Start-up verkauft Heizung, die nach Kryptowährung schürft
Rechenzentren verbrauchen eine enorme Menge an Energie. Schuld daran sind nicht nur die Chips selbst, die auf Hochtouren laufen, sondern auch die benötige Kühlung.
Im industriellen Maßstab gibt es Projekte, um etwa die Abwärme von Rechenzentren zum Beheizen von Schwimmbädern, Fabrikhallen oder Krankenhäusern zu nutzen. Das französische Start-up Hestiia will dieses Prinzip in die eigenen 4 Wände bringen.
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Heizen mit Computerchips
Der Elektroheizkörper MyEko wird an der Wand angebracht, wie ein gewöhnlicher Heizkörper. Das Gehäuse besteht aus recyceltem Kunststoff. Im Inneren sind keine klassischen Heizelemente, sondern Computerchips. Diese stammen aus Rechenzentren und wurden ausgemustert, weil sie durch neuere Chips ersetzt wurden.
Die Platine für die Chips wurde von Hestiia selbst entwickelt. Leitfähige Schichten und Kühlkörper mit Heatpipes leiten die Wärme weg von den Chips nach außen. Das Design soll dafür sorgen, dass die Wärme sowohl durch Konvektion an die Raumluft abgegeben wird als auch durch Wärmestrahlung.
Smarte Heizungssteuerung per App
Bedient wird MyEko per Smartphone-App, so ähnlich wie ein smartes Thermostat. Durch den Algorithmus im Hintergrund und die Anpassung an die User*innengewohnheiten soll effizient geheizt werden. So heizt MyEko etwa die Wohnung auf, bevor man von der Arbeit nachhause geht und wenn der Strom noch günstig ist – etwa weil untertags genügend Solarstrom ins Netz eingespeist wird. Wird der Verbrauch eines anderen Elektrogeräts erkannt, das passiv Wärme erzeugt, wie etwa der Elektroofen, wird das Heizen vorübergehend gestoppt.
Sobald geheizt wird, beginnen die Chips zu arbeiten. Dazu verkauft Hestiia die Rechenleistung an Unternehmen, in der Form von Distributed Computing. Das heißt, der MyEko muss mit dem WLAN verbunden werden. Laut dem Start-up reicht eine mittelschnelle Internetanbindung, Glasfaser ist nicht nötig.
Heizkörper schürft nach Kryptowährungen
Wofür die Rechenleistung tatsächlich genutzt wird, kann die Heizungsbesitzer*in nicht entscheiden. Als Beispiel nennt Hestiia etwa Kalkulationen für 3D-Modelle, Forschung, Trainieren von KI und Blockchain.
Mit letzterem dürfte auch das Schürfen von Kryptowährungen gemeint sein. Das wirkt etwas ironisch, weil Hestiia den Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekt auf seiner Website so stark hervorhebt. Alleine Bitcoin verbraucht jährlich 127 Terawattstunden Strom. Wäre Bitcoin ein Land, wäre es damit auf Platz 32 der größten Energieverbraucher – gleichauf mit Argentinien.
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Beteiligung an den Einnahmen für die Rechenleistung
Immerhin werden die Nutzer*innen an den Umsätzen durch das Distributed Computing beteiligt. Hestiia zahlt MyEko-Besitzer*innen 4,1 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde. Dies würde 18 Prozent des französischen Strom-Richtpreises entsprechen. Laut Hestiia hat MyEko 1.000 Watt Leistung und verbraucht nicht mehr Energie als eine herkömmliche Elektroheizung. Deshalb würde man mit den Zahlungen von Hestiia direkt Heizkosten sparen.
Demgegenüber stehen die hohen Anschaffungskosten von 990 Euro pro Heizkörper. Zum Vergleich: Elektrische Konvektor-Heizgeräte für 20 Quadratmeter gibt es bei Amazon ab 150 Euro. Für wie viele Quadratmeter ein MyEko reicht, nennt Hestiia auf seiner Website nicht.
Fragwürdige Zukunftssicherheit
Außerdem ist die Frage, ob MyEko auf Dauer tatsächlich effizient ist. Heizkörper hat man üblicherweise viele Jahre. Selbst elektrische Heizkörper werden 10 bis 20 Jahre genutzt. Die Chips in MyEko sind aber bereits gebraucht und wurden ausgemustert: Ob die auch noch in 10 Jahren funktionieren und die gewünschte Effizienz liefern, ist zweifelhaft. Wenn Hestiia deshalb etwa den Preis für die ausbezahlten Kilowattstunden senkt, weil die Rechenleistung sinkt, oder inflationsmäßig die Auszahlungen nicht anpasst, sinken die Einsparungen.
Zudem ist die Chance hoch, dass es in 5 Jahren weitaus effizientere Geräte gibt. Einen 150 Euro teuren Heizkörper tauscht man dann mal schneller aus, als einen, der 990 Euro gekostet hat. Und dann gibt es noch das Risiko, dass Hestiia in ein paar Jahren in Konkurs ist. Ob der MyEko per Patch zu einem simplen Elektroheizkörper wird oder vielleicht gar nicht mehr per App kontrolliert werden kann und damit funktionsunfähig wird, ist nicht abzusehen.
Vorerst nur in Frankreich erhältlich
Vorerst ist MyEko nur in Frankreich erhältlich. Weitere Länder sollen folgen. Mit der Auslieferung von 230 vorbestellten Einheiten wird im Februar begonnen.
Wer jetzt vorbestellt, wird voraussichtlich im September 2024 einen MyEko erhalten. Das Ziel von Hestiia ist, jährlich 1.000 bis 2.000 Stück zu verkaufen.
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