Nespresso Vertuo im Test: Ein halber Liter Kaffee aus einer Kapsel
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Bei den meisten Nespresso-Maschinen hat man 3 Wahlmöglichkeiten, die bestimmen, wieviel Wasser die Maschine durch die Kapsel jagt. Je nach gewählter Kapsel und Größe kommen teils seltsame Geschmackserlebnisse heraus. Für manche ist zudem selbst die größte Größe nicht ausreichend. Da werden dann 2 Kapseln für den morgendlichen Kaffee benötigt.
Das neue System Vertuo Next (zur Nespresso-Vertuo-Website) will beide Probleme beseitigen, nimmt den Kunden aber die Wahlmöglichkeit an der Maschine weg. Ich habe die Vertuo Next Basic (UVP 149 Euro) getestet.
Kapseln mit Barcode
Die Vertuo-Kapseln sind größer als die üblichen Nespresso-Kapseln. Am Rand befindet sich ein Barcode. Beim Einlegen in die Maschine liest diese den Barcode und weiß, wie sie den Kaffee optimal brühen soll.
Das heißt, dass man als Konsument keinerlei Mitsprache hat. Es gibt nur eine Taste auf der Maschine, um die Zubereitung zu starten. Man kann nicht selbst wählen, wieviel Kaffee schlussendlich rauskommt: Das ist durch die Kapsel festgelegt.
Dementsprechend gibt es Kapseln in 6 Größen zu kaufen: 40ml, 80ml, 150ml, 230ml, 414ml und 535ml. Insgesamt stehen 30 Sorten zur Auswahl. Je nach Größe gibt es bei manchen weniger Auswahl. Für den Mug (230ml) gibt es etwa 15 Sorten, für die Karaffe (535ml) nur eine.
Die Preise reichen von 45 Cent pro Kapsel (Espresso, 40ml) bis zu 1 Euro pro Kapsel (Karaffe, 535ml). Das heißt: Wer lieber in der Früh einen größeren Kaffee trinkt und am Nachmittag einen Espresso, kann das nicht, wie beim normalen Nespresso-System, an der Maschine bestimmen. Stattdessen muss man die Vertuo-Kapseln in den entsprechenden Größen gekauft haben.
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Die Wahl der richtigen Tasse
Vorsicht bei der Wahl der Tassengröße: Auf den Verpackungen der Kapseln und den Kapseln selbst ist immer noch einmal die ml-Größe angeschrieben. Verwendet man eigene Tassen, empfiehlt sich vorher auszumessen, ob diese wirklich ausreichend Platz für die entsprechende Menge an Kaffee haben. Will man noch Milch hinzufügen, sollte das miteinberechnet werden.
Nespresso wäre es natürlich am liebsten, wenn man die offiziellen Tassen für die Vertuo-Maschinen kaufen würde. 2 Tassen plus Löffel kosten, je nach Größe, zwischen 23 und 28 Euro. Die Karaffe kostet 45 Euro.
Für den Test hat Nespresso die Gran-Lungo-Tassen (265ml Fassungsvermögen, gedacht für die 150ml-Kapseln), die Mug-Tassen (390ml Fassungsvermögen, gedacht für die 230ml-Kapseln) und die Karaffe (610ml Fassungsvermögen) zur Verfügung gestellt. Der Extra-Platz in den Tassen ist für die optionale Zugabe von Milch und um nichts zu verschütten. Niemand mag eine zu volle Tasse heißen Kaffee, die schlaftrunken am Morgen zum Mund geführt wird und dabei überschwappt.
Alles ist geschirrspülerfest, inklusive Silikondeckel und -riemen der Karaffe. Die Qualität ist gut, besonders die doppelwandige Karaffe sieht ansprechend aus. Sie hält die Wärme gut, der Abtropfschutz funktioniert ebenfalls. Sollte mal wirklich ein Tropfen daneben gehen, landet er im Silikonriemen (zum Einschenken, damit man nicht die warme Kanne angreifen muss) statt am Frühstückstisch.
Die Maschine
Die Maschine hat den Namen Basic voll verdient. Sie sieht zwar ansprechend aus, aber alles ist aus Plastik. Die Abtropftasse aus Plastik wird einfach nur in eines der 3 Aufnahmelöcher gesteckt, ohne einzurasten. Ein Display gibt es nicht. Die Anzeige erfolgt lediglich über das Leuchten in Weiß oder Orange der einzigen Taste an der Maschine, die oben in der Mitte ist. Der abnehmbare Wassertank fasst einen Liter.
Zum Einlegen der Kapsel wird der Hebel an der Oberseite nach rechts geschoben. Der Deckel springt auf und wirft die zuvor eingelegte Kapsel automatisch nach hinten in das Reservoir aus. Dieses fasst 10 bis 12 Kapseln (je nach Größe) und wird zum Entleeren zur linken Seite hin aus der Maschine entnommen. Nachdem die neue Kapsel eingelegt ist, wird der Deckel geschlossen und der Hebel nach links zum Verriegeln geschoben.
Trotz Bluetooth, WLAN und App wenig smart
Obwohl die Maschine Bluetooth und WLAN unterstützt, ist sie überhaupt nicht smart. So kann sie etwa lediglich zwischen „Wasser“ und „kein Wasser“ unterscheiden. Da die Maschine die Kapsel scannt und damit schon vor dem Brühvorgang genau weiß, wie viel Wasser sie benötigt, wäre es smart, wenn sie Alarm gibt, wenn im Tank nicht mehr genügend Wasser vorhanden ist.
So kann es sein, dass man eine Karaffe zubereiten will und dazwischen das Zimmer verlässt, um etwas anderes zu erledigen. Die Brühzeit beträgt nämlich knapp dreieinhalb Minuten. Ist nicht genug Wasser in der Maschine, hört sie mitten in der Zubereitung auf. Man kommt zurück, wundert sich, wieso die Kanne nur halb voll ist und fragt sich, was das orange Licht bei der Taste bedeutet. Die Lösung laut Nespresso: Immer in der Früh vor der ersten Zubereitung den Tank mit frischem Wasser befüllen.
Die dazugehörige Nespresso-App liefert kaum Mehrwert. Um beim Wasserbeispiel zu bleiben: Tippt man in der App auf „Wasser“, wird ein Bild mit einer Füllleiste angezeigt. Darunter ist „Ausreichender Wasserstand“ zu sehen. Das Bild ist aber statisch und damit irreführend. Selbst, wenn der Tank vor der Zubereitung komplett leer ist, sieht man dasselbe Bild und denselben Text. Der Status in der App wird erst auf „leer“ gewechselt, wenn die Maschine während der Zubereitung stoppt, weil sie kein Wasser mehr aus dem Tank bekommt.
Ansonsten bietet die App automatische Firmware-Updates, die vermutlich nötig sind, wenn neue Sorten von Kapseln erscheinen, und eine Anleitung für das Entkalken. Die Möglichkeit einer Zeiteinstellung, damit die Maschine etwa um 6:30 Uhr automatisch den ersten Kaffee macht, oder andere Spielereien gibt es nicht. Die Vertuo-Maschinen „Next Premium“ (179 Euro) und „Next Luxus“ (199 Euro) bieten keine zusätzlichen Funktionen gegenüber dem Basic-Modell. Sie haben lediglich mehr Komponenten aus Metall.
Kaffee mit viel Crema
Für den Test hat Nespresso Kapseln in 4 Größen (80ml, 150ml, 230ml, 535ml) zur Verfügung gestellt. Nespresso verspricht „besonders reichhaltige Crema“ dank „Centrifusion Technologie“. Das Versprechen wird übererfüllt. Die Maschine erzeugt eine große Portion fester Crema. Bei der Mug-Größe (230ml) ist in der Tasse fast dieselbe Füllhöhe Crema wie Kaffee.
Das sieht eindrucksvoll aus in der durchsichtigen Tasse, besonders wenn man Gäste hat. Gibt man schon vorher etwas Milch ins Glas, sorgt das ebenfalls für einen netten optischen Effekt. Für den tatsächlichen Kaffeegenuss ist soviel Crema aber schon zuviel. Nespresso empfiehlt deshalb zurecht, die Crema vor dem Trinken einzurühren. Deshalb sind bei den offiziellen Tassen auch passende Löffel dabei.
Besonders wichtig ist das Umrühren bei der Karaffe. Da hier ein Filterkaffee simuliert wird, wird fast 2 Minuten heißes Wasser, mit kaum Kaffee, beim Brühen heruntergelassen. Durch das Umrühren (ein langer Löffel ist im Lieferumfang enthalten) vermischen sich die Schichten. Rührt man nicht um, werden die ersten Tassen wässrig schmecken und die letzten fast schon zu intensiv.
Geschmack des Kaffees
Über Geschmack lässt sich nicht nur streiten, es wird gestritten. Da für den Test nur 4 von 30 Sorten zur Verfügung gestellt wurden, werde ich nicht darauf eingehen, ob es gut oder schlecht geschmeckt hat.
„Double Espresso Scuro“ (80ml) und „Master Origins Costa Rica“ (150ml) haben für mich einen typischen Nespresso-Geschmack, wie man ihn auch von den Original-Kapseln kennt. Gemessen an der Menge des Kaffees ist das positiv zu sehen: Klassischer Geschmack bei 150ml, ohne dass der Kaffee verwässert wirkt. Klassisch Nespresso ist auch, dass Pulverrückstände in der Tasse zurückbleiben.
„Master Origins Colombia“ (230ml) ist sehr fruchtig, ohne unangenehme Säure – also so, wie von Nespresso auf der Website beschrieben. Der Kaffee ist angenehm zu trinken, wobei man sich die Frage stellen muss, ob man in der Früh tatsächlich gleich einen viertel Liter fruchtigen Kaffee trinken will, oder ob das eher ein „Vormittags im Homeoffice“-Getränk ist. Man könnte auch ein Sommergetränk daraus machen: Die Karaffe zur Hälfte mit Eiswürfeln füllen und dann diesen Kaffee drauflassen = Cold Brew Imitation.
Die Karaffe-Kapsel „Pour-Over Style“ (535ml) ist eine gelungene Imitation eines Filterkaffees, wobei Kenner den Unterschied zu einem echten Filterkaffee herausschmecken werden. Es ist jedenfalls beeindruckend, dass aus einer Kapsel ein halber Liter Kaffee herauskommt, der tatsächlich nach Kannenkaffee schmeckt und nicht verwässert ist. Das macht sich gut beim Familienfrühstück. Die Zubereitungszeit von dreieinhalb Minuten für 535ml ist zudem angemessen. Filtermaschinen benötigen üblicherweise 8 bis 10 Minuten für einen Liter Kaffee. Außerdem erspart man sich durch das Kapselsystem das Herumhantieren mit Kaffeepulver und Filter.
Nespresso verspricht Besserung beim Umweltschutz
Auch die Vertuo-Kapseln bestehen aus Aluminium, was nicht gut für die Umwelt ist. Bis Ende 2021 will Nespresso die Kapseln aus 80 Prozent recyceltem Aluminium herstellen. Verbrauchte Kapseln können gesammelt und zum Recycling in Nespresso-Stores abgegeben werden.
Die Maschine selbst besteht zu 54 Prozent aus recyceltem Kunststoff, die Verpackung besteht zu 99,5 Prozent aus recyceltem Material.
Wer dennoch ein schlechtes Gewissen hat, kann das Argument nutzen, dass aus einer Vertuo-Kapsel mehr Kaffee rauskommt, als aus einer herkömmlichen Nespresso-Kapsel. Das Argument zieht aber nur, wenn man tatsächlich nur einen 230ml-Vertuo-Kaffee in der Früh trinkt, statt etwa 2 Kaffees aus einer normalen Nespresso-Kapsel. Selbst dann hinkt die Gleichung, da die Vertuo-Kapseln größer als die normalen Kapseln sind und dementsprechend aus mehr Aluminium bestehen.
Fazit
Das Vertuo-System ist für alle, die so bequem wie möglich so viel Kaffee wie möglich haben wollen. Wer ohnehin nur Espresso und Double Espresso trinkt, braucht die Vertuo nicht, sondern kommt mit einer normalen Nespresso-Maschine aus.
Bevorzugt man in der Früh eine große Tasse Kaffee oder füllt sich sein Heferl gern voll, um beim Arbeiten nebenbei daran zu nippen, ist Vertuo die richtige Wahl. Mit den Karaffen-Kapseln kann man zudem nicht nur relativ einfach die Familienbande beim Frühstück mit Kaffee versorgen, sondern bei Bedarf auch eine Thermoskanne befüllen, um beim Außeneinsatz koffeiniert zu bleiben.
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