Die Forscherin Birgitta Schultze-Bernhardt (TU Graz) forscht, wie man mit Laser Stoffe messen kann.

Die Forscherin Birgitta Schultze-Bernhardt (TU Graz) forscht, wie man mit Laser Stoffe messen kann. 

© Lunghammer/TU Graz

Science

Abgassünder erkennen: Laser misst Luftverschmutzung in Echtzeit

Das „Dieselgate“ sorgte 2015 für einen weltweiten Skandal: Volkswagen hatte Neuwagen technisch so manipuliert, dass diese bei behördlichen Abgasprüfungen weniger schädliche Stoffe ausstießen als im regulären Fahrbetrieb auf der Straße.  

Nach der Zulassung fällt derzeit kaum auf, wenn ein Fahrzeug mehr Schadstoffe ausstößt als ein anderes. Die Belastung unserer Umwelt mit Luftschadstoffen wird momentan nur grobmaschig von Behörden überwacht. Wenn es nach der Physikerin Birgitta Schultze-Bernhardt von der TU Graz geht, soll sich das jedoch ändern. 

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Abgase von Autos

Schultze-Bernhardt entwickelt derzeit ein neuartiges, tragbares Gerät, das dank einer speziellen Lasertechnologie in Echtzeit mehrere Schadstoffe gleichzeitig überwachen kann. Etwa an einer Kreuzung: „Unser Gerät wäre so empfindlich, dass wir die Abgasphase von jedem einzelnen Auto beim Vorbeifahren messen können. Damit könnten wir für jedes individuell bestimmen, wie die Abgaskonzentration in Echtzeit beim Vorbeifahren ist“, erklärt Schultze-Bernhardt der futurezone.

Die Idee entstand, als sie sich im Labor mit der Wechselwirkung von Licht mit bestimmten Gasen beschäftigte, die in der Umwelt vorkommen. Das Herzstück ihres neuen Messgeräts wird ein Dualkamm-Spektrometer – eine laserbasierte Messtechnologie, die sie selbst in einem Vorgängerprojekt entwickelt hat. Damit sie ihre Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zu einer praktischen Anwendung weiterentwickeln kann, erhielt die Forscherin vom Europäischen Forschungsrat nun für 18 Monate einen sogenannten Proof-of-Concept-Grant in der Höhe von 150.000 Euro für das Projekt „Multi Trace“.

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Aus dem Auspuff eines Autos strömt Rauch.

Derzeit lassen sich jene, die die Umwelt stärker verpesten als andere, kaum aufspüren. Ein neues Messgerät aus Österreich könnte das ändern. 

Raus aus dem Labor

Während solche Messungen bis vor Kurzem nur im Labor möglich waren, sind sie nun in fast jeder Umgebung durchführbar. „Letztes Jahr haben wir bereits eine erfolgreiche Messung von Stickstoffdioxid in der Grazer Innenstadt durchgeführt. Auf Anhieb waren wir dabei schon etwas besser als die kommerziellen Geräte, die das Bundesamt und das Land Steiermark zum Monitoring verwenden“, sagt die Physikerin. 

Die momentan eingesetzten Messgeräte seien nicht nur langsamer, sondern auch ineffizienter. „Es gibt keine Geräte, die viele Gase gleichzeitig messen können. Derzeit braucht man für jedes Schadstoffgas ein eigenes“, sagt Schultze-Bernhardt. Ihr neues Gerät soll außerdem unkomplizierter und kompakter sein.  

Fakten

Der Laser ist ein sogenannter Frequenzkamm – ein hochpräzises Messinstrument, mit dem man die Farbe von Licht (Frequenz) genau messen kann.

Anfang der 2000er waren diese Laser noch vier Quadratmeter groß, inzwischen gibt es sie auch mit Mikrometer Durchmesser. Bei Teleskopen oder Satelliten werden sie schon verwendet.

91 Substanzen gelten in Österreich als Schadstoffe. Luftverschmutzung ist auch hierzulande eine Gesundheitsgefahr:  2022 starben 3.321 Personen an den Folgen, sagt die  Europäischen Umweltbehörde.

Farben in der Luft

„Man kann es sich so vorstellen wie einen Schuhkarton, aus dem ein sehr, sehr schwacher Laserstrahl herauskommt. Diesen schicken wir einfach über eine gewisse Strecke, die uns interessiert“, erläutert Schultze-Bernhardt. 

„Je nachdem, welche Gase dort enthalten sind, verschluckt die Luft die verschiedenen Farben des Laserlichts ganz individuell.“ Dieses Licht wird dann von einem Reflektor zurückgeworfen und trifft auf einen Detektor. „Durch die Analyse des übrig gebliebenen Lichts können wir sagen, welche Gase in dieser Luft enthalten sind und in welcher Konzentration“ erklärt die Forscherin.

Das entwickelte Gerät soll vorerst 3 Stoffe zuverlässig messen können. Darunter Ozon und Stickstoffdioxid, die oft durch Verkehr und Industrie in die Umwelt gelangen, sowie einen dritten Stoff, den Schultze-Bernhardt aus patentrechtlichen Gründen nicht verraten will. Anschließende Umgebungstests sollen zeigen, dass das Messgerät zuverlässig arbeitet. 

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Ein vorgefertigtes Wandelement mit Fenstern wird mit einem Kran angehoben.

Schadstoffe können etwa auch von Fertigteilhäusern oder Möbeln aus Spanplatten freigesetzt werden und gesundheitsschädlich sein. 

Diabetiker-Atem

Obwohl sich Schultze-Bernhardt bei ihrem Prototyp auf die Messung dieser 3 Gase beschränkt, kann mit der Lasertechnologie im Grunde eine Vielzahl von Stoffen gleichzeitig erfasst werden. Die Forscherin sieht auch abseits der Schadstofferkennung Anwendungsmöglichkeiten

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Die Technologie könnte man beispielsweise auch für sogenannte physiophysikalische Anwendungen in der Medizin nutzen: „Auch biologische Zellen verschlucken Licht auf individuelle Art und Weise. Man könnte Zellen analysieren und feststellen, ob sie gesund sind oder diese vielleicht eine Krebserkrankung haben“, meint die Physikerin. 

Andere Forscher hätten etwa bereits gezeigt, dass man mit einer solchen Technologie Diabetikerinnen und Diabetiker anhand eines erhöhten Acetongehalts in der ausgeatmeten Luft erkennen könnte. „Dieses Potenzial ist riesig. Und ich freue mich jetzt darauf, das anzugehen und mit dem Proof-of-Concept-Grant umzusetzen“, sagt Schultze-Bernhardt.

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