Künstlerische Darstellung der 4 AGM-158C

Künstlerische Darstellung der 4 AGM-158C

© Lockheed Martin

Militärtechnik

Schwarmangriff mit Stealth-Raketen: Historischer Test der US Navy

Die US Navy und Lockheed Martin bezeichnen das Ereignis als „historisch. Zum ersten Mal wurden 4 AGM-158C Antischiffsraketen gleichzeitig abgefeuert.

Es war lange üblich, dass solche Marschflugkörper einzeln bzw. verzögert gestartet werden. Danach wird versucht, die Wirkung am Ziel aufzuklären bzw. zu analysieren, bevor weitere Antischiffsraketen gestartet werden. Bei diesem Test haben aber 2 F/A-18E/F Kampfjets gleichzeitig die 4 Raketen gestartet.

Raketen kommunizieren miteinander

Bei den Raketen handelt es sich um die AGM-158C LRASM (Long Range Anti Ship Missile). Das sind Marschflugkörper mit Stealth-Eigenschaften, die gegen Schiffe eingesetzt werden. Das Besondere daran ist, dass sie miteinander kommunizieren können.

➤ Mehr lesen: Das sind die 10 größten Flugzeugträger der Welt

Durch die Sensoren erstellt jede AGM-158C beim Fliegen eine elektronische Live-Karte des Schlachtfelds. Diese wird mit den anderen Marschflugkörpern geteilt. In jeder Rakete entscheidet dann eine KI, welcher der beste Kurs zum Ziel ist, um Luftabwehr zu vermeiden. Werden im Zielgebiet mehrere Schiffe erkannt, kann die AGM-158C das Ziel priorisieren. Sind mehrere AGM-158C im Anflug, sprechen sie sich durch die Kommunikation ab, welche Rakete welches Ziel angreift.

 AGM-158C im Flug

 AGM-158C im Flug

Passive Sensoren erkennen Radar- und Funksignale

Möglich wird das alles durch eine Kombination aus mehreren Technologien. Zum Zielgebiet findet die AGM-158C per GPS/INS, wie die meisten modernen Marschflugkörper. Wird das GPS-Signal blockiert, springt das Trägheitsnavigationssystem (INS) ein.

➤ Mehr lesen: Russische Cruise Missile Kh-101 wirft Täuschkörper ab

Die AGM-158C hat passive Radarsensoren, um Luftabwehrstellungen aufzuspüren. Der Kurs wird dann geändert oder sie fliegt knapp über dem Meer, um die Luftabwehrmaßnahmen zu umgehen.

 AGM-158C

 AGM-158C

Ein weiterer passiver Sensor erkennt Funksignale. Anhand der Komplexität der Funksignale kann das Ziel identifiziert werden. Ein feindlicher Flugzeugträger hat etwa ein anderes Signalprofil als ein Zerstörer oder ein ziviles Frachtschiff.

Rakete greift gezielt Schwachpunkte der Schiffe an

Im Zielgebiet nutzt die AGM-158C einen optischen Infrarotsuchkopf, um das Ziel zu bestätigen. Der ermöglicht es der Rakete außerdem, die Schwachstelle des Schiffs zu treffen. Die Genauigkeit der AGM-158C soll innerhalb eines 3-Meter-Radius des anvisierten Zielpunkts liegen.

Die AGM-158C sendet lediglich das schwache Signal zum Datenaustausch aus. Alle anderen Sensoren und die Zielerkennung sind passiv, was der Luftabwehr das Aufspüren der Rakete erschwert. Der geringe Radarquerschnitt und die niedrige Flughöhe im Zielanflug, erhöhen ebenfalls die Chance, dass die AGM-158C nicht abgefangen wird.

➤ Mehr lesen: Stealth-Fighter F-35 schießt nach 8 Jahren endlich geradeaus

Neue Version mit mehr Reichweite

Von der AGM-158C gibt es 2 Versionen. Welche davon getestet wurde, ist nicht klar. Der Hersteller Lockheed Martin spricht gegenüber twz.com von „der neuesten Evolution des Waffensystems“. Die aktuelle Variante, die seit 2017 in der Massenproduktion ist, ist die C-1. Derzeit wird an der C-3 gearbeitet. Die C-1 hat eine Reichweite von bis zu 370 Kilometern. Bei der C-3, die 2026 bei der US Navy eingeführt werden soll, sollen es bis zu 950 Kilometer sein.

F/A-18E/F mit AGM-158C

F/A-18E/F mit AGM-158C

Die C-3 wird vermutlich denselben Sprengkopf wie die C-1 nutzen. Der WDU-42/B wiegt 453 Kilogramm und enthält 110 Kilogramm AFX-757 Sprengstoff. Der Sprengkopf ist designt, um die Panzerung des Ziels durchzuschlagen, im Inneren zu explodieren und dabei eine Splitterwirkung zu erzeugen.

Signal an China

Weder Lockheed Martin noch die US Navy haben Details zum Test bekannt gegeben. Sie berufen sich auf die Geheimhaltung. Es ist also nicht bekannt, ob die Ziele mit scharfen Sprengköpfen oder Dummys beschossen wurden – oder was überhaupt das Ziel oder die Ziele waren. Auch ist nicht bekannt, ob die 4 AGM-158C nach dem Start im Verbund zum Zielgebiet geflogen sind, oder sich aufgeteilt haben, um das Ziel oder die Ziele von verschiedenen Richtungen anzugreifen.

Die Air Force nutzt den B-1B Bomber, um die AGM-158C zu starten

Die Air Force nutzt den B-1B Bomber, um die AGM-158C zu starten

Letzteres ist den USA besonders wichtig, in der aktuellen geopolitischen Situation. China rüstet seine Seeflotte massiv auf. Schon mehrfach wurde angedroht, bei einer Invasion von Taiwan nicht davor zurückzuschrecken, US-Ziele anzugreifen – sollten die USA versuchen, Taiwan zu helfen.

➤ Mehr lesen: Neue Technologie aus China könnte Flugzeugträger revolutionieren

Stealth- und Schwarmangriffe, oder am besten eine Kombination aus beidem, wie es die AGM-158C bietet, werden als wichtige Taktik gesehen, um die chinesische Marine anzugreifen. Werden die Raketen erst kurz vor dem Einschlag erkannt und kommen diese zu mehrt und aus verschiedenen Richtungen, soll das die Luftabwehrmaßnahmen der Schiffe überfordern. Selbst wenn beim Angriff ein paar AGM-158C zerstört werden, können sich die verbleibenden Raketen durch den Datenaustausch neu organisieren, um zumindest das wichtigste Ziel zu treffen.

AGM-158C im Hangar eines Flugzeugträgers

AGM-158C im Hangar eines Flugzeugträgers

3 Millionen Dollar pro Rakete

Der Nachteil von Schwarmangriffen mit High-Tech-Marschflugkörpern: die Kosten. Im Budgetplan für 2025 will die US Navy 90 AGM-158C kaufen, die Air Force 115. Derzeit sieht der Plan noch eine Mischung aus den Varianten C-1 und C-3 aus. Ab 2026/2027 will zumindest die US Navy nur noch C-3-Varianten kaufen.

Der Stückpreis für beide Versionen wurde mit ca. 3 Millionen US-Dollar kalkuliert. Bis 2030 wollen die US Navy und US Air Force zusammen über 1.000 AGM-158C anschaffen. „Bis 2030“ ist auch für China ein Benchmark. Die chinesische Regierung hat angekündigt, dass das Militär bis 2030 fit sein soll, um Taiwan erobern zu können.

Stealthy Rakete ist nicht stealthy genug für Stealth Fighter

Abgesehen von den hohen Kosten, hat die AGM-158C einen weiteren Nachteil. Sie ist zu groß, um in den internen Waffenschacht des Stealth-Fighters F-35 zu passen. Er kann sie zwar extern mitführen, das reduziert aber die Stealth-Fähigkeiten des Flugzeugs. Dennoch sollte ein F-35 mit externen AGM-158C immer noch einen geringeren Radarquerschnitt haben als die F/A-18E/F, die keine Tarnkappenfähigkeiten aufweist.

So könnte eine F-35 mit AGM-158C aussehen (künstlerische Darstellung)

So könnte eine F-35 mit AGM-158C aussehen (künstlerische Darstellung)

Zurzeit kann die US Navy die AGM-158C nur von der F/A-18E/F starten, die auf Flugzeugträgern stationiert ist. Die Integration der F-35 ist in Arbeit, ebenso der P-8 Poseidon. Außerdem könnte die AGM-158C von Schiffen mit Mk-41-Raketenstartern genutzt werden. Diese gibt es auf mehreren Kreuzern, Zerstörern und Fregatten der US Navy.

Bei der US Air Force wird die AGM-158C aktuell nur beim B-1B Bomber eingesetzt. Die Air Force hat aber die Landziel-Variante der AGM-158 für die Bomber B-52 und B-2, sowie die Kampfjets F-15E und F-16 zertifiziert. Bei Bedarf dürfte sich also die AGM-158C ebenfalls in diese Flugzeuge integrieren lassen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Kommentare