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Science

Querschnittgelähmter kann dank Implantat wieder gehen

Der Querschnittgelähmte Gert-Jan Oskam kann dank eines Implantats nach 12 Jahren wieder gehen. Die Bewegungen kann er dabei mit seinen Gedanken steuern. Den Nachweis publizierte das Forschungsteam am Mittwoch im Fachblatt "Nature". Die Forschenden der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) und des Universitätsspitals Lausanne (Chuv) implantierten dem heute 40-jährigen Probanden dafür 2 verschiedene Systeme.

Einerseits 2 Implantate in die Schädeldecke, andererseits Elektroden ins Rückenmark. Grégoire Courtine von der EPFL und seine Kolleginnen und Kollegen testeten die neuen Implantate bisher an einem Patienten: Seit einem Velo-Unfall sind die Beine des Niederländers gelähmt. Dank den Implantaten kann er mit Hilfe eines Rollators oder Krücken nun wieder eingeschränkt, aber eigenständig stehen, gehen und sogar Treppen steigen.

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"Letzte Woche musste etwas im Haus gestrichen werden, und es war niemand da, der mir helfen konnte. Also habe ich die Gehhilfe genommen und es selbst gemacht. Stehend", sagte der Niederländer an einer Vorstellung der neuen Studie vor den Medien. Er könne etwa 200 Meter gehen, dann ermüde er. Stehen könne er 2 bis 3 Minuten, ohne die Hände zu brauchen.

Verbesserte Wahrnehmung

Darüber hinaus führte die neurorehabilitative Unterstützung laut der Studie zu einer Verbesserung der neurologischen Genesung. Die Forschenden beobachteten Verbesserungen seiner sensorischen Wahrnehmungen und motorischen Fähigkeiten, selbst wenn die digitale Verbindung ausgeschaltet war.

Die Implantate im Rückenmark und am Gehirn kommunizieren dabei laut den Studienautor*innen über eine Art "digitale Brücke" miteinander. Eine Rückenmarksverletzung kann die Kommunikation zwischen dem Gehirn und dem Bereich des Rückenmarks, der das Gehen steuert, unterbrechen, was zu Lähmungen führt. Das sogenannte Brain-Spine-Interface (BSI) stellt diese Kommunikation wieder her.

Die Schädel-Implantate messen mit 64 Elektroden die Aktivität des Gehirns. Auf Grundlage dieser Daten errechnet eine künstliche Intelligenz die gewollte Bewegung und übersetzt sie in Stimulierungsbefehle, die dann kabellos an das Elektrodenarray mit 16 Elektroden im Rückenmark weitergegeben werden. Da stimulieren die Elektroden sogenannte Motor-Neuronen, und aktivieren so gezielt die Muskeln.

Das Gerät im Rückenmark hatte das Lausanner Team bereits vor rund 5 Jahren entwickelt, und an mehreren Patientinnen und Patienten getestet. Bisher musste der Befehl zum Gehen aber über ein Tablet eingegeben werden. Das Steuern mit Gedanken macht die Bewegungen laut den Studienautorinnen und Autoren aber flüssiger und natürlicher.

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Das BSI musste dafür erst kalibriert werden. Oskam wurde gebeten, sich Bewegungen bildlich vorzustellen, beispielsweise die Bewegung eines Beins. Mit den Elektroden am Gehirn wurden die entsprechenden Signale gemessen. Auf diese Weise wurde eine künstliche Intelligenz trainiert, die Hirnsignale in Signale an die Rückenmark-Elektroden zu übersetzen. "Wir haben diese Kalibrierung in ein paar Minuten durchgeführt. Seither funktioniert es zuverlässig", sagt Studienautorin Jocelyne Bloch vom Chuv.

BSI soll weltweit verfügbar werden

"Das Konzept einer digitalen Brücke zwischen Gehirn und Rückenmark läutet eine neue Ära in der Behandlung von motorischen Defiziten aufgrund neurologischer Störungen ein", schrieben die Wissenschaftler*innen in der Studie. Eine vergleichbare Strategie könnte künftig auch zur Wiederherstellung von Arm- und Handfunktionen eingesetzt werden.

Die Forscherinnen und Forscher aus Lausanne wollen das BSI nun möglichst schnell weltweit verfügbar machen. Vom European Innovation Council (EIC) haben sie laut einer Mitteilung des Chuv Unterstützung erhalten, um eine kommerzielle Version der digitalen Brücke zu entwickeln.

Expert*innen warnen vor falscher Hoffnung

Unabhängige Forscherinnen und Forscher warnen jedoch vor falschen Hoffnungen. "Wie immer bei solchen spektakulären Einzelberichten kann seriöserweise nicht auf eine Lösung für andere Betroffene geschlossen werden", sagte Winfried May von der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik zum Science Media Center. Zu unterschiedlich seien die Lähmungsbilder bei Querschnittlähmung und damit die Aussichten auf Wiederherstellung von Bewegungskontrolle mit oder auch ohne Einsatz technischer Hilfen.

"Bei manchen Patientinnen und Patienten werden ähnliche Verbesserungen möglich sein, bei sehr vielen jedoch nicht. Auch muss in jedem Einzelfall immer zwischen Invasivität, Aufwand und Risiken gegenüber dem erzielbaren Nutzen abgewogen werden."

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