Menschen beeiflussen mit ihrem Verhalten nicht nur das Klima sondern sogar die Zeit.

Menschen beeiflussen mit ihrem Verhalten nicht nur das Klima sondern sogar die Zeit.

© APA/AFP/JEFF PACHOUD

Science

Warum die Erderwärmung unsere Uhren durcheinander bringt

Der Klimawandel bringt offenbar mehr durcheinander als nur das Klima an sich. Laut einer neuen Studie sorgt das Schmelzen des Polareises dafür, dass sich die Erdrotation verlangsamt. Das wirke sich auf unsere Zeitrechnung aus. 

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Schaltsekunde zur Anpassung

Seit 1972 wird eine sogenannte Schaltsekunde verwendet, um die mithilfe von Atomuhren gemessene Zeit in Einklang mit der Rotationsgeschwindigkeit der Erde zu bringen. Laut den Forscher*innen soll sich die nächste Schaltsekunde durch den Klimawandel um 3 Jahre verzögern. 

"Es ist so viel Eis geschmolzen und der Meeresspiegel dadurch gestiegen, dass die Geschwindigkeit der Erdrotation beeinflusst wurde", sagt der Geophysiker Duncan Agnew gegenüber Nature. Laut den Berechnungen der Wissenschaftler*innen wird der Anstieg des Meeresspiegels dazu führen, dass sich die nächste erforderliche Schaltsekunde von 2026 auf 2029 verschiebt.

Seit 1967 wird die Zeit nicht mehr mit der Erdrotation bestimmt, sondern mit Atomuhren, die genauer sind. Diese nützen die natürliche Schwingungsfrequenz von Atomen, um die Zeit exakt zu messen. Insgesamt 450 Atomuhren sagen uns heute die offizielle Zeit. Die Schaltsekunde dient wiederum dazu, um die Zeitrechnung der Atomuhren mit der Erdrotation zu synchronisieren. Denn die Erdrotation wird auch dadurch beeinflusst, was auf der Oberfläche und im Inneren unseres Planeten passiert. 

Bedroht Computersysteme

Dabei ist die Schaltsekunde nicht unumstritten – immer wieder argumentieren Informatiker*innen für ihre Abschaffung, weil die Schaltsekunde Computersysteme durcheinanderbringt. 

Derzeit fürchtet man sich vor allem vor der nächsten Schaltsekunde, weil es sich dabei zum ersten Mal in der Geschichte um eine negative, übersprungene Sekunde handeln dürfte anstatt einer zusätzlichen. Weil es eine Neuheit ist, wissen Zeitrechnungsexperten nicht, wie man damit am besten umgehen soll. Für sie kommt die Nachricht der klimawandelbedingten Verzögerung daher nicht ungelegen, weil sich die negative Schaltsekunde damit nach hinten verschieben könnte.

Der Forscher Ted Scambos beschreibt die durch das Abschmelzen der Polkappen verursachte Verlangsamung wie einen Eiskunstläufer, der sich mit den Armen über dem Kopf dreht. Wenn er seine Arme nach unten zu den Schultern bringt, verlangsamt sich die Drehung.

Beschleunigender Effekt 

Allerdings gilt es nicht nur die Verlangsamung durch das Abschmelzen der Polarkappen zu berücksichtigen, sondern auch die gleichzeitige Beschleunigung der Erdrotation durch Vorgänge im Erdinneren. „Die Veränderungen im Erdkern sind jetzt tendenziell größer als der Eisverlust an den Polen – auch wenn der Eisverlust im letzten Jahrzehnt zugenommen hat“, sagte Scambos gegenüber CNN. Für ihn zeige die Nature-Studie allerdings, dass Menschen doch einen erheblichen Einfluss auf die Erde haben – und sogar den Lauf der Zeit beeinflussen könnten.

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