Pokémon-Legenden Arceus im Test: Ein unterhaltsames Ärgernis
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Ich kann gar nicht beschreiben, wie lange ich auf dieses Pokémon-Spiel gewartet habe – oder zumindest auf das, was mir versprochen wurde.
Eine offene Welt, die ich erkunden kann, die ich entdecken kann und in der ich Pokémon begegne. Fast hätte es Nintendo geschafft, mir mit Pokémon-Legenden Arceus meinen Traum zu erfüllen. Aber nur fast.
Unser*e Held*in wird vom legendären Pokémon Arceus durch einen Riss in Raum und Zeit zurück in die feudale Hisui-Region (die später in Diamant und Perle Sinnoh heißt) geschickt. Städte, Pokemon-Center, Supermärkte und Arenas gibt es nicht: Es wartet die Wildnis. Es gibt lediglich ein Dorf, wo die Galaktik-Expedition Forschung betreibt, in die wir kurzerhand aufgenommen werden. Wie man das von Pokémon-Spielen kennt, wird erstmal eine ganze Menge gelabert, erklärt und gezeigt, bis man endlich loslegen kann.
Alles neu beim Sammeln
In diesem Fall ist das Tutorial aber wichtig, denn auch Pokémon-Veteranen müssen ganz neue Dinge lernen. Trifft man ein Taschenmonster in der Wildnis, startet nicht mehr automatisch ein Kampf. Man kann sie auch einfach sofort fangen, indem man einen Pokéball auf sie wirft. Zu Beginn des Abenteuers klappt das noch ohne Probleme, später muss man sich aber anschleichen, Beeren zur Ablenkung werfen oder eben angreifen, um es wie gewohnt zu schwächen.
Während einige Pokémon sofort flüchten, wenn sie mich sehen, gehen andere grantig auf Angriff und ich muss mit einer Rolle ausweichen. Während man rollt, kann man nicht getroffen werden.
Wird man zu oft verletzt, fällt man in Ohnmacht und verliert einige Items, die man mit sich herumgetragen hat. Diese Spielweise ist eine der ganz großen Stärken des Spiels, denn sie bietet mehr Immersion als jedes andere Pokémon-Game zuvor. So habe ich mir das als Kind immer vorgestellt.
Forschungsrang statt Arenaorden
Besonders cool ist, dass immer wieder besonders große und starke Elite-Pokémon auftauchen. Es kann gut sein, dass man in der ersten Region mit seinem Level-12-Feurigel auf ein Level-60-Relaxo trifft. Das hebt man sich dann für später auf und hat so einen Grund, in die Anfangsregionen zurückzukehren.
Da Arceus ein Single-Player-Spiel ist, kann man erstmals ganz allein seinen Pokédex vervollständigen, was ich großartig finde. Ich hoffe, Nintendo wird auch in Zukunft weiter in diese Richtung gehen.
Ein Punkte- und Aufgabensystem macht die Jagd nach Pokémon und das Aufleveln dabei viel interessanter als andere Teile der Reihe. Statt einfach nur nach dem erstmaligen Fangen oder Entwickeln den Pokédex-Eintrag zu befüllen, gibt es nun Punkte, wenn man das Monster zu einer bestimmten Tageszeit fängt, im Kampf eine besondere Attacke sieht oder es mit einem speziellen Pokémon-Typ besiegt.
Die Punkte lassen uns im Rang bei der Galaktik-Expedition aufsteigen. Wie die Orden der Hauptreihe sorgt ein höherer Rang dafür, dass einem Monster mit höherem Level gehorchen.
Langweilige Bosskämpfe
Statt einer Arena muss man in jedem Areal einen Bossfight absolvieren. Dabei kämpft man gegen ein in Rage geratenes „adliges“ Pokémon. Das Prinzip der Kämpfe ist erstmal frisch, nutzt sich aber viel zu schnell ab. Die Kämpfe bestehen aus mehreren Phasen, die mit und ohne Pokémon bestritten werden. Die König*innen werden nicht mit Pokémon besiegt, sondern mit sogenannten „Ruhegaben“, die aus dem Lieblingsessen des jeweiligen Pokémons bestehen. Ja, wir bewerfen es so lange mit Essen, bis es sich wieder beruhigt hat.
Ohne Pokémon gilt es, den Angriffen auszuweichen, bis der Gegner erschöpft ist. Dann kann man mit einem Pokémon angreifen um es in Trance zu versetzen. In dieser Zeit kann man Ruhegaben werfen und Energie abziehen. Das macht man ein paar Mal bis es besiegt ist. Die Kämpfe sind sehr einfach, weil man immer nur herumrollt.
Ich bin trotzdem oft gestorben, weil ich die Kämpfe durch das permanenten Werfen von Ruhegaben abkürzen wollte. Mir ist dieses ewige Herumrollen einfach zu fad und so war es zumindest ein bisschen spannend und herausfordernd. Schade, denn das Potenzial für interessante Fights wäre da gewesen. So muss man einfach nur wissen, wann man nach links und wann man nach rechts ausweicht.
Flexiblere Kämpfe
Generell habe ich das Gefühl, dass die Kämpfe nicht zwingend schwieriger sind als früher. Allerdings kann man auch von mehreren Pokémon angegriffen werden, hat aber selbst immer nur ein Monster entgegen zu setzen. In solchen Situationen sind vor allem die neuen Modi "Krafttechnik" und "Tempotechnik" spannend.
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Mit Kraft haut das eigene Pokémon deutlich stärker zu, muss dann aber aussetzen. Mit Tempo ist der Angriff schwächer, man ist aber schneller wieder am Zug. Wer wann an der Reihe ist, zeigt die Angriffsleiste. Das ist prinzipiell ein spannendes Element - häufig genutzt habe ich es trotzdem nicht, da anders als in der Hauptreihe taktisch anspruchsvolle Kämpfe keinen hohen Stellenwert haben.
Neu ist, dass man in den Einstellungen jederzeit die Attacken seiner Pokémon anpassen kann. Eine Attacke ist nie für immer verlernt. Nach jedem Kampf sieht man, ob ein Pokémon im Level aufgestiegen ist und ob es eine neue Attacke dabei erlernt hat. Welche das ist, muss man selbst im Menü nachsehen und kann sich dann die Angriffe so sortieren, wie man sich das wünscht. Damit wird man extrem flexibel. Auch Entwicklungen werden nur noch im Menü als „verfügbar“ angezeigt und müssen aktiv ausgewählt werden.
Keine offene Welt
Offen ist die Welt übrigens nicht. Stattdessen kann man die einzelnen Regionen zwar frei erkunden, die sind aber von überschaubarer Größe. Besonders lächerlich ist daran, dass man nicht etwa Grenzübergänge, Portale oder ähnliches für die Reise zwischen den Gebieten nutzen kann. Man muss immer wieder in das Anfangsdorf zurückreisen und dann die Region auswählen, in die man als nächstes möchte. Das ist unnötig nervig.
Dass man nicht mehr von Stadt zu Stadt zieht, sondern durch Wiesen, Sümpfe, Vulkane und Polargebiete, ist schön. Nach dem ersten Besuch merkt man aber schnell, dass die Gebiete weitestgehend leer und uninspiriert sind und es kaum etwas zu entdecken gibt.
Pixelig, matschig und faul
Viel diskutiert wurde bereits im Vorfeld über die Grafik und das zurecht, denn sie sieht unwürdig aus. Die Spielwelt ist leer, die Texturen sind hässlich, es ist pixelig und hat eine merkwürdige Tiefenschärfe. Kommen NPCs aus dem Hintergrund nach vorne, werden sie unscharf, als wären sie nicht richtig im Fokus.
Die NPCs bestehen, bis auf die Hauptfiguren, aus wenigen Charaktermodellen, die sich wiederholen. Selbst wenn man keinen Wert auf tolle Grafik legt, fällt einem auf, wie mies dieses Spiel aussieht. Allein wie spät die Spielewelt nachlädt wenn man reitet, schwimmt oder fliegt, ist für ein Spiel dieser Größenordnung einfach nur erbärmlich.
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Das ist nicht nur unschön, sondern macht das Spiel unnötig mühsam. Um die merkwürdig vage gehaltene Story halbwegs zu einem Ende zu bringen, muss man 107 Geisterlichter in allen Regionen sammeln. Manche findet man beim Erkunden ohnehin, manche kann man erst mit späteren Fähigkeiten entdecken. Eigentlich dachte ich, ich kann einfach über das Land fliegen und sehe sie dann in der Ferne. Da viele Elemente aber erst aufpoppen, wenn man schon danach greifen kann, bringt mir das gar nichts.
Fazit: Ein Frechheit, aber trotzdem toll
Pokémon-Legenden Arceus bringt ganz viel mit, was ich mir seit den Editionen Rot und Blau gewünscht habe: Einen echten Einzelspielermodus, flexible Kämpfe und das authentischere Fangen der Taschenmonster. All das ist soweit gelungen, dass ich das Spiel viel und gerne gespielt habe. Dafür muss man sich aber mit miserabler Optik, langweiligen Bosskämpfen und einem verhältnismäßig einfachen Kampfsystem zufrieden geben.
Ich würde mal sagen, die Sucht treibt's rein, aber Nintendo hat sich wirklich keine Mühe gegeben. Es wirkt als hätte man begonnen zu entwickeln und bei der Hälfte einfach aufgehört, 3DS-Texturen darüber gelegt und schulterzuckenden "wird schon reichen" gemurmelt. Neue Pokémon gibt es kaum, lediglich optische Veränderungen und eine Handvoll neue Weiterentwicklungen.
Das fiese ist, dass ich es nicht mal als schlechten Reinfall abtun kann, obwohl viel dafür spräche. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich streckenweise mehr Spaß als bei den Spielen der Hauptreihe. Daher hoffe ich, Nintendo geht den hier begonnen Weg bald mit mehr Motivation weiter.
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