Die Forscher arbeiten mit verschiedenen Pilzen, die größere, flächigere Platten bilden können. Am Bild sieht man ähnliche Platten vom italienischen Startup MOGU.

Die Forscher arbeiten mit verschiedenen Pilzen, die größere, flächigere Platten bilden können. Am Bild sieht man ähnliche Platten vom italienischen Startup MOGU. 

© BIOBUILD/MOGU

Science

Wie wir künftig Häuser mit Pilzen bauen könnten

Wer an Pilze im eigenen Heim denkt, empfindet Unbehagen. Meistens verheißen diese Organismen dort nichts Gutes: Schimmelpilze gefährden unsere Gesundheit, der sogenannte Hausschwamm kann sogar Holzhäuser komplett zerstören, indem er sie „auffrisst“. 

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Angesichts solcher Bilder ist es verständlich, warum viele von Pilzen in Häusern lieber nichts hören wollen. Forscher glauben aber, dass man damit auch Probleme der gegenwärtigen Bauindustrie lösen könnte. Ein internationales Forschungsprojekt namens Biobuild untersucht nun, ob man mit Pilzen und Holzabfällen umweltfreundlichere Häuser bauen kann.

Haufenweise Plastik

„Im Prinzip geht es im Projekt darum, Beton zu ersetzen, der sehr CO2-intensiv ist“, erklärt Georg Gübitz von der Universität für Bodenkultur Wien, der an der Forschung beteiligt ist. Denn die Herstellungen von Zement, einem Hauptbestandteil von Beton, ist für rund acht Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich.  

Neben dem Beton sind aber auch die Dämmstoffe ein Problem, die im Winter dafür sorgen, dass die Wärme im Haus bleibt. Heutzutage werden dafür meist  Styroporplatten verwendet. „Diese Platten sind von ihren Eigenschaften her nicht schlecht, aber sie basieren auf Öl“, sagt Gübitz. Von diesem Rohstoff will man künftig möglichst wenig verbrauchen. Styropor hat aber einen weiteren Nachteil: „Den Großteil davon kann man nicht recyceln, wenn man das Haus abgerissen hat“, so der Biotechnologe. Das meiste landet deshalb in der Müllverbrennung, manches als Mikroplastik in der Umwelt.

Kompost statt Erdöl

Anstelle von Styropor verwenden die Forscher nun mit Platten aus Pilzgewebe. In den nächsten 3,5 Jahren werden sie damit Musterhäuser in Schweden und Spanien bestücken. Als Rohmaterial verwenden sie Abfälle statt Öl: „Der Pilz frisst etwa Obstabfälle und bildet dadurch das Myzel“, erklärt Gübitz. Wird das Haus irgendwann wieder abgerissen, ist es als komplettes Naturprodukt sogar kompostierbar: „Theoretisch könnte man es dann im Wald von der Natur wieder abbauen lassen“, sagt er.

So sieht das Pilzgewächs innen aus.

So soll die Pilzschicht innen aussehen.

Pilzschicht soll auf Umweltbedingungen reagieren

Gübitz und sein Team züchten dazu verschiedene Pilzarten mit Myzelen, also den feinen Wurzeln von Pilzen. „Solche Pilzstrukturen bestehen u. a. aus Proteinen, Zellulose und Chitin, aus dem auch Insektenpanzer bestehen. Sie schließen sehr viel Luft in sich ein“, so der Forscher. Daher stammt ihre isolierende Wirkung. 

Die Pilzschicht soll aber mehr können, als nur Wärme im Gebäude halten. Die Forscher wollen damit ein sogenanntes Phase-Change-Material integrieren. „Das sind intelligente Isoliermaterialien, die auf Umweltbedingungen reagieren“, so Gübitz. „Es gibt biobasierte Moleküle wie Fettsäuren, die als Beschichtung eingesetzt werden sollen und je nach Temperatur Wärme aufnehmen, speichern oder abgeben können. Solches Verhalten kann man hier ausnutzen“, erklärt er. 

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Pilze leben nicht mehr

Das Risiko, dass Pilze das Haus zerstören, sei nicht größer als bei anderen Baustoffen: „Zwar gibt es viele Pilze, die Cellulose abbauen, wie man es im Wald sehen kann. Die, die wir verwenden, leben aber nicht mehr. Sie können nicht mehr weiterwachsen“, erklärt Gübitz. 

Wie bei anderen Naturstoffen bleibe aber das Risiko, dass andere Pilze oder Lebewesen die Häuser befallen, wenn es zu feucht wird. Die Forscher wollen den Pilz-Baustoff daher bei echten Häusern in Schweden und in Spanien einsetzen und ein Jahr lang beobachten. „Wir wollen dort dann die Isoliereigenschaften testen, etwa mit Wärmebildkameras.“

Ein Entwurf des fertigen Hauses, in dem die Pilze die Wärme im Gebäude halten und die tragenden Bauteile aus mit Holzplatten sind, die mit Lignin verklebt wurden.

Ein Entwurf des fertigen Hauses in Schweden. Pilze sollen die Wärme im Gebäude halten. Die tragenden Bauteile sind aus mit Holzplatten, die mit dem Holznebenprodukt Lignin verklebt werden. 

Holzabfall als Kleber

Die tragenden Wände bestehen aus sogenanntem Verbundholz, das mit einem neuen Kleber aus dem Holzabfall-Stoff Lignin verbunden wird. Dieser wird von der Forscherin Sabrina Bischof im Projekt entwickelt. Der Stoff sei ein vielversprechender Ersatz für giftige und Erdöl-basierte Kleber, die derzeit in Möbeln und Holzbauteilen stecken. „Bäume bestehen zu einem Drittel aus dieser schwarzen Substanz, die wie ein Espresso ausschaut“, erklärt Gübitz. Diese Substanz fällt etwa bei der Papierherstellung als Nebenprodukt an. Nun entwickeln sie daraus Klebstoffe.

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Neben den Pilzen will das Team auch ihren Bio-Kleber erstmals bei echten Häusern testen, die für Forschungszwecke errichtet werden. Einige Fragen sind aber noch ungeklärt – etwa, ob die Materialien mit dem Brandschutz vereinbar sind.  

Holzschnitzel werden mit Lignin verklebt.

Holzschnitzel werden mit biotechnologisch verändertem Lignin verklebt.

Fakten

Myzele sind fadenförmige Pilzgewächse, die in der Natur ganze Wälder durchziehen können.

3.300 Fußballfelder groß ist das größte Myzel, der sogenannte „Honigpilz“ im US-Staat Oregon. Es ist gleichzeitig der größte Organismus auf der Erde.

Intelligente Pilze werden nicht nur als Baumaterialien erforscht, sondern etwa auch als Computerkomponenten.

20 Prozent des durchschnittlichen Energiebedarfes eines Hauses wollen die Forscher bei den Häusern von Biobuild einsparen.

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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