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Science

Größter Fusionsreaktor wird zu "rekordverdächtiger Katastrophe"

Eigentlich hätte eines der bedeutendsten Projekte zur Erforschung der Kernfusion, der International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER) in Südfrankreich, nach mehrfachen Verzögerungen 2025 den Probetrieb aufnehmen sollen. Zweifel, dass das Datum zu halten sei, waren schon länger zu hören. Jetzt ist der geplante Starttermin, der zuvor noch mit einem Sternchen und dem Verweis auf eine Revision versehen war, von der Website des Projekts verschwunden.

Interne Dokumente, die nach einer Klage nach dem US-Informationsfreiheitsgesetzes an die Öffentlichkeit gelangten, zeigen, dass das Projekt gänzlich aus dem Ruder zu laufen droht, berichtet Scientific American. Darin ist von mehreren Jahren zusätzlicher Verzögerungen die Rede. Auch wachse die Erkenntnis, dass die noch zu bewältigenden technischen Herausforderungen die Budgets in astronomische Höhen schießen lassen könnten.

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ITER-Baustelle im französischem Saint-Paul-lès-Durance

Als Gründe für die sich anbahnende "rekordverdächtige Katastrophe" werden unter anderem stark verspätet und teils defekt gelieferte Komponenten und regulatorische Probleme genannt. Dazu gesellten sich Probleme bei der Montage, die zuletzt vom französischen Amt für Nuklearsicherheit wegen Strahlensicherheitsbedenken sogar vorübergehend gestoppt wurde.

Energiequelle der Zukunft

Fusionsreaktoren sind seit Jahrzehnten große Hoffnungsträger als Energiequelle der Zukunft. ITER sollte im großen Maßstab zeigen, wie aus der Verschmelzung von Atomkernen Energie erzeugt werden kann. Fusionsenergie entsteht sonst nur im Inneren von Sternen, etwa im Kern der Sonne. Dort bewegen sich aufgrund großer Hitze die Atomkerne so schnell, dass sie miteinander kollidieren und verschmelzen, wodurch Energie freigesetzt wird.

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An dem 2006 gestarteten Projekt sind 35 Länder beteiligt. Neben sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten und den USA zählen auch Großbritannien, die Schweiz, China, Indien, Japan, Südkorea und Russland dazu. Ursprünglich war ITER auf 10 Jahre anberaumt, das Budget sollte 6 Milliarden Dollar betragen. Mittlerweile ist es auf mehr als 20 Milliarden Dollar angewachsen.

Wann der Tokamak-Reaktor in dem Plasma entstehen und auf mehr als 100 Millionen Grad aufgeheizt werden sollte, den Betrieb aufnehmen wird, ist heute ungewisser denn je. Die eigentlichen Experimente können nach den zuletzt verlautbarten Zeitplänen ohnehin erst 10 Jahre später mit dem Vollbetrieb des Reaktors beginnen.

Schweigen

Wie lange sich das Projekt noch verzögern wird und wie hoch die daraus resultierenden Mehrkosten sein könnten, kann laut dem Scientific-American-Bericht niemand in der ITER-Organisation abschätzen. Auch im US-Energieministerium, das für die Beiträge der USA zu dem Experiment zuständig ist, hüllte man sich gegenüber Scientific American dazu in Schweigen.

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