Der Quanten KI Chip "Willow" von Google Quantum AI.
Quantenprozessor: Erstmals exotischer Materiezustand erzeugt
Fest, flüssig, gasförmig - diese Aggregatzustände kennt jeder von uns aus der Schule. Solche Zustände setzen normalerweise voraus, dass es sich um ein "stabiles System" handelt. Kühlt man hochreines Wasser in einer Flasche aber unter 0 Grad Celsius ab, reicht eine kleine Erschütterung aus, um es vom flüssigen in den festen Zustand zu bringen.
Dieses instabile System - das Wasser in der Flasche, das bei dieser Temperatur eigentlich Eis sein sollte - ist durch die Erschütterung aus dem Gleichgewicht gebracht worden und hat dadurch seinen Aggregatzustand verändert.
Es gibt aber auch Zustände, die nur entstehen, wenn man ein System aus dem Gleichgewicht bringt. Diese existierten bisher nur in der Theorie - bis jetzt. Forschern der TU München ist es nämlich gelungen, solche exotischen Materialzustände in Quantencomputern tatsächlich zu erzeugen.
Nicht-Gleichgewichts-Quantenphasen
Diese sogenannten Nicht-Gleichgewichts-Quantenphasen können sich etwa periodisch, also in regelmäßigen Abständen, verändern. So ein Rhythmus ist in einem stabilen System mit herkömmlichen Aggregatzuständen unmöglich.
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Die Forscher der TUM nutzten nun einen Quantenprozessor mit 58 supraleitenden Qubits, um diese Zustände zu realisieren. In dem Quantencomputer erstellten sie einen sogenannten "Floquet-topologisch geordneten Zustand" - ein Aggregatzustand, der bisher noch nie beobachtet worden war, allerdings theoretisch möglich sein sollte.
Material verhält sich innen anders als außen
Ein "Floquet-topologisch geordneten Zustand" wird erreicht, indem man ein Material in regelmäßigen Zeitabständen anregt, etwa mit einem Laserpuls. Dann kann es sein, dass sich das Material an seinen Grenzen ganz anders verhält als in seinem Inneren - das Innere kann etwa Strom leiten, die Außenflächen aber nicht.
Für die Quantenforschung sind solche Zustände interessant, weil Materialeigenschaften nach Bedarf erzeugt werden können. Mit herkömmlicher Technik lassen sich solche Zustände aber nicht erstellen. "Die Simulation hochgradig verschränkter Nicht-Gleichgewichtsphasen stellt klassische Computer vor nahezu unlösbare Probleme", sagt Erstautorin Melissa Will von der TUM. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass Quantenprozessoren nicht nur Rechenmaschinen sind – sie sind auch leistungsstarke experimentelle Plattformen zur Entdeckung und Untersuchung völlig neuer Aggregatzustände."
Die Experimente wurden dabei aus der Ferne auf dem 72-Qubit-Prozessor Sycamore und dem 105-Qubit-Prozessor Willow von Google durchgeführt.
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