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Twelve Minutes im Test: Leben. Sterben. Wiederholen

Mit hochkarätiger Besetzung (Willem Dafoe, Daisy Ridley, James McAvoy) will das Point&Click-Adventure begeistern. Das Zeitschleifen-Prinzip funktioniert, die Geschichte hält aber nicht, was sie verspricht.

Das Zeitschleifen-Spielprinzip von Twelve Minutes ist eigentlich ein so ursprüngliches, man wundert sich, dass es nicht schon häufiger angewandt wurde. Schon in den 80er Jahren ist man beim Versuch, ein Spiel zu besiegen immer und immer wieder gestorben, bis man genau wusste, was man machen musste, um weiterzukommen. Zuletzt nutze Returnal (hier im futurezone-Test) das Prinzip und Filme wie Edge of Tomorrow (2014) setzten es ebenfalls gelungen um.

In Twelve Minutes schlüpft man nun in die Rolle eines Namenslosen, der zusammen mit seiner Frau brutal von einem vermeintlichen Polizisten überfallen wird. Die Szene endet für mich, nachdem der Polizist den Mann getötet hat. Und sofort wacht er wieder auf, die Zeit wurde zurück gespult. Unsere Frau ahnt noch nichts vom Angreifer und will uns mit einem selbstgemachten Nachtisch überraschen. Nun ist es unsere Aufgabe, ihren Tod - und unseren - innerhalb von 12 Minuten zu verhindern, danach beginnt alles von vorn. Dabei erfahren wir Stück für Stück, warum wir überhaupt angegriffen werden. Wie eine Zwiebel schält sich die Story mit jeder Runde ein Stückchen weiter auf. 

Kombiniere, kombiniere

Man blickt aus einer Top-Down-Perspektive auf das Geschehen und steuert es wie jedes andere Point&Click-Adventure. Es gibt ein Inventar, in dem Dinge kombiniert werden können. Hier tritt schon die erste Schwachstelle zutage, denn wer nicht mit der Maus sondern auf der Konsole mit einem Controller steuert, wird schnell stöhnen. Die Steuerung ist für die Maus ausgelegt und kaum optimiert.

Für den Einsatz von Items ist Timing wichtig. Das ist leider nicht immer ganz logisch. So kann man etwa manche Handlungen nicht unterbrechen - inhaltlich ergibt das aber keinen Sinn. Gut ist, dass man nicht zu überladen wird mit Items, sondern mit einer überschaubaren Zahl an Möglichkeiten ausgestattet ist, die man dann sinnvoll einsetzen muss. 

Es gibt immer wieder Momente, in denen mich die Wiederholung nervt. Entweder, weil ich gewisse Mechaniken schon kenne, mir aber ein entscheidender neuer Impuls fehlt, um weiter zu kommen. Oder weil ich schon genau weiß, was ich erreichen soll, weil ich die Story schon durchschaut habe und nur noch herausfinden muss, welche Dinge ich dafür in der richtigen Reihenfolge oder zum richtigen Zeitpunkt machen muss. Das bedeutet herumprobieren und das zieht sich. Sehr häufig kam das zwar nicht vor, erklärt aber, warum es nicht mehr solcher Spiele gibt: Es ist schwer, die Spannung oben zu halten, wenn man in einem Story-Spiel immer das gleiche machen muss.

Hohe Produktionsqualität, haarsträubende Story-Entscheidungen

Erstmal das Positive: Twelve Minutes schafft es, durchgehend zu fesseln. Das liegt einerseits an der wirklich starken Inszenierung. Als Sprecher*innen wurden James McAvoy, Daisy Ridley und Willem Dafoe gewonnen und diese Qualität merkt man auch. Zusammen mit dem guten Sounddesign tragen sie das Spiel und sorgen für eine dichte Stimmung. Außerdem dauert ein Spieldurchgang "nur" 6 Stunden. Dann hat man mindestens eines der 7 Enden gesehen, 2 davon sind "richtige" Endpunkte nach denen das Spiel neu startet.

Egal welches Ende man erwischt, es lässt einen immer mit einem unguten Gefühl zurück. Und mit ungut meine ich nicht: Es ist wahnsinnig komplex und verworren, ich muss erst mal darüber nachdenken. Eher ungut, weil man von der Auflösung immer abgestoßen wird, egal wie man es dreht und wendet. Man schielt ein bisschen skeptisch auf den Namen des Autors und fragt sich, was da schief gelaufen ist. 

Das beginnt übrigens schon während des Spiels. Um etwas zu erreichen muss ich meine Hauptfigur immer wieder Dinge tun und sagen lassen, die moralisch mehr als verwerflich sind. Etwa seine Frau immer wieder unter Drogen setzen, damit sie bewusstlos wird. Um das eigene Trauma zu überwinden, wird auf nichts und niemanden Rücksicht genommen. Es werden Leute gequält, während sich der Protagonist in seiner Opferrolle suhlt. Kann man machen, wenn man diese moralische Verwerflichkeit irgendwie einordnet. Schlussendlich hat dieses Verhalten aber keine angemessenen Konsequenzen.

Fazit: Chance vertan

Ganz nüchtern betrachtet ist Twelve Minutes hochwertig produziert und technisch gut umgesetzt. Ich war bis zum Schluss gespannt, ob sich vielleicht doch alles irgendwie noch auflöst und ich mich nicht mehr so sehr ekeln muss.

Aber die inhaltlichen Probleme sind entweder ein riesiges Versäumnis oder - schlimmer - Ergebnis eines unsensibel und unüberlegt geschriebenen Drehbuchs. In beiden Fällen hätten vielleicht noch ein paar mehr Menschen über das Script lesen und mit dem Rotstift noch ein bisschen was anstreichen sollen. Man wollte eben The Shining, Fenster zum Hof und Chinatown sein, aber es hat dann nur für die moralische Bandbreite von Und täglich grüßt das Murmeltier gereicht.

Wenn man sich das Spiel trotzdem zulegen möchte, sollte wirklich nicht in eine Konsolenversion investieren. Da macht man sich das Leben nur schwer. Wer den Xbox Game Pass hat, kann sich Twelve Minutes kostenlos für PC herunterladen - da kann man mal einen Blick drauf werfen. Wer die knapp 20 Euro ausgeben will, wird wahrscheinlich seine oder ihre Zeit auch schon schlechter verbracht haben, aber richtig glücklich wird man damit nicht. Sehr schade, denn alle Voraussetzungen für ein gutes Spiel waren da. 

Twelve Minutes ist bei Steam (20,99 Euro) und im Microsoft Store (24,99 Euro) erhältlich.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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