Detektor spürt versteckte Atomreaktoren in Hunderten Kilometern Entfernung auf
Forscher haben eine Methode entwickelt, mit denen sich Atomreaktoren aufspüren lassen. Damit sollen vor allem Kernspaltungsprozesse gefunden werden, die Material für Waffen liefern.
Der Detektor hätte dabei eine Reichweite von Hunderten Kilometern. Entwickelt wurde er von Forschern der Universitäten Sheffield und Hawaii.
Antineutrino-Detektor
Das Team macht sich dafür die Vorgänge bei der Kernspaltung zunutze. Bei der Kernspaltung werden Atome mit Neutronen beschossen. Die Atome spalten sich und geben dabei weitere Neutronen frei.
Beim sogenannten Beta-Zerfall spalten sich diese Neutronen je zu einem Proton, einem Elektron und einem Antineutrino auf. Letzteres ist ein winziges Elementarteilchen, das fast keine Masse und damit kaum Wechselwirkung mit anderer Materie hat. So können sie über weite Distanzen erfasst werden.
➤ Mehr lesen: Das leichteste Teilchen des Universums wurde erstmals gewogen
Der Detektor könnte diese Antineutrinos aufspüren und ihr Energieniveau analysieren. Mit diesen Daten lassen sich Informationen über die Funktionsweise des Reaktorkerns, die dort verwendeten Isotope und die zurückgelegte Distanz ablesen.
Wird Kernmaterial für Atomwaffen hergestellt, wird deutlich mehr Material – i.d.R. Uran – angereichert als für die Energieproduktion. Über den Detektor lässt sich dieser Unterschied anhand der gemessenen Antineutrinozahl ermitteln, heißt es in der zugehörigen Studie im Fachmagazin AIP Advances.
➤ Mehr lesen: Forscher finden neue Methode, um geheime Atomwaffentests aufzuspüren
Teilchen mit Über-Licht-Geschwindigkeit leuchten Blau
Der Detektor nutzt den Tscherenkow-Effekt. Es gibt Materialien, die die Geschwindigkeit von Licht ausbremsen, weil das Licht dort gekrümmt wird. In diesen Materialien kann es dann vorkommen, dass Teilchen sich schneller als das Licht bewegen.
Passiert das, entsteht ein blaues Leuchten. Das ist vergleichbar mit dem Knall den ein Überschallflugzeug erzeugt, wenn es die Schallmauer durchbricht. Dieser Effekt lässt sich in den mit Wasser gefüllten Abklingbecken von Kernkraftwerken beobachten.
Auch der Detektor ist mit einer Art Auffangbecken für die Antineutrinos ausgestattet. Darin werden die blauen Leuchtspuren dieser Teilchen gemessen. Daraus lassen sich die Information über die Flugrichtung, Geschwindigkeit und Entstehung des Antineutrinos ableiten.
Antineutrino-Jagd unter der Erde
Eine Herausforderung dabei ist es, wirklich nur die Antineutrinos aufzuspüren, die in Atomreaktoren entstehen. Die Signale sind sehr schwach. Teilweise wird nur ein Antineutrino pro Tag von einem weiter entfernten Reaktor gemessen.
Der Detektor müsste etwa einen Kilometer unter der Erde stehen, um keine Antineutrinos zu erfassen, die aus dem Weltraum auf die Erde treffen. „Die Unterscheidung der Teilchen stellt eine erhebliche Herausforderung dar und die Messung des Energiespektrums kann lange dauern“, sagt Studienautor Stephen Wilson in einem Statement.
➤ Mehr lesen: Wie Forscher im All und tief im Berg Dunkle Materie suchen
Bisher ist der Detektor nur theoretisch, denn der Bau würde 100 Millionen Dollar kosten, sagt Wilson gegenüber Intresting Engineering. Für einen möglichen Test würden die Forscher ihren Detektor im Nordosten Englands aufstellen. Damit könnten Kernreaktoren in Großbritannien und Nordfrankreich erfasst werden.
Abgesehen von den hohen Kosten, müsste auch noch viel Zeit in Forschung investiert werden, damit der Detektor möglichst präzise wird. Für die Wissenschafter ist denkbar, dass ihre Arbeit von anderen Forschern als Grundlage herangezogen wird, um damit bessere und günstigere Detektoren zu entwickeln.
Zukünftig könnte ein weltweites Netzwerk aus solchen Detektoren aufgebaut werden. Damit ließe sich herausfinden, ob Länder versteckte Atomreaktoren betreiben und ob damit waffenfähiges Kernmaterial hergestellt wird. Je nachdem wie dicht das Netzwerk ist, könnte eine Art Triangulation möglich werden, um den Standort dieser Reaktoren genauer zu bestimmen.
Kommentare