Zu Besuch bei Garmin
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Zu Besuch bei Garmin: Von Flugzeugen bis zum Smartwatch-Backofen

Als “Flyover Country” bezeichnet man jene Regionen der USA, die von vielen Reisenden auf dem Weg zwischen den Küsten lediglich überflogen, aber selten besucht werden. Olathe im Bundesstaat Kansas, nahe der Stadt Kansas City, zählt dazu. Hier sind die Straßen breit, die Autos groß, nicht elektrisch und die lokale Spezialität ist das Barbecue, natürlich mit viel Fleisch. 

Der Bundesstaat gilt seit vielen Jahren zudem als Hochburg der Republikanischen Partei. Damit ist die Gegend so ziemlich das Gegenteil der typischen liberalen, E-Auto-durchdrängten und vegan-freundlichen Tech-Hochburgen im Silicon Valley an der US-Westküste. Dennoch findet man hier das Hauptquartier eines Tech-Unternehmens, das in vielen seiner Bereiche Marktführer ist: Garmin. Der Name setzt sich aus den Vornamen der beiden Gründer Gary Burrell und Min Kao zusammen, die die Firma 1989 genau hier gegründet haben. 

Im Zentrum von Garmins Geschichte und Produkten steckt hauptsächlich eine Technologie, nämlich GPS. “Garmin hat 2024 insgesamt 18 Millionen Geräte weltweit verkauft, die meisten davon GPS-basiert”, erklärt CEO Clifton Pemble, der bereits seit den ersten Tagen von Garmin dabei ist, beim Besuch der futurezone.

Garmin-CEO Clifton Pemble

Garmin-CEO Clifton Pemble

Luft- und Schifffahrt

Ursprünglich konzentrierte sich das Unternehmen auf GPS-Navigation für die Luftfahrt und Schifffahrt. Das weckte auch das Interesse des US-Militärs, für das GPS ursprünglich entwickelt worden war. Die US-Streitkräfte zählten zu den ersten großen Kunden von Garmin und sind bis heute ein wichtiger Auftraggeber. 

Bis heute ist Garmin in diesen Bereichen aktiv. Das Unternehmen stellt eine breite Palette an Avionik-Produkten und -Systemen her, die sowohl in der allgemeinen Luftfahrt als auch in Geschäftsflugzeugen, Turboprops und Jets eingesetzt werden. Um diese Produkte zu testen, verfügt das Unternehmen über einen eigenen Hangar an einem Flugfeld, unweit der Firmenzentrale. Dort werden die eigenen Produkte in verschiedenen Flugzeugen getestet, von der Propellermaschine bis zum kleinen Jet. 

Garmin-Hangar mit Flugzeug

Garmin-Hangar mit Flugzeug

Ein halbes Dutzend Pilotinnen und Piloten sind dafür angestellt. “Ich liebe das Fliegen”, erzählt der Leiter des Flugtest-Teams Max Unruh, der wie viele in Kansas ursprünglich deutsche Wurzeln hat. Beim futurezone-Besuch lädt er zum Rundflug in einer Beechcraft Bonanza ein. “Die Maschine ist 2007 gebaut worden, aber keine Sorge, bei Flugzeugen ist das sehr jung”, scherzt er vor dem Abflug.

Deutlich moderner sind jedenfalls die Touchscreens und Systeme, die in die Bonanza integriert sind. Von der Treibstoffanzeige bis hin zum Darstellen anderer Flugzeuge in der Umgebung ist alles vorhanden. Eine ausgedruckte Checkliste vor dem Start und der Landung muss Unruh dennoch durchgehen.

Flugzeug mit Garmin-Systemen

Eine der jüngeren Entwicklungen von Garmin ist das sogenannte Autoland-System. Das ist für Flugzeuge konzipiert, bei denen nur ein Pilot an Bord ist. Wenn dieser, etwa durch einen medizinischen Notfall, die Fähigkeit verliert, das Flugzeug zu steuern, sind Passagiere auf sich allein gestellt. Ist Autoland in das Flugzeug integriert, kann man es per Knopfdruck aktivieren. Das Flugzeug kommuniziert dann vollautomatisch mit der Flugsicherung und leitet eine Landung am nächstgelegenen Flughafen ein. 

Garmins Avionik-Produkte werden nicht nur in Kansas entwickelt, sondern auch dort gebaut. Artikel wie Navigationsgeräte oder die Sportuhren werden hingegen in Taiwan gefertigt, ein Lager in Kansas dient lediglich der Distribution in dem Land. 

Von Navis zu Sportuhren

Am Massenmarkt machte sich Garmin um die Jahrtausendwende mit Auto-Navigationsgeräten einen Namen. Schließlich kam man auf die Idee, dass sich auch Sportler Satellitennavigation zunutze machen können. Für Läufer entwickelte man den “Forerunner”, der optisch wenig mit dem zu tun hat, was man heute als Laufuhr kennt. 

Garmin Forerunner

Bei den Kernfunktionen war er aber durchaus vergleichbar. So konnten Sportler damit schon 2003 ihre Laufstrecke, Geschwindigkeit und Distanz präzise aufzeichnen und analysieren. “Laufsport ist das Herzstück unserer Produktlinie”, erklärt Pemble. 

➤ Mehr lesen: Garmin stellt Laufuhren Forerunner 570 und 970 vor

Garmin sah schnell, dass sich der Markt für Sportler und Outdoor-Begeisterte lohnt und expandierte stark. Rund die Hälfte des Umsatzes (2024 waren es 6,3 Milliarden Dollar) kommt aus dem Outdoor-Geschäft. 

Heute kann man mit Garmin-Uhren alle erdenklichen Sportarten aufzeichnen. Beim Wandern kann man sich per Navigation auf der Uhr auf die richtigen Wege leiten lassen, beim Golf kann man auf vorinstallierte Golfplatzkarten zurückgreifen und auch beim Skifahren sind die Pisten eingezeichnet.

Dass Sport und Fitness eng mit Garmin verknüpft sind, wird auch beim Rundgang über das Firmengelände deutlich. So viele Radfahrer wie hier sieht man ansonsten im ganzen Großraum Kansas City nicht. Der Komplex des Unternehmens umfasst neben einem riesigen Fitnessstudio auch Sporthallen, etwa für Basketball. Im Freien geht man an einem Fußballplatz vorbei, ein “Garmin Trail” rund um die Gebäude lädt zum Joggen ein.

Garmin-Fitnessstudio

Testlabor

Bei manchen Aktivitäten kann es nicht nur für die Sportler, sondern auch für die Geräte ungemütlich werden. Am Firmenstandort in Kansas werden die Uhren und sämtliche anderen Geräte auf Herz und Nieren getestet. Dafür gibt es einen eigenen Abschnitt, der nur als Testlabor dient. 

Während das Firmengelände und die Hallen sonst überwiegend fast schon penibel aufgeräumt wirken, ist es im Labor etwas chaotischer. Auch herrscht dort bis auf wenige Ausnahmen strenges Fotografie- und Filmverbot. Aber nicht aufgrund des Durcheinanders, sondern weil dort auch bislang nicht veröffentlichte Produkte getestet werden, die noch nicht an die Öffentlichkeit dringen sollen. 

Es erinnert an den Keller eines Elektronikbastlers. Das ist es auch ein wenig. Denn viele der Geräte oder “Roboter”, mit denen Uhren und dergleichen getestet werden, sind von den Mitarbeitern selbst entwickelt und gebaut. Sie drücken 50.000- oder 100.000-mal Knöpfe oder ziehen an Gummibändern. In einer Art quadratischer Waschmaschinentrommel müssen die Geräte einen 8-stündigen Schleudergang überleben. 

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Smartphone-Backofen

Vibration

Einer der größten Feinde von Geräten, die unterwegs genutzt werden, ist Vibration. Darum gibt es auch ein eigenes “Vibrationslabor”, das sich darauf spezialisiert hat, die Bauteile tagelang durchzurütteln. Nicht nur die Elektronikgeräte werden auf diese Art und Weise getestet, sondern auch Halterungen, etwa für Fahrradlenker. 

Eine Kombination aus überdimensionalem Backofen und Kühlschrank simuliert extreme Temperaturbedingungen. Innerhalb weniger Minuten schwankt die Temperatur in ihm zwischen minus 45 und plus 85 Grad Celsius. Man wolle damit in erster Linie prüfen, wie sich Materialien bei solchen Bedingungen ausdehnen und zusammenziehen, erklärt ein Mitarbeiter des Labors beim futurezone-Besuch. Starke Bestrahlung durch UV-Strahlen müssen die Geräte im Test monatelang aushalten. 

Rüttel-Maschine im Garmin-Testlabor

Rüttel-Maschine im Garmin-Testlabor

Der größte Feind von Smartwatches sei allerdings anderer Natur. Menschliche Stoffe wie Schweiß oder Chemikalien wie Sonnencreme, Parfum oder Insektenschutz würden tragbaren Elektronikgeräten am meisten zusetzen, heißt es. Darum werden die Geräte im Testlabor auch damit intensiv in Berührung gebracht. 

Um mögliche Schäden durch die Belastungstests zu prüfen, nutzt das Unternehmen einen CT-Scanner, wie man ihn aus der Medizin kennt. Würde man die Uhren einfach aufschrauben, ist die Gefahr zu groß, dass alleine dadurch etwas passiert. 

Garmin-Hauptquartier in Kansas

Garmin-Hauptquartier in Kansas

100 neue Produkte pro Jahr

Dass den Testern im Labor in Kansas die Arbeit ausgeht, ist jedenfalls vorerst nicht wahrscheinlich. Rund 100 neue Produkte pro Jahr bringt Garmin auf den Markt, erklärt CEO Pemble. Das Entwickeln und Testen lässt man sich auch einiges kosten, 16 Prozent des Umsatzes fließen in Forschung und Entwicklung. 6.000 der knapp 22.000 Mitarbeiter arbeiten in dem Bereich. 

Neben der Luftfahrt und den Sportuhren stellt Garmin auch für Boote GPS-Produkte her. Angefangen vom kleinen Fischerboot bis hin zur Luxus-Jacht stattet das Unternehmen die Wasserfahrzeuge mit GPS-Systemen, Sensoren und sogar Audio-Systemen aus. 

Und, was viele nicht wissen, auch im Automotive-Bereich ist man vertreten. So ist heute jedes BMW-Auto mit einem Infotainment-System von Garmin ausgestattet. “Es ist für uns interessant, wenn wir Leidenschaft dafür haben”, sagt Pemble.

Kansas dürfte man jedenfalls treu bleiben. Während es durchaus eine Zeit gab, in der sich das Unternehmen schwertat, Mitarbeiter an den Standort zu locken, habe sich das zuletzt gewandelt, wie mehrere Garmin-Mitarbeiter beim Rundgang erzählen. Immer mehr Menschen würden das Leben in einem eher ländlicheren Gebiet bevorzugen. Auch die im Vergleich zu den Metropolen günstigen Preise für Wohnen dürften aber eine Rolle spielen.

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Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

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