Nahrungsergänzungsmittel im Netz: Forscher entlarven falsche Versprechen
Das Angebot an Nahrungsergänzungsmitteln wächst stetig. Jeder dritte Österreicher konsumiert sie regelmäßig. Viele Konsumenten hoffen, dass sie dadurch schlanker, stärker oder gesünder werden. Manche Käufer schlagen bei vermeintlich tollen Sonderangeboten zu, dann warten sie aber vergeblich auf ihre Bestellung. Andere Anzeigen im Internet versprechen sogar, dass ihre Präparate Krebs und andere schwere Krankheiten heilen können – hinter solchen Anzeigen stecken Betrüger.
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Ein neues österreichisches Forschungsprojekt des Österreichischen Instituts für Angewandte Telekommunikation (ÖIAT), der Lebensmittelversuchsanstalt (LVA) und der KMU Forschung Austria (KMFA), Institute der Austrian Cooperative Research (ACR), soll seriöse Hersteller stärken. Dabei soll u. a. ein Risikobewertungssystem namens „Alertify“ entwickelt werden, mit dem die ÖIAT-Plattform Watchlist Internet künftig effektiver vor betrügerischen Angeboten im Netz warnen kann.
Fakten
Produkte
die zu den Nahrungsergänzungsmitteln zählen, sind Vitamine, Mineralstoffe, Pflanzenstoffe und andere. Sie dürfen keine medizinische Wirkung haben, sonst gelten sie als Medikamente
Empfehlung
gibt es keine allgemeine für die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, sagt die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). Ausnahmen gelten jedoch für bestimmte Gruppen wie Schwangere, Leistungssportler, Mangelernährte und Veganer
76 Prozent
der im Jahr 2022 von der AGES beanstandeten Nahrungsergänzungsmittel betrafen eine irreführende Kennzeichnung von Produkten
Passen perfekt zum Zeitgeist
„In einer Zeit der Selbstoptimierung wollen wir uns selbst verbessern, stärker und schöner werden. Da passen auch Nahrungsergänzungsmittel dazu“, erklärt die Projektleiterin Louise Beltzung von Watchlist Internet der futurezone. Nahrungsergänzungsmittel umfassen eine breite Palette an Substanzen, Pulvern, Pillen, Tropfen und anderen Präparaten – darunter beispielsweise Vitamine und manche Schlafmittel.
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Wer sich ausgewogen ernährt, braucht solche Mittel normalerweise nicht. Ist ein Mangel von einem Arzt diagnostiziert, können Nahrungsergänzungsmittel aber notwendig sein.
Neben seriösen Anbietern sind hier auch Betrüger am Werk. Ein gefährliches Beispiel ist etwa Cardione, das im Internet als Mittel gegen Bluthochdruck angepriesen wurde. Eine Seite namens Cardione.at warb etwa mit gefälschten Empfehlungen eines Arztes.
Sehr buntes und vielfältiges Angebot
Online-Betrug hat in den vergangenen Jahren allgemein zugenommen, aber bei den Nahrungsergänzungsmitteln tut sich die Watchlist Internet schwer. Denn das Angebot und die Flut an Anzeigen sind derzeit nur schwer überwachbar. Dazu kommt, dass Nahrungsergänzungsmittel oft für alle nur erdenklichen Anwendungen und Zielgruppen verkauft werden.
So vertreiben Fitness- und Lifestyle-Coaches eigene Mittel für ihre Anhänger, auch im Esoterik-Bereich gibt es einen großen Markt. Sogar Substanzen für Haustiere werden angeboten. Die Vermarktung läuft oft sehr kleinteilig und versteckt über einzelne Webshops oder Anzeigen auf Social Media: „Man klickt beispielsweise auf eine Facebook-Werbung und gelangt dann auf eine Fake-Seite, die so tut, als wäre sie eine Tageszeitung“, erklärt Beltzung.
Betrugsmaschen unter die Lupe nehmen
Bei ihrem Projekt „Safe-NEM“ analysieren die Forscher erstmals das Marktgeschehen rund um den digitalen Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln. „Bei unserem Projekt geht es darum, besser zu verstehen, wie Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden. Außerdem wollen wir ein besseres Verständnis für die Grauzonen gewinnen“, erklärt Beltzung. Dabei werden sie mehrere Fallbeispiele wie „schlank werden in kürzester Zeit“ oder „endlich wieder schlafen können“ systematisch untersuchen.
Derzeit wissen Experten zu wenig darüber, wie die Verkaufsmaschen von Betrügern genau funktionieren. Aus den Forschungsergebnissen wollen die Forscher dann Informationsmaterialien für Ärzte, Apotheken und Beratungsstellen zusammenstellen. Auch seriöse Produzenten sollen von ihren Ergebnissen profitieren und der Markt dadurch insgesamt transparenter werden.
Das zweite Ziel von „Safe-NEM“ ist, die Betrugsprävention zu verbessern. Am Ende sollen bestehende Suchsysteme weiterentwickelt werden und ein neues Risikobewertungssystem namens „Alertify“ entstehen, das halbautomatisch betrügerische Werbung identifiziert.
Grauzonen ausloten
Eine Herausforderung sind die Grauzonen, die es im Bereich der Nahrungsergänzungsmittel gibt. Denn viele Hersteller werben zwar mit falschen Versprechen, richten dabei aber keinen großen gesundheitlichen oder finanziellen Schaden an. Erheblich größer ist das Risiko allerdings, wenn die verkauften Produkte gefährlich sind oder Krebskranke deshalb ihre Chemotherapie abbrechen. Auch der Diebstahl von Kreditkartendaten oder der Identität sind ernste Risiken, die im Internet hinter solchen Angeboten lauern können. Hier gelte es klarer zu unterscheiden und nur in wirklich ernsten Fällen zu warnen.
Viele Menschen greifen auch aus Verzweiflung zu den vermeintlichen Heilmitteln. „Darunter Menschen mit chronischen Schmerzen, die zuvor von Arzt zu Ärztin gegangen sind und schon alles Mögliche probiert haben“, sagt Beltzung. Ähnliches gelte für Diätmittel. „Betrug funktioniert dann gut, wenn Leute ihre innere Stimme überhören und sagen: Egal, ich probiere das, irgendwas wird schon ankommen.“
Teil des Forschungsprojektes werden auch Tests zur Laboranalyse von Nahrungsmittelergänzungsmitteln sein, wo man schauen will, was darin eigentlich steckt. Von diesen Erkenntnissen sollen vor allem seriöse Hersteller profitieren. Das Forschungsprojekt wird vom Wirtschaftsministerium BMAW gefördert und ist eines von insgesamt 8 Projekten der ACR, die heuer starten.
*Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft.
Das solltest du beim Onlineshopping von Nahrungsergänzungsmittel beachten
Obwohl der Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln nicht grundsätzlich empfohlen wird, gibt es Lebensphasen, in denen das anders sein kann – wie zum Beispiel während der Schwangerschaft. Nicht immer gehen Käufer solcher Präparate in die Apotheke. Online gibt es oft mehr Auswahl und günstigere Angebote.
Damit man dabei nicht auf Betrüger hereinfällt, sollte man Nahrungsergänzungsmittel idealerweise bei zertifizierten Online-Apotheken kaufen. Beim Einkauf auf anderen Seiten sollte man darauf achten, ob die Internetadresse merkwürdig klingt und ob es sich um einen vertrauenswürdigen Anbieter handelt, dessen Namen man bereits kennt. Ein fehlendes Impressum ist beispielsweise ein Warnzeichen für einen betrügerischen Shop.
Wer ein bestimmtes Präparat ins Auge gefasst hat, sollte auf die Werbeversprechen achten. Die Alarmglocken sollten vor allem bei Heilsversprechen läuten. Gegebenenfalls sollten Käufer auch überprüfen, ob das Produkt auch in anderen Shops verkauft wird, etwa in zertifizierten Online-Apotheken.
Beim Kauf gilt es, darauf zu achten, dass man nicht versehentlich Zahlungsdetails wie Kreditkartendaten auf einer dubiosen Seite eingibt, denn diese können gestohlen werden. Im Zweifel sollte man eine Zweitmeinung einholen und Kaufimpulsen nicht sofort nachgeben. Wer schon Opfer von Betrügern geworden ist, kann das melden unter
watchlist-internet.at/melde-formular.
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