Involved in her daughter's education
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Science

Digitale Kompetenzen: „Tablets an Schulen reichen nicht“

Was sind eigentlich digitale Kompetenzen? Dieser Frage geht ein aktuelles Forschungsprojekt an der Universität Wien nach. „Das ist wesentlich schwieriger zu bestimmen, als es aussieht“, sagt Christian Korunka, Professor an der Fakultät für Psychologie im Gespräch mit der futurezone. „Es reicht nicht, das alleine an Handwerklichem wie einem Computerführerschein festzumachen“, so Korunka.

„Tablets an Schulen sind ein guter Ansatzpunkt, aber reichen noch nicht. Man muss auch kompetent damit umgehen lernen“, so der Psychologe. Dazu gehöre aber mehr als reines Wissen, wie man ein Programm betätigt. Doch dieser Bereich sei „sehr im Fluss“. „Bei anderen Kompetenzbereichen ist das nicht so. Sprachen sind beispielsweise etwas Stabiles. Man kann anhand des Sprachlevels recht genau bestimmen, wie sprachkompetent jemand ist“, so der Uniprofessor.

ChatGPT "nicht bei jeder Frage trauen"

Bei digitalen Kompetenzen reicht etwa nicht nur die Bedienung eines Programms aus, sondern letztlich sollte man auch wissen, wie ein Computerprogramm überhaupt entsteht, oder in welcher Sprache und von welcher Community es programmiert wurde. Aber auch der „soziale Umgang“ mit digitalen Medien sei eine Fähigkeit, die man erst lernen müsse. „Über welches Medium kommuniziert man mit welchem Umgangston miteinander? Das ist per E-Mail anders als in einer Videokonferenz“, erklärt Korunka.

Auch das Erkennen von Fake News sei eine wichtige digitale Kompetenz, so der Psychologe. So müsse man etwa lernen, dass man dem Chatprogramm ChatGPT, welches gerade in aller Munde ist, „nicht jeder Antwort trauen“ könne, sagt Korunka. „Das Programm erfindet zum Beispiel wissenschaftliche Zitate und hat keine eigene Position. Das zu verstehen und einzuordnen ist auch etwas, das wir lernen müssen", sagt Korunka. Dieses Wissen sei außerdem einem „stetigen Wandel“ unterzogen, so Korkunka. „Vor drei Jahren kannten wir alle noch kein Zoom, dann kam die Pandemie und wir mussten in einer neuen digitalen Form kommunizieren.“

Soziale Schere während Pandemie

Stichwort Pandemie: Die Psychologie-Dekanin der Uni Wien, Barbara Schober, erforschte im Zuge der Corona-Pandemie mit ihrem Team rund um Julia Holzer in einer groß angelegten WWTF-geförderten Studie zu „Lernen unter Covid-19“, wie es Schülern ging, die sich plötzlich von einem Tag auf dem anderen im „Distance Learning“ wiederfanden. „Wir haben gesehen, dass eine soziale Schere aufgegangen ist. Schüler*innen, die wenig Unterstützung hatten, standen vor viel mehr Herausforderungen als jene, deren Eltern die Möglichkeit hatten zu helfen, oder die Zugang zu eigenen digitalen Geräten hatten, und mit denen auch bereits umgehen konnten“, so Schober.

"Hier haben auch digitale Kompetenzen eine große Rolle gespielt. Diejenigen, die keinen eigenen Laptop oder ein Smartphone zur Verfügung hatten, oder jene, die nicht wussten, wie sie mit ihren Freunden digital kommunizieren konnten, waren im Nachteil", so Schober. "Wir sollten gut darauf achten, welche Maßnahmen jetzt zu setzen sind, um Chancenfairness zu verbessern und weitere Kompetenzverluste zu verhindern“, sagt Schober.

Hybrides Lernen als Chance für Zukunft

Studierenden sei es zudem eher schlechter gegangen, je länger die Pandemie angedauert habe, vor allem jüngeren Schüler*innen eher besser, so die Dekanin. „Das lässt sich unter anderem dadurch erklären, dass jüngere Kinder oft noch Eltern als primäre Bezugspersonen haben, während ältere Kinder und Studierende den Kontakt zu anderen ihrer Altersgruppe massiver vermissten“, sagt Schober. Zudem waren die Schulen viel schneller wieder offen als die Unis.

Das hybride Lernen, das in der Pandemie entstanden ist, sei zwar herausfordernd gewesen, aber auch eine Chance gewesen, so Schober. „Wir hatten die Möglichkeit, Lernkontexte auch anders zu leben, und feste Strukturen wurden aufgeweicht. Das gibt uns die Möglichkeit, daraus zu lernen, etwa, wann ist es sinnvoll, Unterricht vor Ort durchzuführen, und wann reicht ein digitaler Vortrag?“

Die Forschungsergebnisse des WWTF-Projekts können unter „lernenuntercovid19.univie.ac.at“ eingesehen werden. Insgesamt lag die Stichprobe teils bei 19.000 Schüler*innen. „Generell brauchen wir noch viel mehr Forschung dazu, wie es den Schüler*innen und Lehrer*innen dabei geht, wie sich digitales Lernen für die Betroffenen auswirkt“, fordert die Psychologie-Dekanin der Uni Wien.

Disclaimer: Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation mit dem WWTF.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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