Eine Drohne des Tiroler Unternehmens Twins GmbH.

Eine Drohne des Tiroler Unternehmens Twins GmbH.

© Twins GmbH

Science

Österreichs Grenze soll mit Wasserstoff-Drohnen überwacht werden

Obwohl Österreich fast ausschließlich von EU-Ländern umgeben ist, werden manche Grenzgebiete überwacht. Wenn in abgelegenen Wäldern Menschen über Staatsgrenzen schleichen oder Schlepper mit Lieferwägen entlegene Landstraßen passieren, übernimmt der Grenzschutz.  

Wie viele andere wollen auch die Behörden durch Technik effizienter werden. Bei hoheitlichen Aufgaben wie der Grenzüberwachung oder Katastrophenhilfe setzen sie deshalb vermehrt auf Robotik und Sensoren. 

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In einem  Projekt namens HyDroMon, das von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützt wird, entwickeln Experten derzeit ein plattformübergreifendes System, bei dem menschliche Grenzschützer, Wasserstoff-Drohnen und stationäre Radarsysteme als zusammenhängendes System für eine reibungslosere Überwachung sorgen sollen. 

Verdächtige im Gebiet

Die Technik dazu gebe es teilweise bereits, erklärt Projektleiter Markus Bergen von Joanneum Research der KURIER futurezone. „Derzeit werden Mastsysteme eingesetzt, die mit Radar, optischen und thermalen Kameras 10 bis 15 Kilometer weit ins Land reinschauen können“, sagt Bergen, ein Spezialist für Bildverarbeitung, Geoinformation und Multi-Sensor-Systeme.

Ein Mann mit Bart steht vor einem Bildschirm mit technischen Daten zu Sicherheit und Verteidigung.

Markus Bergen ist Spezialist für Bildverarbeitung, Geoinformation und Multi-Sensor-Systeme. Seit 2023 ist er Forscher am Joanneum. Davor war er unter anderem für das Verteidigungsministerium und die NATO tätig. 

Mit diesen Stationen könne man entfernte Objekte aber nur abstrakt detektieren: Ob es sich dabei um Autos, Personen oder etwas anderes handle, ließe sich damit jedoch meistens nicht genau feststellen. Bisher musste sich anschließend erst recht ein Mensch ein konkretes Bild von der Situation durch einen Lokalaugenschein verschaffen.  

Bergen und sein Team wollen nun beweisen, dass das auch automatisiert funktionieren kann. Das soll so aussehen: Wenn eine Basisstation, die mit einem Radar, Wärmebild- und Videokameras ausgerüstet ist, etwas Verdächtiges registriert, wird die Drohne losgeschickt. Die macht dann im nächsten Schritt ebenfalls Aufnahmen, allerdings aus nächster Nähe und mit höherer Auflösung. 

„Damit können wir  z. B. auch Personen unterm Blätterdach im Wald erkennen“, sagt Bergen. „Bevor ich Leute womöglich in eine gefährliche Situation schicke, kann auch eine Drohne näher hinfliegen.“ Menschliche Einsatzkräfte müssten dann nur mehr im Ernstfall ins Gebiet fahren, um Verdächtige anzuhalten.

Digitale Karte

Die von den Drohnen aufgenommenen Bilder werden über 4G- oder 5G-Mobilfunk übertragen. Eine KI soll das Lagebild vervollständigen. Dieses Computerprogramm trainieren Bergen und seine Kollegen mit einer großen Menge thermischer und optischer Daten – also Wärmebildern von Menschen, Tieren, Autos und anderem. Aus diesen erlernt die KI statistische Unterschiede und kann später einzelne Elemente identifizieren.

Aus dem Einsatzgebiet geschickte Aufnahmen werden von diesem Programm ausgewertet. Das Gesamtbild wird schließlich in einer digitalen Landkarte visualisiert, die sich die Einsatzkräfte ansehen können, bevor sie sich auf den Weg dorthin machen.

Die Drohnen

Die eingesetzten Wasserstoff-Drohnen stammen vom Tiroler Unternehmen Twins GmbH, das als Partner beim Projekt mit an Bord ist. Drohnen mit Wasserstoffantrieb gelten als sehr innovativ: „Gegenüber  batteriebetriebenen Drohnen bieten jene mit Wasserstoffantrieb große Vorteile, wie eine längere Laufzeit“, erklärt Bergen. 

„Akkubetriebene Drohnen mit 25 Kilogramm Gewicht haben typischerweise nur 30 Minuten Laufzeit“, sagt der Forscher. Bei der Überwachung von großen, entlegenen Gebieten sei das ein Problem. „Wasserstoff hat den Vorteil, dass wir selbst bei einem Multirotorgerät bis zu 6 Stunden Flugzeit erreichen können“, erklärt er. 

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Gegenüber Geräten mit klassischem Verbrennungsmotor hätten sie  wiederum den Vorteil, dass sie viel leiser und umweltfreundlicher sind. Herausfordernd  sei allerdings die regelmäßige Betankung –  Wasserstoff ist nicht so leicht verfügbar wie andere Treibstoffe. 

Beim heuer gestarteten Projekt, das bis 2026 läuft, sind auch praktische Tests geplant. Die werden allerdings nicht in einem richtigen Grenzgebiet, sondern auf Militärgelände stattfinden. 

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Souveräne Systeme

Komplett neu sind Systeme wie das bei HyDroMon entwickelte grundsätzlich nicht. In anderen Ländern gibt es bereits ähnliches. „Wir bauen damit in Österreich entsprechendes Know-how und die Technologie auf, damit sie den Bedarfsträgern zur Verfügung steht. 

Es geht auch um technologische und strategische Souveränität“, sagt Bergen. Nach dem Abschluss könnte aus dem Projekt ein Komplettpaket zur behördlichen Grenzüberwachung hervorgehen.

Fakten

Gebiete
Das entwickelte System dient speziell für die Überwachung von sogenannten „Grünen Grenzen“. Das sind Grenzverläufe in der Natur abseits von Siedlungsgebieten.

Sensordatenfusion
ist im militärischen Kontext derzeit beliebt. Gemeint ist, dass die Daten von verschiedenen Sensoren, wie Radar- und Kameradaten, kombiniert werden und ein besseres Gesamtbild ergeben.

6 Stunden
kann eine Drohne mit Wasserstoffantrieb in der Luft bleiben. Die Flugzeit bei ähnlich großen akkubetriebenen Drohnen liegt bei 30 Minuten.

Thema mit Konfliktpotenzial

Wenn das Innen- oder das Verteidigungsministerium  Forscher beauftragen, gibt es oft auch gesellschaftliche Fragen zu klären. Die Fördergeber verlangen deshalb, dass Sozialwissenschaftler dabei sind. Der Soziologe René Kastner begleitet seit fast sieben Jahren Projekte wie HyDroMon. 

„Im Projekt diskutieren und bearbeiten wir auch die ethischen Perspektiven. Es ist wichtig, dafür das nötige Bewusstsein zu schaffen“, erklärt Kastner. Denn die Überwachung von Grenzen und Geflüchteten ist ein heikles Thema. „Es gibt hier kein Schwarz und Weiß“, sagt Kastner. Einerseits seien Menschen in Not, andererseits ist der Grenzschutz eine wichtige Aufgabe des Staates.  

Bei HyDroMon sei daher entscheidend, dass man nicht nur auf Zuruf der Maschine handle: „Die finalen Entscheidungsprozesse sollen immer beim Menschen bleiben. Das heißt, nachdem Bildmaterial erhoben wird, entscheidet nicht das System, ob ein nächster Schritt gemacht wird.“

Privatsphäre wahren

Ein weiteres Thema ist die Privatsphäre von Anrainern, deren Daten unbedingt geschützt werden müssen. Denn auch Spaziergänger könnten ins Visier einer Drohne geraten. „Im Verdachtsfall kann eine Drohne einen Pilzsammler überraschen“, sagt der Soziologe. Er glaubt aber, dass man den Unterschied anhand von Bewegungsmustern erkennen kann: „Ein Mensch, der sich versteckt und versucht, nicht aufzufallen, bewegt sich anders als jemand, der nur Pilze sammelt oder spazieren geht.“ Macht eine Drohne Aufnahmen von Spaziergängern, müssten diese unkenntlich gemacht werden. 

Dass das Drohnen-System zu einer flächendeckenden Überwachung der Bevölkerung verwendet werden könnte, hält er für unwahrscheinlich. „So wie ich unseren Staat seit mittlerweile 42 Jahren kennengelernt habe, ist er sehr stabil. Das System ist nur auf die Behördenseite beschränkt und soll nicht von Privatunternehmen genützt werden“, erklärt Kastner.

*Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

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Jana Unterrainer

Überall werden heute Daten verarbeitet, Sensoren gibt es sogar in Arktis und Tiefsee. Die Welt hat sich durch die Digitalisierung stark verändert. Das interessiert mich besonders, mit KI und Robotik steigt die Bedeutung weiter enorm.

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Jana Unterrainer

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