Plasma im Fusionsreaktor MAST
Forscher feiern Durchbruch bei sphärischem Fusionsreaktor
Die britische Regierung meldet einen „großen Durchbruch“ bei ihren Fusionsenergie-Experimenten. Forschende der britischen Atombehörde UKAEA haben erstmals Plasma mit einem 3D-Magnetfeld in einem sphärischen Reaktor stabilisiert.
Der Test fand mit MAST (Mega Amp Spherical Tokamak) statt. Das Besondere an dem Fusionsreaktor ist, dass er nicht die übliche „Donut“-Form hat, sondern sphärisch ist. Man kann die Form mit einem entkernten Apfel vergleichen. Dadurch sind solche Tokamak-Reaktoren kompakter als die konventionellen Modelle.
Energieausbrüche mit 3D-Magnetfeld unterdrückt
Wie bei allen Fusionsreaktoren ist eine der größten Herausforderungen, das über 100 Millionen Grad Celsius heiße Plasma zu stabilisieren. Nur so kann die Kettenreaktion aufrecht gehalten werden, um zukünftig mehr Energie zu erzeugen, als für das Zünden und Erhitzen des Plasmas nötig ist.
So funktioniert die Kernfusion
Im Gegensatz zur Kernspaltung werden bei der Kernfusion Atome miteinander verschmolzen. Dabei wird Energie freigesetzt. Diese kann in der Form von Hitze genutzt werden, um Wasserdampf zu erzeugen, der wiederum eine Turbine antreibt.
Damit die Kernfusion in Gang gesetzt wird, braucht es noch viel größere Hitze. Über 100 Millionen Grad Celsius sind nötig. Im Kern der Sonne, die ein natürlicher Fusionsreaktor ist, ist es „nur“ 15 Millionen Grad Celsius heiß. Die Kernfusion gelingt dort trotzdem, weil der Druck 250 Milliarden mal größer als in der Erdatmosphäre ist: Ein Zustand, den man auf der Erde bisher nicht reproduzieren kann.
Weil kein Material der Erde 100 Millionen Grad Celsius heißes Plasma aushält, kommen bei Fusionsreaktoren extrem starke Elektromagnete zum Einsatz. Sie halten das Plasma in einem Magnetfeld, damit es nicht mit den Reaktorwänden in Berührung kommt.
Erst wenn das Magnetfeld lange genug stabil gehalten werden kann, wird ein effizienter Betrieb eines Fusionsreaktors möglich. Ansonsten benötigen das Erhitzen bzw. Zünden des Plasmas und dessen Erhaltung mehr Energie als schlussendlich erzeugt wird. Gelingt der effiziente Betrieb, könnte ein Fusionsreaktor nahezu unendlich saubere Energie erzeugen, weil das dafür benötigte Isotop Deuterium in Wasserstoff enthalten ist.
Bei so hohen Temperaturen reichen schon kleine Instabilitäten, die den Plasmastrom zusammenbrechen lassen. Außerdem besteht dabei die Gefahr, dass die Reaktorwand vom Plasma getroffen und dadurch stark beschädigt wird. Das normale Magnetfeld, mit dem das Plasma in Zaum gehalten wird, reicht nicht aus, um alle Instabilitäten zur regulieren.
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Daher haben die Forschenden nach einem Weg gesucht, ELMs (Edge Localised Modes) einzudämmen, die an den Rändern des Plasmas entstehen. Die spontanen Energieausbrüche sind besonders gefährlich für die Reaktorwände. Ihre Lösung ist, ein kleines 3D-Magnetfeld an den Rändern des Plasmas zu kreieren. Dazu haben sie spezielle RMP-Magnetspulen (Resonant Magnetic Perturbation) genutzt.
Damit sei es nun das erste Mal gelungen, ELMs in einem sphärischen Tokamak vollständig zu unterdrücken. „Das ist eine bahnbrechende Errungenschaft. Es zeigt, dass fortschrittliche Kontrollmechanismen für konventionelle Tokamaks erfolgreich für kompaktere Reaktoren adaptiert werden können“, sagt James Harrison von der UKAEA.
Weitere Meilensteine erreicht
Den Forschenden ist ein weiterer Durchbruch gelungen. Zum weltweit ersten Mal konnte demonstriert werden, dass sich die oberen und unteren Abgasauslässe des Plasmas individuell in MAST steuern lassen, ohne die Leistung oder Dichte des Plasmas negativ zu beeinflussen. Der Abgasauslass ist auch als Divertor bekannt. Damit werden gezielt Hitze und Partikel, die das Plasma ausstößt, zu bestimmten Oberflächen gelenkt, sogenannten Prallplatten.
Dadurch werden Verunreinigungen aus dem Plasma entfernt (zB. kleine Partikel, die sich von den Reaktorwänden gelöst haben), was sich positiv auf die Stabilität des Plasmas auswirkt. Durch die individuelle Steuerung der Divertors erhöht sich die Flexibilität bei der Steuerung des Fusionsreaktors und in Folge die Robustheit und Effizienz.
Weitere Experimente mit dem Einspritzen von Stickstoff in die Ränder des Plasmas haben gezeigt, dass sich die Energie gleichmäßiger über die Reaktor-Komponenten verteilt. Dadurch sind dem Plasma zugewandte Teile keiner exzessiven Hitzekonzentration ausgesetzt. Das hilft ebenfalls dabei, um bei sphärischen Tokamaks den Abgasauslass besser zu regulieren.
Ein Blick ins Innere von MAST zeigt die dem Plasma zugewandten Komponenten
© UKAEA
MAST-Rekorde
So nebenbei wurden noch Rekorde für den MAST-Reaktor aufgestellt. Mittels Neutralteilcheninjektion, die zum Aufheizen des Plasmas genutzt wird, wurden 3,8 Megawatt in das Plasma eingebracht. Dies sei ein wichtiger Schritt, um solche Reaktoren zur Serienreife weiterzuentwickeln.
Zudem haben sie in MAST die bisher beste Plasmaform erreicht, mit einem Wert von 2,5. Das heißt, dass das Plasma 2,5-mal so hoch ist, wie es breit ist. Das Formen des Plasmas erhöht die Stabilität und die Leistung. Beim sphärischen Tokamak gilt: Ein großes Verhältnis von Höhe zu Breite (Elongation), liefert bessere Ergebnisse.
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Sphärische Tokamaks als Hoffnung der Fusionsenergie
„Ich bin begeistert von den bahnbrechenden Ergebnissen unseres Teams. Diese Meilensteine bringen uns näher an eine saubere, sichere Energiequelle für die Zukunft“, sagt Harrison.
In sphärische Tokamaks wird viel Hoffnung gesteckt, weil sie durch die kompaktere Form günstiger gebaut werden können, als Fusionskraftwerke mit klassischen Tokamaks. Das liegt auch daran, dass das Spulensystem für das Magnetfeld kleiner und damit billiger ist.
Durch die kompakte Form steigt aber die Belastung der Reaktorwände, weshalb Kontroll- und Steuermechanismen noch wichtiger als bei normalen Tokamaks sind. Erst wenn diese Probleme gelöst sind, kann ein Kraftwerk mit sphärischem Reaktor kommerziell betrieben werden: Ansonsten wären die Wartungs- und Reparaturkosten weit höher als die Einnahmen durch die Energieproduktion.
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