China gibt grünes Licht für den ersten Thorium-Reaktor
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In China wird in Kürze der erste Thorium-Reaktor seinen Betrieb aufnehmen. Dabei handelt es sich um einen Flüssigsalzreaktor. Diese nutzen als Treibstoff geschmolzenes Salz statt Uran.
Der Reaktor heißt TMSR-LF1 und befindet sich im Nordwesten Chinas, in der Wüste Gobi. Die chinesische Atomenergie-Aufsichtsbehörde hat einen Betrieb für 10 Jahre genehmigt, berichtet South China Morning Post.
Es handelt sich um einen Reaktor des Shanghai Institute of Applied Physics (SINAP) mit einer Leistung von 2 Megawatt. Durch seinen Betrieb sollen Erkenntnisse gewonnen werden, die bei der Entwicklung fortschrittlicherer und leistungsstärkerer Flüssigsalzreaktoren helfen.
Früher fertiggestellt als erwartet
Das Projekt wurde 2011 gestartet. Mit dem Bau begann 2018. Die Bauphase wurde für 6 Jahre geplant. Die Arbeiten gingen schneller voran als erwartet, weshalb TMSR-LF1 schon nach 3 Jahren fertiggestellt war.
Danach haben die Behörden über 2 Jahre lang den Flüssigsalzreaktor überprüft. Vermutlich war die Regierung dabei extra gründlich. Schließlich handelt es sich dabei nicht nur für China um eine Premiere. Wenn der Reaktor im Regelbetrieb läuft, wäre das der weltweit erste Thorium-Reaktor, der dieses Ziel erreicht hat. Bisherige Versuche anderer Länder gingen nicht über die experimentelle Phase hinaus.
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Wichtige Sicherheitstests stehen noch an
Nachdem der Reaktor erstmals mit Brennstoff befüllt wird, müssen laut der Behörde wichtige Tests abgehalten werden. Dazu gehört das erste Annähern an den kritischen Zustand. Der kritische Zustand ist der Normalzustand für einen Nuklearreaktor, bei dem die nukleare Reaktion in der Form einer Kettenreaktion abläuft und selbsterhaltend ist. Das Erreichen dieses Zustands ist ausschlaggebend für das Hochfahren des Reaktors. Der Prozess muss besonders genau ausgeführt werden, um eine sichere Funktion zu gewährleisten.
Bei anderen Tests wird der Reaktor absichtlich im laufenden Betrieb ausgeschaltet oder seine Leistung auf unter 90 Prozent der Maximalleistung heruntergefahren. Damit soll sichergestellt werden, dass bei einem unkontrollierten Zwischenfall die Sicherheitsmechanismen korrekt anspringen.
Vorteile von Flüssigsalzreaktoren
Flüssigsalzreaktoren gelten als die besseren Nuklearreaktoren. Sie sind per Design sicherer, weil es nicht zu einer Kernschmelze kommen kann. Denn wie der Name bereits suggeriert, hat der Kern eine bereits geschmolzene Form.
Außerdem wird nur noch eine geringe Menge spaltbares Material benötigt, um die Kettenreaktion zu beginnen. Der übrige Brennstoff kommt in der Form von nicht-spaltbarem Material – in diesem Fall Thorium, vermischt mit Lithiumfluorid und Berylliumfluorid.
Dadurch kommt es zu weniger Atommüll. Berechnungen von chinesischen Wissenschaftlern zufolge, sollte beim Betrieb eines Thorium-Reaktors 1.000 Mal weniger radioaktiver Abfall entstehen, als bei herkömmlichen Atomreaktoren. Der strahlende Müll soll zudem „nur“ einige Hundert Jahre gefährlich sein, während es bei Uran über 10.000 Jahre sind.
Häufiger und effizienter
Thorium kommt 3 Mal häufiger als Uran auf der Erde vor. Die Menge entspricht in etwa den natürlichen Vorkommen von Blei. Chinas Berechnungen zufolge habe man genügend Thorium-Reserven, um den gesamten Energiebedarf des Landes für 20.000 Jahre zu decken.
Berechnungen zufolge ist Thorium sehr effizient. Laut dem CERN könne man mit einer Tonne Thorium so viel Energie erzeugen wie mit 200 Tonnen Uran oder 3,5 Millionen Tonnen Kohle.
Da die geschmolzenen Salze sowohl Brennstoff als auch Kühlmittel sind, wird weniger Wasser zur Reaktorkühlung benötigt. Dadurch könnten Flüssigsalzreaktoren in Gegenden gebaut werden, in denen kein Meer oder fließendes Gewässer zur Verfügung stehen, um Wasser zur Kühlung zu entnehmen.
Nachteile
Auch wenn Flüssigsalzreaktoren in nahezu allen Belangen besser als normale Atomreaktoren erscheinen, sind es immer noch Nuklearreaktoren. Auch wenn weniger Atommüll anfällt, muss dieser endgelagert werden.
Im Betrieb kann unter Umständen Gammastrahlung entstehen, die tödlich für Menschen sein kann.
Aus wirtschaftlicher Sicht ist das Entwickeln einer neuen Technologie für Kernspaltung sehr teuer – auch wegen der langen Prüfungen und Studien, um deren Sicherheit gewährleisten zu können. Das Finden eines geeigneten Standortes und das Errichten eines Reaktors sind ebenfalls teuer.
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Kompakter Thorium-Reaktor ist in Arbeit
Zumindest für das letzte Problem wird an einer Lösung gearbeitet. SINAP entwickelt, am selben Gelände wie TMSR-LF1, einen kompakten, modularen Thorium-Reaktor. Solche Reaktoren könnte man in Massenproduktion in einer Fabrik herstellen und dann zum Einsatzort transportieren. Das würde die Kosten deutlich reduzieren.
Für reguläre Reaktoren werden die einzelnen Teile meist in verschiedenen Anlagen maßangefertigt. Dann müssen sie mit aufwändigen Schwertransporten zum Kraftwerks-Standort gebracht, wo sie dann ebenso zeitaufwändig zusammengebaut werden.
China plant, die kompakten Thorium-Reaktoren zu exportieren. Das könnte besonders Ländern zugutekommen, die geringeren Energiebedarf haben, der derzeit noch mit Kohlekraftwerken gedeckt wird. Auch bei Ländern, die nicht die Kapazitäten oder geografische Lage für effiziente erneuerbare Energien haben, könnten damit Kohlekraftwerke ablösen.
Das würde nicht nur Chinas Staatskasse füllen, sondern diese Länder zum Teil auch abhängig von China machen, etwa durch Wartungsverträge. Geopolitisch hätte man so potenziell Verbündete gegen die USA. Wirtschaftspolitisch könnte man sich durch Gegengeschäfte Rohstoffe dieser Länder sichern, die Chinas Industrie benötigt.
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