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Europas Launcher-Krise: Warten auf Ariane 6

Bei der Eröffnung der Paris Air Show am vergangenen Montag sorgte eine Zahl für Aufregung: "2024". Bei einem Rundgang am ESA-Pavillion auf der Luftfahrtschau hörte man den Chef der französischen Weltraumagentur CNES, Philippe Baptiste, gegenüber dem Premierminister Emanuel Macron das Jahr nennen. Dabei standen die beiden vor einem Modell der neuen europäischen Rakete Ariane 6, deren Jungfernflug sich immer weiter nach hinten verschiebt. Bereits vor einigen Monaten hatten unabhängige Expert*innen vermutet, dass sich der Start ins kommenden Jahr verschieben könnte.

Später ruderte Baptiste zurück. Die Aufnahme sei aus dem Kontext gerissen. ESA-Generaldirektor Josef Aschbacher bestätigte gegenüber der futurezone, die Aussage sei nicht als Starttermin zu interpretieren. "Wir können derzeit kein Datum und keinen Status angeben, weil die Tests und technischen Arbeiten, die wir noch vor uns haben, schwer abzuschätzen sind."

Starttermin soll im September bekanntgegeben werden

Laut Aschbacher sind im September noch Tests der Flugsoftware und ein Heißlauftest (Hot-Firing) im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Lampoldshausen nötig. "Danach glauben wir, dass wir in einer Position sind, einen Starttermin oder eine Startperiode angeben zu können." Nach aktuellem Zeitplan soll die Rakete im November 2023 am Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guayana, zusammengesetzt werden. Danach soll das Wet Dress Rehearsal stattfinden, also das Durchspielen des gesamten Startvorgangs bis zum Countdown aber ohne das Zünden des Antriebs.

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Damit hängt Europa weiterhin in der Luft, was seine Raketen betrifft. Der Start der Ariane 6 wurde immer wieder verschoben, dass sie heuer noch abhebt wird immer unrealistischer. Das Ergebnis dieser Verzögerung ist, dass mit dem nahenden Start der letzten Ariane 5 am 4. Juli und den technischen Problemen der neuen kleineren Rakete Vega-C schon bald eine Zeit kommen wird, in der Europa ohne Launcher dasteht.

ArianeGroup tauschte Vorstand aus

Gründe dafür gibt es viele, etwa die Pandemie und der Krieg in der Ukraine. Wirklich klar wurde bisher nicht kommuniziert, warum alles deutlich länger dauert, als geplant. Ursprünglich war der Erstflug für 2020 geplant, im Juni 2023 sind aber immer noch nicht alle Meilensteine erreicht.

Ariane 62 und Ariane 64

Es wird 2 Varianten der Ariane 6 geben: 

Ariane 62:

  • Sie startet mit 2 P120 Feststoffboostern
  • LEO-Nutzlast: 10,3 Tonnen
  • GTO-Nutzlast: 4,5 Tonnen 
  • Höhe: 60 Meter

Ariane 64:

  • Sie startet mit 4 P120 Feststoffboostern
  • LEO-Nutzlast: 20,6 Tonnen
  • GTO-Nutzlast: 11,5 Tonnen 
  • Höhe: 60 - 66 Meter

Im April zog die Verantwortliche ArianeGroup Konsequenzen. André-Hubert Roussel musste seinen Vorstandsposten räumen. Für seinen Nachfolger, Martin Sion, hat der Start der Rakete höchste Priorität. Obwohl von ArianeGroup offiziell kein unmittelbarer Zusammenhang zu den Launcher-Problemen bestätigt wurde, ergibt sich doch ein deutliches Bild.

ESA-Chef Aschbacher begegnet dieser schwierigen Krise mit gewohnter Ruhe. Ja, er wünschte sich auch, das Startdatum schon zu kennen. Aber gemessen an der zukünftigen Zeitspanne, in der die ESA in den kommenden Jahren von der Leistung der Ariane 6 profitieren würde, solle man diese Krisenphase nicht überbewerten. "Ich habe überhaupt keine Sorgen, im Gegenteil wird das ein wirklich sehr guter Launcher. Nur warten wir jetzt darauf und das ist eine etwas schwere Periode."

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Auch Jeff Bezos wartet auf Ariane 6

Aufträge gibt es genug, davon 18 Flüge für Amazon-Chef Jeff Bezos. Die leistungsstärkere Ariane 64 (siehe Infobox) soll Satelliten für seine Kuiper-Konstellation ins All bringen. Wann man die Aufträge ausführen kann, steht aber in den Sternen. Denn selbst wenn der Start noch Ende 2023 stattfindet, gibt es keine Garantie, dass er gelingt. Der Jungfernflug der Ariane 5 endet nach wenigen Sekunden in einer Explosion, der erste erfolgreiche Flug fand ein Jahr und 4 Monate später statt.

Der Krieg in der Ukraine sorgt dafür, dass für die ESA nur noch Elon Musks SpaceX als Alternative bleibt. Russland hat seine Sojus-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof abgezogen, fast alle Kooperationen wurden beendet. So wurde etwa das neue Weltraumteleskop, das am 1. Juli abheben soll, auf eine Falcon-9-Rakete von SpaceX umgebucht. 

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Europäische Raketen-Start-ups auf dem Vormarsch

Langfristig könnten auch europäische Raketen-Start-ups einspringen, zumindest um kleinere bis mittlere Nutzlasten ins All zu bringen. Weit fortgeschritten ist etwa Isar Aerospace. Das deutsche Unternehmen wurde vom Österreicher Daniel Metzler gegründet. Der erste Start ihrer Spectrum-Rakete ist noch in diesem Jahr vom Weltraumbahnhof Andøya in Norwegen geplant

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Die Firma hat zudem eine Zusage der ESA für einen Startplatz in Kourou. Auch die Mikrolauncher-Firma PLD Space aus Spanien unterzeichneten auf der Paris Airshow einen entsprechenden Vertrag mit Josef Aschbacher. "Damit wollen wir dem Segment helfen, durch Verträge auf die Startrampe zu kommen und ihnen ermöglichen, über diese Aufträge Kredite bei Banken zu bekommen oder Finanzierungen bei Institutionen zu akquirieren", sagt Aschbacher. Zudem wolle man privat finanzierte Firmen stärken, um ein dynamisches Ökosystem in Europa aufzubauen, so der ESA-Generaldirektor. Das würde zumindest für kleinere Nutzlasten wie Satelliten eine Alternative zu SpaceX schaffen.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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