Kontakt treten können, obwohl sein Körper schon von uns gegangen ist. Sie sehen also es ist gibt viele scheinbar interessante Anwendungsgebiete für androide Roboter. Das sind alles noch Zukunftsphantasien, aber wir sollten jetzt beginnen, uns mit der Zukunft zu beschäftigen, um sie mitzugestalten. Wir müssen uns die Frage stellen: Wollen wir das denn in Zukunft wirklich haben?

Findet der gesellschaftliche Diskurs statt?
Bei dem Thema humanoide Roboter wird ein Angst-Level aufgebaut. Keiner kann mehr normal über diese Sache reden. Man wird nur noch eine Dystopie hineingestoßen. Wir müssen kapieren, dass wir unsere Zukunft mitgestalten können und dass wir Teil unserer eigenen Zukunft sind. Es entsteht aber kein Diskurs. Und dann haben wir diese Roboter plötzlich in unserem Leben stehen. 

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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