Das „Solar Gate“ Gebäude mit seiner markanten Holzfassade bei Dämmerung.

Solar Gate

© Roland Halbe/University of Stuttgart

Science

Vierdimensionaler 3D-Druck sorgt für kühle Räume

In Zeiten wie diesen ist Schatten ein Luxus. Denn vor allem in Städten staut sich die Hitze und erfordert neue Routinen, um Wohnungen kühl zu halten: Lüften ist nur in den Morgen-, Abend- und Nachtstunden erlaubt, tagsüber muss alles abgedunkelt werden und dann bleibt nur mehr zu hoffen, dass man nachts ein Auge zubekommt.

Praktisch wäre es, wenn sich dieser Schutz vor der Sonne automatisch einstellt und so die Hitzebelastung in Gebäuden reduziert. So ein System haben Forschende der Universitäten Stuttgart und Freiburg erfunden. Mit „Solar Gate“ haben sie ein energieautarkes Fassadensystem entwickelt, das sich automatisch an das Wetter anpasst, ganz ohne Strom oder Bedienung. Inspiriert wurden sie von der Natur.

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Kühles Klima ohne Strom

Gegen die empfundene Hitze helfen auch Klimaanlagen. Die sind allerdings oft teuer in der Anschaffung und verbrauchen viel Strom. „Studien zeigen, dass adaptive Fassadenbeschattungssysteme die CO2-Emissionen von Gebäuden um bis zu 30 Prozent reduzieren könnten“, sagt die beteiligte Forscherin Ekin Sila Sahin. 

Denn damit „Solar Gate“ Schatten spenden kann, braucht es keinen Strom und das hilft uns auch bei der Herausforderung Klimakrise. Im Vergleich zu anderen Systemen dieser Art geht Solar Gate laut Sahin aber auch mit weniger Kosten, Wartungsaufwand und Komplexität einher. 
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Wetterabhängige Verschattung 

 Das Verschattungssystem „Solar Gate“ kann den Bedarf an Kühlung und Heizung verringern. Denn die anpassungsfähigen Fassaden öffnen oder schließen sich bei bestimmter Lufttemperatur und Feuchtigkeit. 

Die Verschattungselemente von Solar Gate.

Die Verschattungselemente von Solar Gate 

Im Winter öffnen sich die Verschattungselemente, sodass Sonnenlicht hereinkommt und der Innenraum erwärmt wird. Im Sommer hingegen schließt sich das Verschattungssystem, wodurch die Sonneneinstrahlung und damit die Hitzebelastung reduziert wird. 

Von Kiefernzapfen inspiriert

Auf die Idee des anpassbaren Verschattungssystems sind die Forscher gekommen, weil sie sich die Bewegungsmechanismen von Kiefernzapfen als Vorbild genommen haben. Diese besitzen nämlich eine Eigenschaft, die als Hydromorphie bezeichnet wird. Damit ist gemeint, dass sich die Schuppen der Kiefernzapfen je nach Luftfeuchtigkeit öffnen oder schließen, ohne dafür Stoffwechselenergie zu benötigen. 

Möglich macht das Zellulose, also die am häufigsten auf der Erde vorkommende Biomasse. Kommt Zellulose mit Feuchtigkeit in Kontakt, quillt sie auf, wodurch die Beschattungselemente weniger Sonne in das Gebäude lassen. Bei trockener Luft kehrt sich dieser Prozess um. 

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Hergestellt im 4D-Druck 

Diese Zellulose haben die Forscher verwendet, um damit das Verschattungssystem, bestehend aus Zellulose-Doppelschichten, mithilfe eines 3D-Druckers herzustellen. Es handelt sich dabei aber eigentlich um einen 4D-Druck

Eine Hand hält Holzpellets über einem Behälter.

Wie Solar Gate hergestellt wird

Denn mit dem 3D-Drucker wird zwar Schicht für Schicht ein dreidimensionaler Gegenstand hergestellt. „Der Grund, warum diese Technologie als 4D-Druck bezeichnet wird, ist, dass das gedruckte Material so programmiert ist, dass es seine Form im Laufe der Zeit abhängig von den Umgebungsbedingungen verändert“, sagt Sahin. Die vierte Dimension ist in diesem Fall also die Veränderung im Laufe der Zeit.

Das Öffnen und Schließen erfolge dabei zwar passiv als Reaktion auf die Feuchtigkeit. Die Bewegung sei aber nicht willkürlich, sondern das Ergebnis einer Programmierung des Materials. „Wir können die Schichtdicke, die Faserausrichtung und die Materialzusammensetzung genau steuern, um zu bestimmen, wie und in welche Richtung sich jedes Element entsprechend der gewünschten Leistung biegt“, sagt Sahin. 

Der Einfluss der Temperatur 

Nicht nur die Feuchtigkeit, sondern auch die Temperatur beeinflusst den Vorgang: „Der Einfluss der Temperatur auf die Krümmung ist ideal, um an Wintertagen selbst unter trockenen Bedingungen eine erhöhte Lichtdurchlässigkeit zu ermöglichen. 

Ebenso werden die Zellulose-Doppelschichten bei gelegentlicher hoher Luftfeuchtigkeit an einem heißen Sommertag aufgrund von Sommergewittern in eine relativ geschlossene Konfiguration gebracht, was die Beschattung erleichtert“, heißt es von den Forschern. An heißen Tagen sei die relative Luftfeuchtigkeit in unseren Breiten in der Regel niedrig und liegt bei 25 Prozent. Bei dieser Bedingung erreichen die Elemente eine Beschattung von rund 90 Prozent

Solar Gate im Test

Die Wissenschafter haben die Beschattungselemente auch im Labor und über ein Jahr im Freiland getestet. „Labortests haben gezeigt, dass die UV-Belastung das Biegeverhalten der 4-D-gedruckten Zellulose-Doppelschichten nicht wesentlich beeinträchtigt“, erklärt Sahin. Die Forscherin fügt jedoch hinzu, dass das System in Zukunft noch länger getestet werden müsse. 

Vor allem der Einfluss der UV-Strahlung. In Zukunft könnte „Solar Gate“ auf großen Glasflächen  eingesetzt werden. „Obwohl es sich für gemäßigte Klimazonen bewährt hat, zielen künftige Entwicklungen darauf ab, seine Anwendung auf andere Gebäudetypen und Klimazonen auszuweiten, in denen Kühlung dringend benötigt wird“, sagt Sahin. 

Zahlen und Fakten

Zeit 
Pro Modul braucht ein 3D-Drucker zwischen 25 und 32 Minuten. Um alle 424 Module zu drucken, wurden 4 3D-Drucker und 17 Tage benötigt.

Geld  
Das Zellulosepulver, das für die Herstellung von  „Solar Gate“ benötigt wird, kostet pro Kilogramm 1,52 Euro und ist damit sehr preiswert.

Montage 
Die Beschattungselemente werden an einem nach Süden ausgerichteten Fenster montiert, weil so das niedrig einfallende Licht im Winter besser genutzt werden kann. 

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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