Wie aus Luft und Licht CO2-neutrales Kerosin wird
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Flugzeuge produzieren relativ viel Treibhausgasemissionen pro Person und zurückgelegtem Kilometer. Ihnen einen klimafreundlicheren Antrieb zu verpassen, ist schwierig. Elektroantriebe können bisher nur Motoren für Propellerflugzeuge ersetzen, dazu kommt das Problem schwerer Batterien. Um die Geschwindigkeit und den Komfort herkömmlicher Jets beizubehalten, sind synthetische Kraftstoffe gefragt, die statt Kerosin in Gastriebwerken verbrannt werden.
Weil diese so genannten Drop-in-Treibstoffe bei der Verbrennung nur so viel Kohlenidoxid erzeugen, wie der Luft während ihrer Herstellung entzogen wurde, gelten sie als CO2-neutral. Die Technik-Universität ETH Zürich hat ein Verfahren entwickelt, wie Drop-in-Treibstoffe alleine durch Luft und Sonnenlicht hergestellt werden könnnen. Mit einer Mini-Raffinerie mitten in Zürich haben sie die Methode bereits zwei Jahre lang erfolgreich getestet.
Reaktor in der Schüssel
Auffälligstes Element der Anlage auf einem Hausdach ist eine große verspiegelte Parabolschüssel, die aber nur dem zweiten von insgesamt drei Herstellungsschritten dient. In einem ersten Schritt wird CO2 und Wasser aus der Luft gezogen. Die beiden Rohstoffe werden dann in einem zweiten Schritt in einen Reaktor mit einer keramischen Struktur aus Ceroxid geleitet.
Die mit dem Parabolspiegel eingefangene Sonnenstrahlung wird darauf konzentriert. Bei 1.500 Grad werden CO2 und Wasser in Wasserstoff und Kohlenmonoxid umgewandelt. Dieses Gemisch kommt dann in einem dritten Schritt in eine Syntheseeinheit, wo es mit verschiedenen Verfahren zu flüssigem Treibstoff wird. Heraus kommen kann Kerosin für Flugzeuge, aber u.a. auch Methanol für alternative Schiffsantriebe.
Nachhaltiges Fliegen möglich
"Diese synthetischen Treibstoffe sind vollständig kompatibel mit den bestehenden Infrastrukturen für die Lagerung, Verteilung und Endanwendung, und können insbesondere zu einem nachhaltigen Langstreckenflugverkehr beitragen", meint Projektleiter Aldo Steinfeld zur futurezone.
Die Mini-Raffinerie produziert pro Tag rund 50 Milliliter CO2-neutrales Kerosin. Die Forscher*innen der ETH Zürich halten das Konzept aber für skalierbar. Nahe Madrid wurde in einem transeuropäischen Folgeprojekt bereits eine größere Anlage errichtet. Idealer Einsatzort wäre die Wüste. Auch dort lässt sich genug Wasser aus der Luft ziehen. Auf einer Fläche von 0,5 Prozent der Sahara (45.000 Quadratkilometer) könnte man so viel CO2-neutralen Treibstoff herstellen, dass man damit den gesamten Flugverkehr auf der Welt versorgen könnte.
Staatlicher Schub notwendig
Synthetische Treibstoffe auf thermochemischem Weg herzustellen, sei nur eine der Möglichkeiten, um Maschinen, die bisher mit fossilen Energieträgern arbeiten, CO2-neutral zu betreiben, erklärt Stephan Abermann, Leiter der Abteilung Energy Conversion Hydrogen am AIT Center for Energy. Am heimischen Forschungsinstitut tüfteln er und sein Team vor allem an elektrochemischen Verfahren für die Herstellung so genannter "E-Fuels", die mittels Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und CO2 hergestellt werden. Eine andere Möglichkeit sei die Nutzung von Biomasse, etwa um Methanol herzustellen. Ein spannender Weg, dessen Erforschung noch in einem Frühstadium sei, sei der photoelektrochemische - dabei wandeln spezielle Solarzellen Wasser direkt in Wasserstoff um.
Jede Methode habe ihre Vor- und Nachteile. Abermann: "Entscheidend ist am Ende der Preis. Wenn ich auf das Niveau der klassischen Treibstoffe komme, dann ist das eine gute Lösung." Die Forscher*innen der ETH Zürich haben sich auch dazu Gedanken gemacht. Ihrer Ansicht nach haben CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe nur dann eine Chance am Markt, wenn sie staatlich unterstützt werden. Subventionen seien dabei der falsche Weg. Stattdessen schlagen sie vor, ein Quotensystem zu etablieren. Herkömmlichem Kerosin soll also mit einem langsam steigenden Anteil von Drop-in-Treibstoffen vermischt werden. Bereits bei einem Anteil von 10 bis 15 Prozent sollte der klimafreundliche Treibstoff genauso viel kosten wie der fossile.
Kommentare