
Warum wir einen elektrischen Schlag bekommen: Forscher lösen Rätsel
Wahrscheinlich ist es uns allen schon einmal passiert: Man berührt eine Türklinke und spürt einen elektrischen Schlag. Hinter diesem alltäglichen physikalischen Phänomen, das auch zu Tage treten kann, wenn man eine Katze streichelt, steckt ein Vorgang, der gemeinhin als statische Elektrizität bekannt ist.
Dieser Prozess beschäftigt die Menschheit schon mindestens seit der Antike und bis heute stellt er Wissenschaftler vor Rätsel. Es war zum Beispiel bisher schwierig vorherzusagen, wie statische Elektrizität wirkt, weshalb man sich nicht auf ein Modell einigen konnte, um den Mechanismus zu erklären. Jetzt haben Forscher am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) einen Teil des Rätsels gelöst.
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Sie haben herausgefunden, dass die Häufigkeit, mit der ein Material mit einem anderen in Kontakt kommt, beeinflusst, welche Ladung ausgetauscht wird. Das Phänomen kann so vorhergesagt werden, was bisher nicht möglich war. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch im renommierten Nature Journal veröffentlicht.
Triboelektrzität: Wenn der Funke überspringt
Auch wenn statische Elektrizität der gängige Name für dieses alltägliche physikalische Phänomen ist, ist er nicht ganz treffend und eher widersprüchlich. Denn statische Elektrizität beruht auf Bewegung von Ladung, da immer eine Ladung übertragen wird, wenn sich zwei elektrisch neutrale Materialien berühren. Der Vorgang ist also streng genommen nicht „statisch“.
Am Beispiel der Türklinke erklärt, funktioniert das so: Wenn wir beispielsweise über einen Teppich gehen, nehmen wir durch die Reibung Ladung auf. Zu dem elektrischen Schlag kommt es dann, wenn diese Ladung auf die Türschnalle übergeht. Dieser überspringende Funke, den wir spüren, ist also eine Entladung.
Da Elektrizität also viel mit Bewegung zu tun hat, verwenden Forscher und Forscherinnen lieber die Namen triboelektrischer Effekt oder Kontaktelektrizität. „Es gibt kein Entkommen vor der Kontaktelektrisierung; jede Person erlebt sie. Deshalb mag es uns überraschen, dass wir nicht genau verstehen, wie sie passiert“, sagt Scott Waitukaitis, Assistenzprofessor am ISTA, der diese Arbeit zusammen mit dem Doktoranden Juan Carlos Sobarzo leitete.
Auf den Kontakt kommt es an
Obwohl das Wort Kontakt bereits im Namen enthalten ist, wurde dem Kontakt zwischen den Materialien bisher scheinbar zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das liegt auch daran, dass Kontaktelektrizität von vielen verschiedenen Parametern abhängt, was diesen physikalischen Prozess sehr chaotisch wirken lässt.
Das Forschungsteam hat bisher viele Parameter, also Einflüsse, getestet. „Aber keiner von ihnen konnte unsere Ergebnisse stichhaltig erklären”, sagt Sobarzo. Vor Rätsel stellte die Wissenschaftler auch, dass selbst identische Materialien, wie zum Beispiel zwei Luftballons, Ladung austauschen. Das ist überraschend, denn identische Materialien sollten sich auch identisch verhalten.
Die Forscher wollten also wissen, was bestimmt, wohin die Ladung fließt. „An diesem Punkt haben wir innegehalten und überlegt: Was wäre, wenn es der Kontakt selbst ist, der das Ladeverhalten beeinflusst”, schildert Sobarzo.
Wie aus Chaos Ordnung entsteht
Um den Einfluss des Kontakts herauszufiltern, haben die Forscher Experimente durchgeführt. Normalerweise nimmt man bei solchen Experimenten unterschiedliche Materialien. Juan Carlos, der die Experimente durchgeführt hat, hat aber zwei identische Materialien genutzt, um zu testen, wie sich ihre Eigenschaften verändern, wenn man sie berührt.

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Da man elektrostatische Prozesse bei Metallen schon relativ gut versteht, aber bei Isolatoren nicht, hat das Team für die Experimente als Material eine Kunststoffart gewählt. Dieser quadratischen Proben wurden auf Stäben platziert, mit Buchstaben markiert und mithilfe eines Motors immer wieder in Kontakt gebracht, um die Kontakthistorie, also wie oft die Probe berührt wird, zu untersuchen. Gleichzeitig wurde die elektrische Ladung gemessen.
Kontakt sorgt für Entwicklung
Das Team fand heraus, dass sich die Proben durch den Kontakt weiterentwickeln. „Sobald wir angefangen haben, die Kontakthistorie der Proben zu verfolgen, ergaben vermeintliche Zufälligkeit und Chaos tatsächlich einen Sinn“, sagt Waitukaitis.
Behält man also im Auge, wie oft eine Probe berührt wird, wird die Kontaktelektrizität vorhersehbar. “Niemand hat jemals daran gedacht, zu verfolgen, wie oft eine Probe etwas berührt hat. Und genau das war der entscheidende Faktor, der uns geholfen hat, den Code zu knacken”, betont Waitukaitis.
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Konkret fand das Team heraus, dass sich die Proben nach 200 Kontakten vorhersehbar verhielten. Und außerdem, dass Proben, die häufiger Kontakt hatten als andere, negativ gegenüber diesen geladen waren. Das bedeutet: Kontrolliert man die Anzahl der Kontakte, kann man vorhersagen, wie sich eine Probe verhält.
Kontakt sorgt für glatte Oberfläche
Eine Frage blieb jedoch noch offen: Wie verändert der Kontakt die Proben? Das Forschungsteam ging auch dieser Frage nach und entdeckte sehr kleine Veränderungen auf der Oberfläche.
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Es zeigte sich, dass die Berührung zwischen den Materialien dazu führt, dass sich die Oberfläche glättete. Wie es dann aber zur Kontaktelektrisierung kommt, weiß das Team noch nicht. „Wir haben es geschafft, einen großen Hinweis zu einem schwer fassbaren Mechanismus zu liefern, der für unser Verständnis von Elektrizität und Elektrostatik so grundlegend ist und die Wissenschafterinnen und Wissenschaftler dennoch so lange vor ein Rätsel gestellt hat“, sagt Sobarzo.
Bei dieser Forschung ging es darum die Grundlagen der Kontaktelektrizität zu erforschen. „Aber es gibt eine Reihe von Bereichen, in denen die Aufladung wirklich wichtig ist, wie in verschiedenen industriellen Anwendungen und grundlegenden wissenschaftlichen Experimenten”, sagt Waitukaitis. Der Effekt sei immer dann relevant, wenn sich zwei Objekte berühren. In Zukunft könnten die Erkenntnisse der Forschungsteams damit auch für die Stromerzeugung eine Rolle spielen.
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