"Bitcoin ist blind, taub und dumm"
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Wenn es um Kryptowährungen geht, dominiert Bitcoin die öffentliche Wahrnehmung. Was dabei übersehen wird, ist die Vielzahl an Projekten, die mehr als ein digitales Zahlungsmittel oder eine reine Wertanlage sein wollen. So auch die Kryptoplattform Cardano mit ihrer eigenen Währung ADA. Gründer Charles Hoskinson gab der futurezone ein Interview.
futurezone: Der Krypto-Markt boomt. Viele haben von der Technologie aber keine Ahnung. Worum geht es?
Charles Hoskinson: Im Prinzip geht immer um ein Netzwerk, in dem sich Personen vertrauen können. Dabei spielt es keine Rolle, ob man Geld überweist, elektronisch wählt oder beweisen will, dass einem sein Haus gehört. Auch um die Lieferkette eines Produktes fälschungssicher zu dokumentieren, können Kryptowährungen bzw. die darunterliegende Blockchain-Technologie verwendet werden.
Funktioniert das alles nicht jetzt schon elektronisch?
Bei bestehenden Lösungen ist man immer von einer zentralen Stelle abhängig, die die Regeln vorgibt – Monopolfirmen wie Google oder Microsoft, ein Konsortium oder eine Regierung. Durch den dezentralen Aufbau von Blockchain-Netzwerken fällt der zentrale Akteur weg, die Macht wandert an die Ränder zu den Nutzern, seien es Privatpersonen oder Firmen.
Was macht es eigentlich so schwierig, den Nutzen von Kryptotechnologien zu erklären?
Wer 1992 erklären musste, wie das Internet funktioniert, hat sich ähnlich schwergetan. In dem Moment, als man einen Browser nutzen konnte, und es YouTube, Facebook, Google und Amazon gab, hat jeder verstanden, wozu das Internet gut ist. So ist es auch bei Krypto.
Bitcoin ist bereits etabliert, warum also auf Cardano setzen oder in ADA investieren?
Bitcoin ist blind, taub und dumm. Es ist die am wenigsten entwickelte und langsamste Kryptowährung und kann vieles, was ich eingangs aufgezählt habe, nicht. Selbst als Zahlungsmittel ist es wenig geeignet. Niemand wacht in der Früh auf und denkt sich, heute zahle ich mein Schnitzel mit Bitcoin. Es kann als Wertsicherung Gold ersetzen – dafür ist es ziemlich gut.
Mit welcher Kryptowährung werden wir künftig dann zahlen?
Einem Netzwerk wie Cardano ist es egal, ob man die unsere ADA-Währung, Bitcoin, Silber-Token oder einen von der Zentralbank ausgegebenen digitalen Euro verwendet. Man bezahlt, womit man will und auch der Empfänger kann sich frei aussuchen, in welcher Währung die Transaktion ankommt. Anders als im jetzigen System funktioniert das aber in Echtzeit und um einen Bruchteil der Kosten, die derzeit etwa eine internationale Überweisung kostet.
Und Sie glauben, die Banken sind dafür offen?
Ja, weil sie mit dem traditionellen Bankgeschäft mit Negativzinsen und Kreditvergaben kein Geld mehr verdienen. Darüber hinaus müssen sich dann nicht mehr um die aufwändigen und teuren Prozesse hinter den Transaktionen kümmern, sondern können sich auf ihre Kundschaft konzentrieren und sie bei Vermögensaufbau und -Verwaltung unterstützen. Sie haben zudem keine wirkliche Wahl. Unter 35-Jährige investieren Studien zufolge doppelt so gern in Krypto-Assets wie in Fonds oder Aktien. Krypto wird nicht verschwinden.
Der Markt ist und bleibt hoch spekulativ, der nächste große Crash lauert stets um die Ecke.
Das war schon bei der Dotcom-Blase so. Der Markt tut sich schwer damit, neue Technologien richtig einzupreisen. In der ersten spekulativen Phase werden sie meist überbewertet. Nach dem Crash folgt eine Periode, in der sie unterbewertet sind. Die Amazon-Aktie hat 11 Jahre gebraucht, um den Höchststand von 2000 zu erreichen. Die Firma dahinter wurde in der Zwischenzeit aber vom Buchhändler zum Weltkonzern mit ausgeklügelter Logistik, Rechenzentren, künstlicher Intelligenz und Lieferdrohnen.
Das heißt, vor dem nächsten Crash fürchten Sie sich nicht?
Nur weil es zu einer spekulativen Blase kommt, die dann wieder platzt, entwertet das nicht die Langzeit-Vision der Technologie bzw. der Krypto-Industrie. Mit jedem Zyklus kommen aber neue demografische Gruppen dazu. 2017 hätte keine Finanzinstitution oder ein Konzern wie Tesla Bitcoin angegriffen. Das ist heute ganz anders. Und bei der nächsten Welle werden Zentralbanken dabei sein.
Was hinter Cardano steckt
Das 2015 ins Leben gerufene Projekt versteht sich als Kryptoplattform der 3. Generation. Während Bitcoin in den vergangenen 11 Jahren bewiesen hat, dass das dezentral organisierte und mit Kryptografie gesicherte System nicht manipuliert werden kann, zeigte die später gegründete Kryptoplattform Ethereum, was über solche Netzwerke alles möglich ist. Heute setzen diverse Projekte, aber auch etliche Kryptowährungen auf dem Netzwerk auf.
Der ungeahnte Erfolg führte allerdings nicht nur dazu, dass der Wert der eigenen Währung Ether in die Höhe schoss. Durch die Überlastung des Netzwerks und teils veraltete Technologien schnellten auch die Gebühren unkontrolliert in die Höhe, was für Nutzer und die auf dem Ethereum-Netzwerk angesiedelten Projekte zum Problem wird.
Bessere Alternative
Mit Cardano wollte Gründer Charles Hoskinson nach seinem Ausstieg aus dem Ethereum-Projekt eine neue Plattform gründen, die die technischen Schwächen von Bitcoin und Ethereum behebt und besonders schnell, sicher, energieeffizient und günstig ist. Auch Milliarden von Nutzern sollten kein Problem für das System darstellen. Um das zu erreichen, wählte er einen wissenschaftlich geprägten Weg. Jahrelang wurden zunächst die technischen Herausforderungen gelöst. Nun steht die Plattform kurz davor, um andere Kryptowährungen und Projekte über das eigene Netzwerk abzuwickeln.
Als wichtiger Zukunftsmarkt für Cardano gilt Afrika. Dort soll die Plattform den wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung vieler Länder durch digitale Aufrüstung ankurbeln und so Benachteiligungen im globalen Wirtschafts- und Finanzsystem ausgleichen. Die Entwicklung und Umsetzung von Cardano und der dazugehörigen Währung ADA wird von der gemeinnützigen Cardano Foundation mit Sitz in der Schweiz sowie der Technologiefirma Input Output (IOHK) abgewickelt.
Ein Kritikpunkt an Cardano ist, dass das Projekt wissenschaftlich äußerst fundiert ist, aber sehr lange brauchte, um funktionsfähig zu sein.
Unser Team hat über 100 wissenschaftliche Arbeiten geschrieben, wir haben Labore an Universitäten in Edinburgh, Athen, Tokio und Wyoming. Wer eine neue Basis für das globale Finanzsystem schaffen und sicherstellen will, dass die digitale Identität, Privatsphäre, aber auch Geldmittel sicher sind, ist gut beraten, das gründlich vorzubereiten. Wenn man zu schnell unterwegs ist und dann etwas schiefgeht, zahlen die Konsumenten drauf, das sieht man aktuell bei Ethereum.
Inwiefern?
Ethereum hatte 2 Jahre Vorsprung auf uns, was das Staking-Modell betrifft. Trotz des Milliarden Dollar schweren Ökosystems, viel mehr Entwickler*innen und des Netzwerkeffekts, wird Ethereum 2.0 ein ums andere Mal verschoben. Sie haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht und auf Treibsand gebaut. Sie bauen Prototyp um Prototyp und wenn es nicht funktioniert, müssen sie wieder von vorne anfangen.
Nicht immer setzt sich aber die beste Technologie durch.
Das mag bei Produkten und Geräten zutreffen, wir reden aber über technische Protokolle, die jahrzehntelang von Milliarden Menschen verwendet werden sollen. Ein wissenschaftsbasiertes Fundament zu schaffen, ist am Ende der bessere und schnellere Weg. Außerdem bin ich erst 33 Jahre alt. Bis alles abgearbeitet ist, was ich mir vorstelle, werde ich 50 oder 60 sein. Gelingt es, wird die Welt eine bessere für alle sein.
Von Anfang lag Ihnen Afrika besonders am Herzen. Warum eigentlich?
Mich hat immer frustriert, dass wir in einem globalen Zwei-Klassen-System leben. Wir haben Zugang zu Bankkonten, können uns Geld ausleihen, um auf die Uni zu gehen, eine Firma zu gründen oder ein Auto zu kaufen. Wer in manchen Regionen im Senegal oder in Äthiopien geboren ist, kann noch so clever und fleißig sein. Er oder sie hat dennoch keinen Zugang zu Krediten, kann Vermögen aufbauen oder international Handel treiben.
Welche konkreten Probleme kann Cardano in Äthiopien lösen?
Stellen Sie sich vor, Ihre Familie baut seit Hunderten Jahren Kaffee an. Starbucks kauft nun aber nur mehr Bohnen, die nachhaltig und fair produziert sind. Sie müssen das auf digitalem Weg irgendwie beweisen können. Und das geht mit so einem nicht manipulierbaren, dezentralen Netzwerk wie Cardano.
In einigen Jahren könnte der Kaffeeproduzent auch direkt mit Kund*innen in Europa in Kontakt treten. Man könnte dann etwa beim Kauf- und Bezahlvorgang Trinkgeld geben oder Feedback hinterlassen, welche Sorte die beste ist - und das alles, ohne von einem zentralen Akteur abhängig zu sein, der den Zugang zu Märkten nach Belieben kontrolliert.
Was sind andere Anwendungsszenarien?
Cardano kann aber auch verwendet werden, um eine nationale Börse aufzubauen, um Menschen einfachen Zugang zu Krediten zu geben, sie wählen zu lassen oder ihre Gesundheitsdaten sicher zu speichern. Einige dieser Problemstellungen gibt es selbst bei uns in den USA. Wenn ich zum Beispiel legal im Bundesstaat Colorado mit Cannabis handle, werde ich von Banken in anderen Bundesstaaten, in denen das Geschäft mit Cannabis verboten ist, dennoch bei Transaktionen ausgesperrt.
Sie haben mehrfach angedeutet, dass Cardano in Afrika vor einem großen Durchbruch steht. Was ist geplant?
In einigen Tagen werden wir einen riesigen Deal in Äthiopien bekannt geben, der 5 Millionen Menschen betrifft. Es geht darum, die digitale Identität der Bürger über das Cardano-Netzwerk umzusetzen. Wir sind aber auch mit anderen Regierungen in Afrika, der Mongolei, Georgien und der Ukraine im Gespräch. Das ist alles erst der Anfang.
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