Die NIF ortet einen Durchbruch in der Kernfusionsforschung.

Die NIF ortet einen Durchbruch in der Kernfusionsforschung.

© National Ignition Facility

Science

Meilenstein in der Kernfusion: Was der Durchbruch bedeutet

Mit “Meilensteinen” kommt man in der Kernfusion häufiger in Kontakt. Egal, ob heißestes Plasma, längste Reaktion oder höchste Energieausbeute - Forschungsgruppen versuchen oft, sich gegenseitig zu übertrumpfen. US-Forscher*innen ist am 5. Dezember 2022 aber ein Durchbruch gelungen, der für Aufsehen sorgt.

Mehr Energie gewonnen als investiert

Der Meilenstein basiert auf 2 Zahlen: Etwa 2 Megajoule (0,5 Kilowattstunden) brauchte es, um die Fusion in Gang zu setzen, rund 3 Megajoule (0,8 Kilowattstunden) wurden bei der Fusion selbst freigesetzt. Damit gelang es den Forscher*innen der National Ignition Facility, diesen wichtigen Break-even-Punkt - den “Heiligen Gral der Fusionsforschung” - zum ersten Mal zu überschreiten. 

Die National Ignition Facility (NIF), eine Forschungseinrichtung im US-Bundesstaat Kalifornien, beherbergt den größten und leistungsstärksten Laser der Welt. Das Gerät in der Größe von 3 Fußballfelder schießt 196 Laserstrahlen mit einer Gesamtleistung von 500 Terawatt. 

Funktion einer Mini-Wasserstoffbombe

Diese gewaltige Leistung braucht es, um eine Fusionsreaktion in einem 1 bis 2 Millimeter großen Brennstoffkügelchen aus den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium zu starten. Die Theorie dahinter ist simpel und lässt sich mit einer Mini-Wasserstoffbombe vergleichen. Die Ausführung ist allerdings um einiges schwieriger.

Laserstrahlen treffen auf das Goldröhrchen mit dem Brennstoff.

Laserstrahlen treffen auf das Goldröhrchen mit dem Brennstoff.

Um eine Fusionsreaktion zu “zünden”, müssen 3 Voraussetzungen gegeben sein: die Temperatur (in der Regel 150 Millionen Grad Celsius), die richtige Dichte des Brennstoffs und die richtige Energieeinschlusszeit. Letztere gibt an, wie gut das Plasma quasi “gedämmt” ist - also die Zeit, die verstreicht, bis die über Heizungen in das Plasma gepumpte Wärmeenergie wieder nach außen verloren geht.

Fusionsreaktoren wie Stellarator oder Tokamak setzen mit ihren Magnetfeldern auf ein Plasma mit niedriger Dichte (250.000 Mal dünner als die Atmosphäre), jedoch großer Energieeinschlusszeit (rund 2 Sekunden).

Doch es geht auch anders: Bei der Laserfusion oder Trägheitsfusion wird das Brennstoffkügelchen durch die Laser so weit verdichtet, dass die Energieeinschlusszeit kaum eine Rolle mehr spielt. 

Goldhülle wird verdampft

Die Laser sind dabei auf die Innenseite eines Röhrchens aus Gold gerichtet, das den Brennstoff umgibt. Das Gold verdampft und gibt Röntgenstrahlung frei, die das Kügelchen aufheizt - und zwar so stark, dass die äußerste Schicht des Brennstoffs quasi explodiert, wodurch das Kügelchen um einen Faktor von 10.000 verdichtet wird.

Im besten Fall ist diese Implosion so stark, dass die Atomkerne miteinander verschmelzen und dabei Energie in Form von Wärme abgegeben wird. Das alles spielt sich in Bruchteilen einer Sekunde ab. Die Fusion selbst ist nach einer Milliardstelsekunde zu Ende, ist also eher eine Explosion als ein kontrolliertes Abbrennen.

Beim Experiment am 5. Dezember 2022 passierte genau das, zumindest teilweise. Um die rund 3 Megajoule an Energieausbeute zu erreichen, mussten nur 4 Prozent des Deuterium-Tritium-Gemisches miteinander fusionieren. Hier ist noch einiges an Verbesserungspotential möglich. Dennoch wird der Versuch als "Meilenstein" in die Geschichte eingehen.

Wirklicher Durchbruch oder nur heiße Luft?

Sind dank des Durchbruchs Kernfusionsreaktoren greifbar? Diese Frage kann man getrost mit einem “Nein” beantworten. Zunächst befinden wir uns bei der Trägheitsfusion immer noch in der Grundlagenforschung, reale Anwendungsmöglichkeiten stehen immer noch in weiter Ferne.

Außerdem ist der Break-even-Punkt nicht gegeben, wenn man den Energieverbrauch der gesamten Anlage betrachtet. Auch wenn der Laser die Reaktion mit 1,8 Megajoule anfachen konnte, benötigte der gesamte Betrieb des Lasers an die 300 Megajoule, wie bei der Pressekonferenz am Dienstag preisgegeben wurde.

Kernfusion in der Dose

Kernfusion in der Dose

"Wir müssen aber bedenken, dass die NIF mit Lasertechnologie aus den 1980er-Jahren betrieben wird", gibt Physikerin und Direktorin Kim Budil zu bedenken. Neuere Laser würden deutlich weniger Energie verbrauchen. Dennoch sei man noch weit davon entfernt, genug Energie für den gesamten Betrieb der Anlage zu gewinnen.

Meilenstein soll auch kommerzielle Nutzung beschleunigen

Wissenschaftlich betrachtet mag das Experiment ein Meilenstein in der Fusionsforschung sein. Aber um Energie aus Trägheitsfusion tatsächlich nutzbar zu machen, dürfte es - wenn überhaupt - noch Jahrzehnte dauern.

Bei der NIF ist man dennoch überzeugt, dass durch diesen Meilenstein zumindest ein erster Schritt in Richtung Kommerzialisierung getan ist. Mehrere Start-ups in den USA würden sich bereits mit dem Thema, aber auch mit der "klassischen" magnetischen Kernfusion beschäftigen. 

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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