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Rocksmith+ im Test: Holt Gitarre und Bass aus dem Schrank

Ein zehn Jahre alter Laptop soll zum Spielen reichen, heißt es (meiner ist immerhin 7 Jahre alt).

Nach fast 10 Jahren veröffentlicht Ubisoft eine neue Version seiner gamifizierten Musiklernplattform "Rocksmith". Dem aktuellen Trend folgend, kommt das nicht als alleinstehender Titel, sondern als Aboservice. Neben Gitarre und E-Gitarre kann man damit jetzt auch Bass lernen – und das habe ich getestet.

Mit 16 bildete ich mir ein, E-Bass spielen zu wollen. Ich habe es "gelernt", aber nie wirklich gekonnt. Das hielt mich nicht davon ab, mir während der Pandemie einen halbakustischen Bass zukaufen. Der staubte dann ein, weil die Versuche scheiterten, es mir mit YouTube und verschiedenen Apps wieder beizubringen. Umso überraschter war ich, wie viel Spaß ich mit "Rocksmith+" habe und wie schnell ich Fähigkeiten in mir entdeckt habe, von deren Existenz ich bisher nicht wusste.

Bass, PC und ein Kabel

Das Musikspiel bietet hochwertiges Lernmaterial mit einem sehr niederschwelligen Einstieg. Benötigt wird dafür aktuell ein Instrument, ein PC mit Internetverbindung, ein USB-Kabel oder die begleitende App (iOS und Android). Wer nämlich mit einer Akustikgitarre oder einem Verstärker spielt, kann sein Smartphone als Mikrofon verwenden.

 

Ich habe für meinen Halbakustikbass ein USB-zu-6,35mm-Kabel um knapp 20 Euro verwendet. Diese Verbindungsart befindet sich aktuell noch in einem Beta-Status bei "Rocksmith+", allerdings hatte ich keine Probleme damit. Ubisoft bietet wie früher ihr eigenes "Real Tone"-Kabel an, das kostet allerdings 35 Euro und bisher wüsste ich nicht, warum ich das zusätzliche Geld ausgeben sollte.

Sofort loslegen

Beim ersten Start wählt man aus, mit welchem Instrument man starten möchte und wie es aussieht. Bass-Profis werden bemerken, dass alles auf 4-Saiter ausgelegt ist, das werden aber auch die meisten nutzen wollen. Das Instrument wird dann gestimmt und schon kann man mit der ersten Lektion loslegen. Meine anfängliche Grundskepsis war völlig unbegründet. Der Aufbau ist wirklich gelungen, vor allem wenn man zumindest rudimentäres Wissen mitbringt.

In sehr einfachen und deutlichen Video-Lektionen wird den Spieler*innen beigebracht, wie sie ihr Instrument halten, wie sie die Saiten anschlagen und wie sie greifen müssen. Nach jedem Kapitel gibt es eine passende Übung, um das Gelernte zu vertiefen. Damit man nicht immer wieder die gleiche Melodie spielen muss, gibt es eine Reihe zusätzlicher Übungen in verschiedenen Schwierigkeitsstufen.

Das coolere Guitar Hero

Diese laufen immer gleich ab: Auf dem Bildschirm wird der Bass- oder Gitarrenhals angezeigt und die benötigten Bünde. Wie bei Guitar Hero fliegen dann die Noten darauf zu. Sobald sie die virtuelle Saite treffen, muss man sie anschlagen. Wie man sie spielen muss, wird ebenfalls angezeigt. Erscheint der Ton beispielsweise wie ein langgezogener Balken, muss man ihn halten. Für mich war das sehr intuitiv und einfach zu erfassen.

Allerdings muss man immer auf den Screen starren, weshalb ich immer mal wieder daneben gegriffen habe. "Rocksmith+" liefert aber viele Einstellungsmöglichkeiten mit, um sich langsam an das Perfektionieren einer Übung heranzutasten. Wenn ich nicht weiß, was als nächstes kommt und wie es klingen soll, bin ich schnell überfordert. Deshalb drehe ich zunächst mal das Tempo herunter. Das gibt mir mehr Zeit zu überlegen, wo meine Finger hin müssen. Ich kann auch einstellen, dass sich das Tempo automatisch anpasst, wenn ich besser werde oder häufiger spiele. So kann ich mich nach und nach an das Ideal herantasten.

Wenn eine Passage trotzdem nicht klappt, kann man sie auch gezielt trainieren. So muss man nicht den gesamten Song wiederholen. Auch der Note-für-Note-Modus hilft hier. Der Track stoppt immer, wenn man einen nicht rechtzeitig oder falsch spielt. Da fehlt zwar der Rhythmus, dafür lernt man, die Töne sauber zu greifen.

Motivierendes Spielprinzip

Eine Prozentanzeige zeigt nach dem Abschluss eines Songs an, wie gut oder schlecht man war. Das motiviert, die Parts so lange zu üben, bis da eine 100 steht. Für mich ist das besser als jeder Unterricht, den ich bisher hatte. Ich weiß immer genau, was ich falsch gemacht habe und warum, denn die Fehler werden beim Spielen und in der Zusammenfassung ersichtlich. Ich saß dann so lange daran, bis es geklappt hat. Der "einmal versuch’ ich es noch"-Effekt hat gut funktioniert.

Was mir auch gut gefällt ist, dass mir nicht nur eine bestimmte Art zu spielen gezeigt wurde. Man erhält Tipps, wie man greifen soll und das Anschlagen der Saiten mit den Fingern und mit dem Plektrum wird gleichwertig behandelt. So verkrampft man sich nicht und spielt einfach bequemer.

Schwache Musikauswahl

Begeistert von der hohen Qualität des Lernbereichs versucht man sich natürlich schnell am eigentlichen Herzstück des Spiels, dem Musikkatalog. Mit 5.000 Songs wirbt Ubisoft (7.000 in den USA). Umso ernüchternder ist es, wenn man dann tatsächlich durch das Angebot blättert. Das meiste habe ich nicht gekannt und was ich kenne, haut mich nicht wirklich vom Hocker. Ich habe 20 Songs zu meinen Favoriten hinzugefügt, davon 10 aus der Not heraus. Egal, wie geil "White Rabbit" (Jefferson Airplane), "Master of Puppets" (Metallica) und "Bad Reputation" (Joan Jett) sind - sie nutzen sich hier doch schnell ab.

Es gibt einen Johnny-Cash-Song ("Daddy Sang Bass"), den ich noch nie gehört habe. Gerade seine Musik wäre aber für Bassistin*en gut geeignet. In einem Promo-Video wurde mir zudem "Waterfall" von den Stone Roses versprochen, das suchte ich aber vergeblich. Dafür wird mir permanent "More than a Feeling" von Bosten vorgeschlagen. Die Suche ist auch nicht wirklich gut, insbesondere bei den fast 800 Songs der Kategorie "Regional", die man nicht nach Regionen durchsuchen kann. Man muss wissen, ob zwischen gefühlten 500 Juan-Gabriel-Liedern eines ist, das man kennt (Spoiler: eher nicht). 

Fazit

"Rocksmith+" ist ein großartiges Lernspiel. Ich habe sehr viel Freude daran, meine Technik zu verbessern. Ich sitze stundenlang davor, bis meine Finger eine Pause mit Schmerzen einforderten. Gut spiele ich deswegen jetzt nicht, aber zumindest besser als vorher. Gerade deswegen ist es frustrierend, dass der Musikkatalog so bescheiden ausfällt. 

Wenn Ubisoft hier erfolgreich sein will, dann muss schleunigst ein großes Hit-Paket nachgelegt werden. Wenn man bei 10 Jahre alten MGMT-Songs denkt, was modernes gefunden zu haben, dann wird es schwierig mit der Langzeitmotivation. Damit fällt dann auch der Grund für ein Abo weg, auch wenn der Lern- und Übungsbereich herausragend ist. Momentan fühlt es sich an, als stehe eine kostenlose Version mit rechtefreien Songs zu Verfügung. Daher sollte man mit dem Jahres-Abo vielleicht noch mal warten.

"Rocksmith+" kann monatlich (14,99 Euro pro Monat), dreimonatig (13,99 Euro pro Monat) und jährlich (8,33 Euro pro Monat) gebucht werden. Wer bereits "Rocksmith 2014" besitzt, erhält beim dreimonatigen und beim Jahresabo je einen Monat zusätzlich gratis dazu. Derzeit ist es nur für PC erhältlich.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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