
Type 055
Kill-Netz: Chinesischer Zerstörer Type 055 wehrt 8 Arleigh Burke ab
Chinesische Forscher haben einen Kampf zwischen den chinesischen und amerikanischen Seestreitkräften simuliert. Dabei wurde untersucht, wie groß ein „Kill-Netz“ sein muss und wieviel die Munition kostet, um gegen eine Übermacht der US Navy zu bestehen.
Als Kill-Netz beschreiben die Wissenschafter eine Gruppe von Drohnen und Drohnenschiffen, die bemannten Schiffen beistehen. Der Ausdruck Netz bezieht sich auf eine Formation, die von den Drohnen vor den bemannten Schiffen eingenommen wird. Sie positionieren sich in gleichmäßigen Abständen (so wie die Knoten eines Netzes), um eine Art Schutzschirm für die menschlichen Verbündeten zu bilden.

Für die Simulation wurde ein Type 055 Zerstörer (hier im Bild) von einem Kill-Netz beschützt
© Chinesische Marine
Das simulierte Gefecht hat laut scmp ein paar Hundert Kilometer östlich von Taiwan stattgefunden. Das ist kein Zufall: China hat das Ziel ausgerufen, dass die die Streitkräfte bis 2030 modernisiert genug sein müssen, um erfolgreich Taiwan zu erobern. Die USA haben wiederum angekündigt, dass sie eingreifen werden, falls China die Invasion wirklich starten wird. Und der ausgewählte Punkt der Simulation befindet sich zwischen Taiwan und Japan. Die US-Streitkräfte haben mehrere Stützpunkte in Japan, weshalb ein Angriff von dieser Richtung für China als sehr wahrscheinlich gilt.
Drohnen zerstören Antischiffsraketen
Bei der Simulation steht ein chinesischer Zerstörer Type 055 gleich 8 amerikanischen Zerstörern der Arleigh-Burke-Klasse gegenüber. Der Type 055 wird von 2 Drohen-Mutterschiffen begleitet. Diese nehmen eine Position vor dem Zerstörer ein. Sie setzen 32 fliegende Drohnen und 14 Drohnenboote frei.

Aufbau der Simulation: Ganz links ist das Ziel, das China verteidigen will. Es folgt der Type 055, vor ihm stehen 2 Drohnen-Mutterschiffe. Dann folgt das Netzwerk aus fliegenden Drohnen und Drohnenbooten. Rechts in Bild (blau) sind die 8 US-Zerstörer
© China Ship Development and Design Centre
Die 8 US-Zerstörer starten insgesamt 32 Raketen, eine Mischung aus Tomahawks und LRASM, die alle auf den Type 055 zielen. In der Simulation arbeiten die Drohnen mit dem chinesischen Zerstörer zusammen, um alle Raketen erfolgreich abzuwehren. Der Type 055 ist unbeschädigt und die Drohnen haben noch genug Munition, um eine zweite Welle amerikanischer Raketen abzuwehren.
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Type 055: Chinas Modernster Zerstörer
Der Type 055 ist ein chinesischer Stealth-Zerstörer, auch bekannt als Renhai-Klasse. Das Schiff wurde so designt, dass die Radar- und Infrarotsignatur möglichst gering ist. Auch die Lautstärke im Wasser soll reduziert sein, damit er schwieriger mit Sonar aufzuspüren ist.
Der Type 055 ist relativ neu. Die ersten Schiffe wurden 2020 in Dienst gestellt. Aktuell hat die chinesische Marine 8 Stück davon im Einsatz, weitere 4 befinden sich im Bau. Die Hauptaufgabe des Type 055 ist die Flugabwehr und Bekämpfung von U-Booten. Er ist der primäre Begleitschutz für Chinas Flugzeugträger.
Die Maximalgeschwindigkeit beträgt 56 km/h, die Reichweite 9.300 km. Er ist 180 Meter lang. Bei voller Beladung beträgt die Verdrängung bis zu 13.000 Tonnen. Laut NATO-Standard wäre er damit als Kreuzer klassifiziert – die drittgrößten Kriegsschiffe nach Flugzeugträgern und amphibischen Angriffsschiffen. Die chinesische Marine hat ihn aber als Lenkwaffen-Zerstörer eingestuft.
Simulation sollten Kosteneffizienz beweisen
Wie der Kampf weitergeht, verraten die Forscher nicht. Denn Ziel der Simulation ist nicht einen Sieger zu ermitteln, sondern die ungefähren Kosten, um mit dem Kill-Netz einen amerikanischen Raketenangriff abzuwehren. Deshalb wurde nur die Defensivsituation simuliert. Demnach sei das Kill-Netz nicht nur sehr effizient, sondern auch kostengünstig.
Die Forscher gehen davon aus, dass jedes Drohnenboot 2 Raketen zur Luftabwehr an Bord hat: Eine für kurze Strecken, die umgerechnet 410.000 US-Dollar kostet, und eine für mittlere Distanzen um 1,09 Millionen US-Dollar. Damit sei man schon mal günstiger unterwegs als die US Navy mit den amerikanischen Raketen-Gegenstücken. Als Kurzstreckenrakete ziehen die Forscher die RIM-116 heran, die laut ihnen eine Million US-Dollar pro Stück kostet. Für Mittelstrecken wird die Flugabwehrrakete SM-2 mit 2,4 Millionen US-Dollar kalkuliert.
Die Gesamtkosten, um 32 Antischiffsraketen der US Navy abzuwehren, liegen damit zwischen 21,9 Millionen US-Dollar und 36,9 Millionen US-Dollar. Der höhere Betrag kommt zustande, falls mehr Mittelstrecken- statt Kurzstreckenraketen eingesetzt werden, um das Risiko zu minieren, dass eine amerikanische Antischiffsrakete durch das Kill-Netz schlüpft. Wird eine LRASM etwa von einer Mittelstreckenrakete verfehlt, kann sie danach immer noch von einer Kurzstreckenrakete abgeschossen werden.
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Amerikanischer Angriff kommt teurer
Selbst die 36,9 Millionen US-Dollar sind aber ein Schnäppchen im Vergleich dazu, was der Verlust des Type 055 kosten würde. Der moderne, chinesische Zerstörer kostet in etwa 900 Millionen US-Dollar.
Auch vergleichen mit den Kosten des Raketenangriffs für die US Navy ist die chinesische Abwehr günstig. Ein Tomahawk-Marschflugkörper, der in der Version Block V auch Schiffe bekämpfen kann, kostet über 2 Millionen US-Dollar.
Die modernere Antischiffrakete AGM-158C LRASM, die Stealth-Eigenschaften aufweist und von Flugzeugen oder Schiffen gestartet werden kann, kommt auf 3,24 Millionen US-Dollar. Bei einer 50:50-Aufteilung hat die Navy bei der Simulation 83,4 Millionen US-Dollar verballert, ohne einen einzigen Treffer zu landen.
Der Vergleich hinkt
Rein von den Kosten her gewinnt China also – was den Forschern vorerst reicht, um die Sinnhaftigkeit des Kill-Netzes zu beweisen. Sie erwähnen, dass das Szenario nicht die volle Stärke des Systems zeige. Wird das Kill-Netz implementiert und ausgebaut, würde es Informationen von Satelliten miteinbeziehen, sowie bemannte Kampfjets, Radarflugzeuge zum Aufspüren der Feinde und U-Boote. Das Netz könnte natürlich auch Offensiv-Aktionen koordinieren und ausführen, so, dass chinesische Piloten und Matrosen einem möglichst geringen Risiko ausgesetzt werden.
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Bleibt man aber rein bei der aktuellen Simulation der Forscher, hat der Type 055 schlechte Überlebenschancen, trotz Kill-Netz. Die aktuellen Zerstörer der Arleigh-Burke-Klasse haben 96 Zellen, um Tomahawks, LRASM und Flugabwehrraketen zu starten. Selbst, wenn nur 10 Stück der Zellen mit Antischiffraketen bestückt sind, wären das 80 Raketen – also mehr als 2 Angriffswellen, wenn es nach den Berechnungen der chinesischen Forscher geht.
Zudem haben die Zerstörer zusätzlich je 4 NSN-Antischiffraketen an Bord. Diese haben mit 250 km weniger Reichweite als Tomahawk (über 1.600 km) und LRSAM (370 km). Befindet sich der Type 055 aber innerhalb dieser Reichweite, könnten so 2 NSN-Wellen mit je 16 Stück oder ein Sättigungsangriff mit allen 32 Stück auf einmal gestartet werden.
Gegenangriff von China
Der Type 055 ist mit 112 Zellen für den Start von diversen Raketen ausgestattet. Selbst wenn 40 Stück davon mit Seeflugkörpern bestückt sind, wären das „nur“ 5 Raketen pro Arleigh-Burke-Zerstörer. Zur Abwehr der chinesischen Raketen können die Arleigh-Burke-Zerstörer ihre SM-2-Mittelstreckenraketen und die RIM-116 für kurze Distanzen einsetzen.
Zwar hat auch der Type 055 mehrere Abwehrmöglichen, wie etwa die 30mm-Kanone H/PJ-11 und 24 HHQ-10 Kurzstreckenraten. Bei 16 oder 32 Raketen, die womöglich von mehreren Richtungen auf ihn zu fliegen, ist die Chance aber sehr hoch, dass zumindest eine davon ins Ziel geht, wenn das Kill-Netz zuvor seine Abwehrmunition verschossen hat.
Spannender wird es, wenn die Drohnen und Drohnen-Boote des Kill-Netzes zusätzlich eine Angriffsfunktion haben – etwa als Kamikazedrohnen agieren können. Gleichmäßig aufgeteilt würde jeder Arleigh-Burke-Zerstörer von 4 fliegenden Drohnen und einem oder 2 Drohnenbotten angegriffen werden. Die 4 Flugziele sollten aber mit den Luftabwehrraketen recht gut bekämpft werden können.
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Da die Drohnen vermutlich auch langsamer als Raketen fliegen, können sie sich zusätzlich mit dem 127mm-Geschütz und den 2 25mm-Maschinenkanonen MK 38 bekämpfen lassen. Beide können außerdem genutzt werden, um die Drohnenboote zu zerstören.
Auch USA wollen auf Drohnen setzen
Die beste Chance hätte China in dieser Simulation, wenn der Type 055 alle seine Antischiffsraketen auf einmal abfeuert und die Drohnen gleichzeitig angreifen. Dann müsste jeder US-Zerstörer 9 oder 10 fliegende und schwimmenden Ziele vernichten, um nicht getroffen zu werden.
Allerdings ist in der chinesischen Simulation nicht vorgesehen, dass der Schiffsverband der US Navy ebenfalls von Drohnen begleitet wird. Die USA haben mit Replicator 2023 ein Programm geschaffen, um Tausende günstige Drohnen zu beschaffen, die im Pazifik eingesetzt werden sollen. Dies ist eine Reaktion auf Chinas militärische Strategie, die sehr stark auf Drohnen setzt.
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Außerdem gibt es eine Ausschreibung für günstige Antischiffsraketen. Mehrere Start-ups wollen Seeflugkörper bauen, die nur ein Zehntel einer LRASM kosten. Ein Angriff mit 32 Stück dieser Raketen würde dann nur noch 9,6 Millionen US-Dollar kosten – also weniger als die 21,9 Millionen US-Dollar Abwehrkosten, die die chinesischen Forscher bei ihrer Simulation für das Kill-Netz berechnet haben.
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