Der "Fontäneneffekt" über dem magnetischen Äquator

Der "Fontäneneffekt" über dem magnetischen Äquator

© NASA's Scientific Visualization Studio

Science

NASA entdeckt merkwürdige Strukturen in der Erdatmosphäre

Die NASA hat einen neuen Blick auf merkwürdige Formationen in der oberen Ionosphäre gewonnen. In etwa 300 km Höhe ist ihre Elektronendichte besonders stark. Dort wurde eine „Buchstabensuppe“ aus C- und X-förmigen Strukturen beobachtet. Warum sie entstehen, ist noch unklar.

Entdeckt wurde das von der GOLD-Mission (Global scale Observations of the Limb and Disk). Unbekannt sind solche Strukturen zwar nicht. Ihr Auftreten war aber trotzdem eine Überraschung. 

Ausbreitung von Funksignalen

Insgesamt erstreckt sich die Ionosphäre in 80 bis 300 Kilometer Höhe. Tagsüber lädt sie sich elektrisch auf. Das Sonnenlicht sorgt dafür, dass Elektronen von den Atomen und Molekülen in der Atmosphäre abgestoßen werden. Das so entstehende ionisierte Gas wird auch als Plasma bezeichnet. Es ermöglicht die Ausbreitung von Funksignalen über große Distanzen. Deshalb ist es wichtig, die Vorgänge dort genauestens zu untersuchen.

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Grafik des Erdmagnetfelds zeigt Abweichung zwischen geografischen und magnetischen Polen 

Der Fontäneneffekt über dem magnetischen Äquator

Über dem sogenannten magnetischen Äquator, der ungefähr über dem geografischen Äquator liegt, allerdings in einem schrägeren Winkel, ist die Elektronendichte am höchsten. Dort entsteht dann der sogenannte „Fontäneneffekt“, bei dem Ionen nach Norden und Süden verdrängt werden und die Teilchendichte dort erhöht wird. 

In einem NASA-Video werden die Magnetfeldlinien in Gelb dargestellt, die Ionen als blaue Punkte, die sich entlang der Feldlinien bewegen. Sie fallen in Richtung Erde und verbinden sich mit freien Elektronen, was als rotes Blinken dargestellt ist: 

Unerwartete X-Form beobachtet

GOLD-Daten haben bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass Ionen nach einem Sonnensturm oder starken Vulkanausbrüchen über dem magnetischen Äquator eine X-Form annehmen können. Jetzt konnte aber das erste Mal gezeigt werden, dass eine solche Form auch ohne diesen äußeren Einfluss entstehen kann. 

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„Das X ist seltsam, weil es impliziert, dass es viel mehr lokal Antriebsfaktoren gibt“, sagt Jeffrey Klenzing, Forscher am Goddard Space Flight Center der NASA in einem Statement. Eigentlich erwarte man die X-Form während eines Extremereignisses, nicht in der „Ruhezeit“.

Die Daten zeigen die X-Form der Teilchen

Mithilfe von Computermodellen identifizierten die Forschenden Vorgänge in der unteren Atmosphäre als Auslöser. Sie könnten das Plasma nach unten ziehen und die X-Form schaffen. Die Ergebnisse der Studie wurden bereits im April im Fachmagazin Journal of Geophysical Research: Space Physics veröffentlicht

Auch C-Formen verhalten sich ungewöhnlich

Doch nicht nur Bereiche mit hoher Teilchendichte können für merkwürdige Strukturen sorgen. In der Nacht können sich in der Ionosphäre auch Blasen mit geringer Plasmadichte bilden. Das kann GPS- und Funksignalstörungen verursachen. Diese Blasen sind normalerweise langgezogen und gerade entlang der Magnetfeldlinien. Doch GOLD konnte man beobachten, dass sie auch eine gekrümmte C-Form annehmen können.

Die beiden gegensätzlichen C-Formen finden sich in nächster Nähe

Geformt werden sie von irdischem Wind. Nimmt er mit der Höhe zu, formt er ein C, nimmt er mit der Höhe ab, ein umgekehrtes C. Kenzing vergleicht das mit der Wuchsrichtung eines Baumes, der in einer windigen Gegend wächst: „Wenn die Winde typischerweise von Osten kommen, beginnt der Baum zu kippen und in diese Richtung zu wachsen“.

Turbulenzen könnten Kommunikation und Navigation stören

Doch in einer Studie von November 2023 habe man beide Formen überraschend dicht beieinander beobachtet. Sie waren nur maximal 640 km voneinander entfernt. „In dieser Nähe waren diese gegensätzlich-geformten Plasmablasen undenkbar und wurden noch nie beobachtet“, erklärt Studienautor Deepak Karan. 

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Er vermutet, dass starke Turbulenzen dafür verantwortlich sein müssen, etwa ein Wirbel, eine Windscherung oder ein Tornado. „Dass wir so unterschiedliche Formen so nah beieinander haben, sagt uns, dass die Dynamik in der Atmosphäre komplexer ist, als wir erwartet haben“, sagt Klenzing. 

Das Phänomen sei sehr selten, denn bisher hat GOLD es nur 2 Mal beobachtet. Da es aber für einen Ausfall wichtiger Systeme wie GPS oder Funkkommunikation sorgen könnte, sei es besonders wichtig, die Ursache zu identifizieren, so Karan. 

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