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Netzpolitik

Verwirrung um Netzsperren von Russia Today

Der russische Staatssender RT ist in Österreich schon seit mehreren Wochen nicht mehr im TV zu finden. A1, Drei und Magenta haben diesen bereits aus ihren TV-Sendepaketen gestrichen. Das beruht auf einer EU-Verordnung, die im Zuge der Sanktionen Russlands beschlossen wurde. Die EU hat Putins TV-Sender als Instrument der Kriegsführung und Desinformation eingestuft und verbannt.

Doch neben dem TV-Angebot via Kabel, Satellit oder IP-TV sind auch Internet Service Provider dazu aufgefordert, audiovisuelle Inhaltsangbote von RT und Sputnik im Netz zu sperren. Das betrifft alle Anbieter im ganzen Land, also rund 400.

A1, Drei und Magenta sperren

Der Telekom-Anbieter A1 wollte die Sperren im Internet, anders als beim TV-Auftritt, aber nicht gleich umsetzen. „Wir wollen nicht selbst beurteilen, was genau zu sperren ist“, heißt es seitens eines A1-Sprechers auf futurezone-Anfrage. (Update, 6. April, 9.10h:) Am Mittwochvormittag erreichte die futurezone eine Ergänzung: Mittlerweile sei aber von der Behörde eine "klare Guidance" gekommen und die A1-Bitte, eine Sperrliste zu übermitteln, wurde stattdgegeben. Seither sind diese Seiten bei A1 gesperrt.

Zur Erklärung: Von RT gibt es verschiedene Domains wie etwa rt.com oder de.rt.com. Bisher gab es aber keine Sperrliste. „Für die Branche war es überraschend, dass keine Behörde beauftragt wurde, wenigstens eine solche Liste zu erstellen und zu veröffentlichen. Damit entzieht sich die Politik elegant der Frage, ob eine Sperrinfrastuktur aufgebaut werden muss“, sagt ISPA-Präsident Harald Kapper zur futurezone. Kapper vertritt den Verband der heimischen Internetanbieter ISPA und damit zahlreiche Provider.

In Deutschland hat etwa die Bundesnetzagentur eine Sperrliste von ganz bestimmten Websites rund um die Angebote von RT und Sputnik herausgegeben. Magenta ist ein Tochter-Unternehmen der Deutschen Telekom AG und kann sich auf die Liste der deutschen Bundesnetzagentur berufen. Denn Magenta und Drei haben entsprechende Netzsperren bereits umgesetzt, wie die beiden Anbieter auf futurezone-Anfrage bestätigen.

Die Netzsperren basieren auf einer „europäischen Rechtsgrundlage“, heißt es seitens Magenta. „Wir haben den EU-Beschluss netzseitig umgesetzt. Das Aufrufen von Russia Today und Sputnik News ist deshalb im Netz von Drei aktuell nicht mehr möglich“, heißt es seitens Drei. Auch bei Drei greift man auf die deutsche Liste, die auch in „anderen EU-Ländern genutzt“ werde, zurück. Gesperrt werden rt.com, uk.rt.com, de.rt.com, Francais.rt.com, actualidad.rt.com und sputniknews.com.

FRANCE-RUSSIA-UKRAINE-MEDIA-CONFLICT-EU-SANCTIONS

Nicht nur die TV-Auftritte von Russia Today (RT) werden gesperrt

Klare Regeln fehlen für die Umsetzung

Doch auch diese beiden Anbieter orten Probleme. „Es geht aus der Verordnung nicht klar hervor, wie die Sperren zu setzen sind“, so ein Drei-Sprecher. Provider können entweder die Einträge der betroffenen Seiten aus den Domain-Name-Servern (DNS) löschen, oder den Zugang zu den entsprechenden IP-Adressen direkt sperren. Sowohl Magenta als auch Drei haben den ersten Weg gewählt. Bei Magenta gab man die Auskunft, dass dies „nach Rücksprache mit dem Regulator“ so erfolgt sei.

Damit Nutzer nicht ständig eine komplizierte Kombination aus Zahlen in die Adressleiste eintippen müssen, gibt es Domain Names. Doch diese werden im Falle von RT und Sputnik jetzt blockiert. Diese Sperren lassen sich theoretisch aber einfach umgehen, weshalb die ISPA fürchtet, dass dieses „gelindeste Mittel“ der Sperren nicht ausreichend sein könnte.

„Es wurde keine konkrete Umsetzung festgelegt und das ist eine Unsicherheit, die österreichische Provider nun haben. Die EU-Verordnung wurde im Rahmen der Sendungsverbreitung erarbeitet und in einem Nebensatz den Internetanbietern ausgerichtet, dass sie auch mitgemeint sind“, erklärt Kapper.

„Jetzt muss jeder der rund 400 Internetanbieter in Österreich nach eigener Einschätzung entscheiden, welche Seiten zu sperren sein könnten. Damit fühlen sich alle Betriebe wie bei einer Verkehrskontrolle, bei der allerdings erst im Nachhinein die Höchstgeschwindigkeit verraten wird."

Harald Kapper | ISPA-Präsident

Hohe Strafen möglich, wenn wer nicht agiert

Anbieter, die RT-Inhalte weiterhin zugänglich machen, werden aber demnächst mit einer Strafe von 50.000 Euro bedroht. Eine entsprechende Gesetzesnovelle passierte vergangene Woche den Nationalrat. Auch hier gab es keine weitere Festlegung zur technischen Umsetzung. „Jetzt muss jeder der rund 400 Internetanbieter in Österreich nach eigener Einschätzung entscheiden, welche Seiten zu sperren sein könnten. Damit fühlen sich alle Betriebe wie bei einer Verkehrskontrolle, bei der allerdings erst im Nachhinein die Höchstgeschwindigkeit verraten wird“, vergleicht Kapper.

Nach Inkrafttreten der Gesetzesnovelle sind in Österreich dann gleich 2 Behörden zuständig. Der KommAustria wurde die Zuständigkeit zur Durchsetzung der EU-Verordnung übertragen, während die Telekom-Control-Kommission (TKK) über Verstöße gegen die Netzneutralität entscheidet.

Eine Verletzung der Netzneutralität sieht Kapper in den Netzsperren allerdings nicht. „Ein hoheitlicher Akt, also ein Gesetz oder ein Gericht, kann einem Internetanbieter eine Sperre anordnen und damit wird automatisch nicht gegen die Netzneutralität verstoßen“, so der ISPA-Präsident. Das sieht auch das oberste Gremium europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (BEREC) so und hat dies an alle Regulierungsbehörden ausgeschickt.

Gefahr für Meinungsfreiheit

Aus der Sicht des ISPA-Präsidenten ist das Wirrwarr um die fehlenden Details in Punkto welche Seiten genau gesperrt werden müssen und welche Sperren umgesetzt werden aber nicht nur für die Anbieter selbst ärgerlich, sondern birgt auch Gefahren für die Demokratie. „Wenn die Politik schon meint, Grundrechte einschränken zu müssen, sollte sie dafür auch geeignete Instanzen nominieren, und nicht private Unternehmen dafür einspannen“, so der ISPA-Präsident.

Auch die Bürgerrechtsorganisation EDri sieht die Meinungs- und Informationsfreiheit bedroht und fürchtet, dass damit künftig Zensurmaßnahmen legitimiert werden könnten. Man hätte sich gewunschen, dass ein derartiger Bann eines Mediums zumindest auch vom EU-Parlament abgesegnet werden hätte müssen. Provider dürfen jedoch auf gar keinen Fall gezwungen werden alle Inhalte überwachen zu müssen, die über ihre Kanäle verbreitet werden, so EDri.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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