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Netzpolitik

Warum Smart-Meter-Verweigerer in Niederösterreich geklagt werden

Intelligente Stromzähler, sogenannte „Smart Meter“, sind bei vielen Kund*innen mittlerweile sehr beliebt geworden. Das liegt mitunter an den hohen Energiepreisen. Seither interessieren sich viele für ihren eigenen Stromverbrauch und dafür, Optimierungen vorzunehmen, um weniger zahlen zu müssen. „Alleine dieses Jahr haben wir 140.000 Registrierungen und 2 Millionen Zugriffe auf unserem Kund*innen-Portal verzeichnet, über das man die täglichen Verbrauchswerte abrufen kann“, erklärt Karl Heinz Graßmann, Projektleiter Smart Metering bei der Netz NÖ, im Gespräch mit der futurezone.

➤ Mehr lesen: Smart Meter: So findet ihr Stromfresser im Haushalt

Großteil der Zähler ist ausgetauscht

Mittlerweile sind in Niederösterreich 98 Prozent der alten, mechanischen Ferraris-Zähler durch Smart Meter ersetzt worden. Das sind insgesamt 830.000 Stromzähler, die jetzt digital auslesbar sind und mit denen es möglich ist, bei „Opt in“ 15-Minuten-Werte zu erhalten. Beim „Opt out“ werden wie bisher die Werte nur einmal im Jahr an den Netzbetreiber übermittelt. 15.000 bis 16.000 Zähler wurden noch nicht getauscht, davon sind laut Graßmann etwa 8.000 bis 9.000 in Haushalten angesiedelt.

Unter diesem Rest gibt es auch eine kleine Gruppe Menschen, die den Einbau eines elektronischen Stromzählers aus unterschiedlichen Gründen verweigern. Eine von ihnen ist die ehemalige  Mikrobiologin C. (Name der Redaktion bekannt), die  in Pension ist. „Ich will kein Überwachungsinstrument im privaten Bereich haben“, erklärt C. der futurezone. Andere fürchten sich vor Elektrosmog oder Hackerangriffen. Unter „Stop Smart Meter“ hat sich in ganz Österreich eine Gruppe jener Menschen formiert, die einen Zählertausch dezidiert ablehnen. Sie verweigern den Monteur*innen den Zutritt und reagieren nicht auf die Briefe der Netzbetreiber mit der Bitte um einen Tauschtermin.

Infobox

Smart Meter
Das sind intelligente Stromzähler, die digital Daten empfangen und senden können. Sie sind über Mobilfunk oder Powerline Communication (PLC) ans Stromnetz angebunden

Tageswerte
Im Gegensatz zu den alten Ferraris-Stromzählern werden mit den digitalen Zählern Tageswerte abgelesen

Vorteile
Man kann per Opt In alle 15 Minuten die Werte auslesen lassen. So lassen sich Rückschlüsse auf die größten Energieverbraucher im Haushalt ziehen und Energie sparen

Nachteile
Die neuen Zähler können aus der Ferne abgedreht werden, wenn jemand nicht zahlt

Kund*innen auf Herausgabe des Zählers verklagt

Das hat auch C. bisher gemacht. Doch jetzt gibt sie nach. Der Grund: Sie will keine 2.800 Euro zahlen. Das ist die Summe, die der Netzbetreiber Netz NÖ in dem Bundesland von jenen Personen einfordert, die den alten Ferraris-Zähler nicht herausgeben möchten. Ihnen wird eine entsprechende Aufforderung mit Klage auf Herausgabe des Zählers zugestellt. „Und das bei Zählern, welche nachher in den Müll geworfen werden“, erklärt Friedrich Loindl vom „Stop-Smart-Meter“-Team.

Bei rund 40 Personen seien derartige Klagen bereits eingegangen, sagt Loindl. „Es ist unfassbar, wie der Netzbetreiber hier vorgehen.“ Laut Loindl soll die Wiener Rechtsanwaltskanzlei sehr kurze Fristen setzen, damit Menschen reagieren können, um der Klage zu entkommen. „Die Klage wird außerdem nur dann zurückgezogen, wenn man sich einen Smart Meter einbauen lässt“, so Loindl.

Reagiert man rechtzeitig wie Frau C., dann wird der neue Zähler zeitnahe eingebaut und die Klage fallengelassen. Dieses harte Vorgehen beim Zählertausch wird derzeit nur in Niederösterreich praktiziert. Die futurezone hat daher beim Netzbetreiber Netz NÖ nachgefragt, warum man sich dafür entschieden hat.

„Es gibt in allen Fällen eine Vorgeschichte“, erklärt Graßmann. „Wir haben die Kund*innen davor in 3 bis 4 schriftlichen Korrespondenzen um einen Tauschtermin gebeten. Sie haben es drauf ankommen lassen und nicht reagiert“, so der Smart-Meter-Projektleiter bei Netz NÖ. „Auch handelt es sich bei dem Klagsprozess um ein zweistufiges Verfahren. Kund*innen werden zuerst angeschrieben und darauf hingewiesen, sich wegen eines Zählertauschs zu melden. Das ist völlig kostenlos. Erst, wenn sie wieder nicht reagieren, wird eine Klage eingereicht“, sagt Graßmann.

Alte Zähler sind eichpflichtig geworden

Doch warum müssen die Zähler überhaupt getauscht werden? Mechanische Stromzähler wurden bisher alle 7 Jahre laut Gesetz geeicht. „Die Zähler bei den Kund*innen sind eichfällig geworden. Da wir außer Smart Metern keine andere Zählertechnologie mehr einsetzen wollen, müssen sie getauscht werden, ansonsten verletzen wir die Gesetze“, erklärt Graßmann.

„Das Gesetz sieht außerdem vor, dass wir alle Kund*innen gleich behandeln. Wenn wir das nicht tun, drohen wiederum uns als Netzbetreiber Strafen“, so der Experte. Die Strafe könnte in so einem Fall „bis zu 75.000 Euro“ betragen und die Geschäftsführung wäre persönlich haftbar, heißt es im Gespräch. „Deshalb wurde auch die Summe von 2.800 Euro gewählt. Wir halten uns an gesetzliche Vorschriften, den Streitwert und die Gerichtskosten und haben die Summe an der untersten Grenzen angelehnt“, sagt Graßmann.

„Das Gesetz sieht außerdem vor, dass wir alle Kund*innen gleich behandeln. Wenn wir das nicht tun, drohen wiederum uns als Netzbetreiber Strafen."

Projektleiter Smart Metering bei der Netz NÖ

Nichtgleichbehandlung der Kund*innen ein Problem

Kund*innen, die keinen elektronischen Zähler haben, müssten früher oder später Nachteile in Kauf nehmen, heißt es weiter. So könnten sie etwa keine flexiblen Tarife abonnieren und sich auch nicht zu Energiegemeinschaften zusammenschließen. Dadurch würde eine „Nichtgleichbehandlung“ ermöglicht, weswegen eine Umstellung zwingend notwendig sei, heißt es bei der Netz NÖ. Außerdem sehe der Gesetzgeber vor, dass die Stromzähler möglichst vollständig ausgewechselt werden müssen.

Die Smart-Meter-Verweigerer beziehen sich hingegen darauf, dass der Staat nur eine Quote von 95 Prozent für den Stromzählerwechsel vorsehen würde. „Das ist richtig, aber die 95 Prozent beziehen sich nur auf die technische Machbarkeit, wenn etwa eine Datenübertragung nicht möglich ist. Daraus ergibt sich kein Recht für Kund*innen, darauf verzichten zu können“, so Graßmann. Für den Netzbetreiber würde es außerdem „gar keinen Sinn“ machen, die alten Ferraris-Zähler zu behalten. „Man hätte dann 2 Systeme, die man nicht zusammenspielen kann“, sagt Graßmann.

Menschen, die nicht wollen, dass ihre Stromdaten alle 15 Minuten ausgelesen werden, können beim Netzbetreiber ein sogenanntes „Opt Out“ in Anspruch nehmen. Ein Recht auf Ablehnung eines elektronischen Zähler gibt es hingegen nicht. Dazu gibt es mittlerweile auch mehrere Gerichtsurteile. Die Smart-Meter-Verweigerer, die vom OGH bis zum Verfassungsgerichtshof zogen, verloren bisher alle Verfahren.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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