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Bluetooth-Kopfhörer von Bowers & Wilkins: Klein schlägt Groß

Seit zehn Jahren produziert der britische Lautsprecherhersteller Bowers & Wilkins Kopfhörer, die stets mit hochwertiger Verarbeitung und gutem Klang überzeugen konnten. Mit dem On-Ear-Kopfhörer PX5 und dem größeren Over-Ear-Modell PX7 hat das Unternehmen vor kurzem die PX-Modellreihe aktualisiert, die mit Drahtlosverbindung und Geräuschunterdrückung punkten will. Ich habe beide Kopfhörer getestet.

Verarbeitung und Design

Das Design der neuen Kopfhörer-Serie ist immer noch an das ursprüngliche Aussehen des allerersten B&W-Kopfhörers P5 aus dem Jahre 2010 angelehnt. Über die Jahre wurde die Form der Ohrpolster aber abgerundet. Der geschwungene Übergang zwischen Bügel und Ohrmuscheln besteht nun aus einer dunklen Kohlefaser-Verbindung, die robust, aber gleichzeitig leicht ist.

Darüber hinaus setzt B&W einmal mehr auf eine edle Metallabdeckung der Ohrmuscheln, in der das Logo eingraviert ist, und echtes Leder auf Bügelunterseite und für die Ohren-Auflageflächen. Eine hochwertige, raue Stoffverkleidung auf der Oberseite der Bügel und für die Einfassung der Ohrmuscheln lassen die Kopfhörer nicht nur edel wirken, sondern sorgen auch für eine tolle Haptik.

Neben der dunklen Variante gibt es den PX5 auch noch mit blauem Stoff und den PX7 in hellgrau. Die Metalloberflächen sind den jeweiligen Modellen angepasst. Die Muscheln lassen sich nach innen drehen, dadurch werden sie zum Transportieren flacher.

Tragkomfort und Sitz

Die Lederpolsterung ist bei beiden Modellen angenehm. Aufgrund der Größe der Kopfhörer und der Bauform ergeben sich aber Unterschiede. So liegt der kleinere PX5 nicht zuletzt auch durch das verwendete steife Kohlefaser-Material relativ eng an den Ohren an, was nach mehreren Stunden Benutzung anstrengend werden kann.

Durch den kleineren Bügel bietet er auch weniger Spielraum, was für Menschen mit einem großen Kopf problematisch sein kann. Erst gegen Ende des Testzeitraums entdeckte ich, dass sich mit einiger Kraftanstrengung das Maximum der Bügelspannweite etwas vergrößern lässt. Dadurch verbesserte sich der Tragekomfort, ohne dass der Kopfhörer lockerer saß.

Der als Over-Ear-Kopfhörer konzipierte PX7 kann hier seine Stärke ausspielen. Trotz weniger Druck auf Kopf und Ohren sitzt er absolut fest am Kopf. Auch stundenlanges Tragen war kein Problem. Das Gewicht von 302 Gramm ist proportional verteilt. Er wirkt dadurch fast leichter als der 254 Gramm schwere PX5. Da die untere Innenseite des Ohrpolsters mit durchlässigem Stoff verkleidet ist, kommt es auch nicht zu unangenehmer Schweißbildung.

Intimer Klang beim PX5

Wer einen sauberen, ausgewogenen Klang ohne allzu viel Bass mag, ist bei B&W generell richtig. Beim Testen zeigte sich hier allerdings eine Überraschung. Denn der Klang des kleineren und 100 Euro billigeren Modells PX5 gefiel mir besser als der des PX7. Beide Treiber – 35 mm beim PX5 und 43,6 mm beim PX7 – wurden völlig neu von dem Entwicklerteam entworfen, das auch für die Serie-800-Diamond-Lautsprecher des Herstellers verantwortlich zeichnet.

Ob es nun am Treiber oder an der direkt auf dem Ohr aufliegenden Muschel liegt: Der Sound des PX5 wirkt eine Spur kompakter und kommt mit mehr Kraft in der Tiefe daher. Die höheren Frequenzen sind eine Spur weicher als beim PX7, was insgesamt einen wärmeren und ausgewogeneren Klang produziert. In Kombination mit der direkteren Wiedergabe fesselt und berührt mich der kleine PX5 mehr – sei es nun bei sparsam produzierten Pop-Songs oder klassischem Liedgesang.

Mehr Raum beim PX7

Die größte Stärke des PX7 wiederum ist die Öffnung des Raums. Wo der PX5 für intime Momente sorgt, fühlt sich die Musik beim PX7 sprichwörtlich wie in einem Konzertsaal bzw. einem großen Zimmer an. Durch den guten Tragkomfort kann man leicht vergessen, dass der Sound nicht über Lautsprecher im Raum, sondern über die Kopfhörer kommt. Das trägt mit dazu bei, dass das Musikhören auch nach Stunden nicht anstrengend wird.

So sehr davon komplexere Produktionen bis hin zu Orchesteraufnahmen profitieren, habe ich mir in der Tiefe manchmal mehr Kraft gewünscht. Die Höhen sind sehr klar, was ich eigentlich mag. Stellenweise habe ich sie – je nach Musik und Produktion – fast zu klar und an der Grenze zum Klirrenden empfunden. Das soll nicht missverstanden werden: Auch der PX7 klingt hervorragend – welcher der beiden Kopfhörer einem mehr zusagt, ist subjektiv und hängt vom eigenen Hörverhalten ab.

Geräuschunterdrückung wenig überzeugend

Das Noise-Cancelling von Bowers & Wilkins hat mich bisher noch nie sonderlich überzeugt. Das ist auch beim PX5 und PX7 nicht anders. Es gibt verschiedene Modi, darunter sogar ein automatischer, der sich an den Umgebungslärm anpassen soll, aber irgendwie ist der Grad der Geräuschunterdrückung bei allen Varianten kaum unterscheidbar und eher gering.

Interessanterweise sorgt auch hier der kleine PX5 für eine Überraschung. Durch das enge Aufliegen an den Ohren schirmt er Umgebungslärm besser ab als der PX7. Mich persönlich stört die eher geringe Ausprägung des Noise-Cancelling nicht sehr. Zumindest bleibt dadurch auch die Klangqualität ungestört. In einem Flugzeug konnte ich den Kopfhörer nicht testen. Es würde mich aber wundern, wenn die Abschirmung dort besser funktionieren würde als am Boden.

App und Bluetooth

Die Software- und App-Strategie von B&W war noch nie ein besonderes Ruhmesblatt für das Unternehmen, wie auch mein Kopfhörer-Test aus dem Jahr 2018 zeigt. Für die aktualisierte PX-Serie gibt es nun eine neue App, die zumindest das tut, was sie soll. In dieser kann man Funktionen wie Geräuschunterdrückung, Standby oder die Empfindlichkeit des Tragesensors einstellen. Auch verbundene Geräte werden übersichtlich angezeigt.

Löblich ist bei beiden Modellen, dass man sie mit zwei Geräten gleichzeitig verbinden kann. Das Verbinden über Bluetooth 5.0 mit aptX-HD-Standard funktionierte meist ohne Probleme und Störungen.

Eine Adaption der Soundeinstellungen – etwa mehr Bass – gibt es in der App ebenso wenig wie ein Handbuch, das für die Bedienung aller physischen Knöpfe direkt am Kopfhörer hilfreich wäre. Denn die meisten Funktionen von Geräuschunterdrückung bis Durchschaltung des Umgebungslärms kann man auch ohne App mit dem richtigen Klick auslösen – wenn man nur weiß, welcher Knopf wie oft und lange gedrückt werden muss.

Bedienung am Kopfhörer selbst

Die physische Bedienung von Lautstärke, aber auch Pause und Abspielen von Musik (1 Mal klicken) inklusive nächster Titel (2 Mal klicken) und voriger Titel (3 Mal klicken) über die rechte Kopfhörerseite funktioniert relativ gut, wenngleich das Erfühlen des richtigen Knopfes beim größeren PX7 naturgemäß leichter ist. Wer den Play-Button länger drückt, aktiviert im Apple-Universum Siri. Zum Telefonieren sind die Kopfhörer durch das eingebaute Mikrofon natürlich auch verwendbar.

Wer die Kopfhörer nicht drahtlos, sondern mit Kabel verwenden möchte, kann dies mittels beigelegtem Klinkenkabel tun. Geräte, die ihr Audiosignal mittels USB-C übertragen können, können auch auf diese Weise an den Kopfhörer angeschlossen werden. Die Akkudauer gibt B&W beim PX5 mit 25 Stunden an, beim PX7 sollen es 30 Stunden sein. Beim Testen habe ich nicht mitgestoppt. Die Akkulaufzeit gab aber bei beiden Geräten keinen Grund zur Beanstandung.

Fazit: Die Qual der Wahl

Hinsichtlich Design und Verarbeitung gibt es beim PX5 als auch beim PX7 absolut nichts zu bemängeln. Der Klang ist bei beiden Modellen hervorragend und beweist einmal mehr, dass Bluetooth-betriebene Kopfhörer längst ausgezeichnete Soundqualität liefern können. Dass mich der Klang des PX5 mehr begeistert hat und dieser Umgebungsgeräusche besser abschirmt als der größere PX7 hat mich definitiv überrascht.

Wer stundenlang zuhause oder im Büro Musik hört, ist hinsichtlich Tragkomfort, aber auch durch den eine Spur unaufdringlicheren Klang mit dem PX7 vermutlich besser bedient. Mit einem Listenpreis von 399 Euro ist er allerdings um 100 Euro teurer als der PX5. Als Alternative zum PX7 lohnt sich ein Blick auf den in etwa gleich großen und auch gleich teuren nuraphone-Kopfhörer (zum futurezone-Test), der mit besserer Geräuschunterdrückung und einem individuellen Hörprofil punkten kann.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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Martin Jan Stepanek

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