Wie Europa Arbeitsplätze schaffen und das Klima schützen kann
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Vor knapp einem Jahr hat die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen mit dem "Green Deal" einen ambitionierten Plan vorgelegt, um die Umwandlung der Wirtschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Dadurch sollen Ressourcen effizienter eingesetzt, die Biodiversität unterstützt und Treibhausgasemissionen gesenkt werden. Große Hoffnungen bei der Umsetzung dieses Plans ruhen auf neuen Technologien. Bei der Fachkonferenz RTO Innovation Summit haben Wissenschaftler, Unternehmer und Politiker darüber diskutiert, wie sich der "Green Deal" am besten umsetzen lässt.
Chance für Veränderung
"Die Corona-Krise ist ein gesellschaftlicher und technologischer Stresstest", sagt Sabine Herlitschka, CEO von Infineon Austria bei ihrer Keynote. "Sie zeigt unsere Schwächen und Potenziale auf." Europa habe enorme Stärken auf manchen Gebieten, im internationalen Wettbewerb sei jedoch gemeinschaftliches Vorgehen maßgeblich - und dabei hapert es manchmal. Die Krise eröffne aber eine Gelegenheit, um strukturelle Veränderungen, wie eine umfassende Digitalisierung und Nachhaltigkeit in allen Bereichen, durchzusetzen.
Während es China schaffe, Fünfjahrespläne aufzustellen und Veränderungen konsequent durchzuziehen, müsse Europa schneller und besser bei der Umsetzung seiner Vorhaben werden. Wer zögert, verliert, das habe die Vergangenheit klar gezeigt, meint Wolfgangs Hribernik, der Leiter des Center for Energy am Austrian Institute of Technology (AIT). "Die europäische Photovoltaikindustrie hat man nicht genug gefördert. Bei Wasserstoff darf das nicht passieren."
Flexible Energie
Wasserstoff wird bei der Konferenz als eines von drei Technologiegebieten präsentiert, zu denen Europa bereits viel Know-how besitzt und die es zu fördern gilt, wenn Europa seine Technologieführerschaft behalten und langfristig Arbeitsplätze sichern will. Wasserstoff werde in Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen, um das Energiesystem flexibler zu machen, erklärt Andre Faaij vom niederländischen Forschungsinstitut TNO.
Elektrische Energie könne in Wasserstoff umgewandelt werden und umgekehrt. In Zwischenspeichern könne das Gas dazu verwendet werden, Schwankungen im Stromnetz durch den wachsenden Anteil erneuerbarer Energien im Strommix auszugleichen. Wasserstoff sei ein wichtiges Rohmaterial für synthetische Treibstoffe sowie ein Brennstoff für die Industrie. "Außerdem gibt es uns die Möglichkeit, alternative Energien aus anderen Gegenden der Welt zu importieren, etwa von Solarkraftwerken in Afrika."
Noch zu lösen seien beim Thema Wasserstoff die Themen Lagerung in großem Umfang, sowie der Transport. In südlicheren Gebieten Europas könnte langfristig aber auch Wasserknappheit (Ausgangsmaterial bei der Elektrolyse) ein Problem darstellen.
Organische Stoffe
Das zweite Technologiegebiet mit großem Potenzial für Europa ist Biotechnologie. "Erneuerbare Ressourcen stecken in unterschiedlichsten Produkten drin, etwa Gewand, Verpackungen und Häuser. In Laboren wird aber auch an ganz anderen Dingen, etwa biobasierter Elektronik, gearbeitet", schildert Jussi Manninen vom finnischen Forschungsinstitut VTT.
Als Beispiel dafür, wie biobasierte Produkte weniger ökologisch verträgliche ersetzen können, schildert Zeroplast-CEO Friedrich Breidenbach den Weg seines Unternehmens. Das Wiener Start-up hat eine voll recycelbare, plastikfreie Verpackung entwickelt und dabei mit dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung zusammengearbeitet. Das Forschungsinstitut hat eine Lösung beigesteuert, mit der die Verpackung gleichwertige Barriereeigenschaften wie Plastik aufweist. Nun beliefert Zeroplast ein großes Kosmetikunternehmen.
Neben der verstärkten Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung werden aber auch klare Zielvorgaben seitens der EU und strengere Regeln für Unternehmen, um Recycling zu fördern, auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaft als notwendig erachtet.
Intelligenter Verkehr
Der dritte Bereich, der Europa grüner machen soll, ist der Verkehr. Der Sektor ist einer der großen Emissionsproduzenten. "Der Verkehr der Zukunft muss effizient, sicher, inklusiv und sauber sein", meint Jan Adriaenssens vom belgischen Forschungsinstitut Imec. "Schicke Fahrzeuge allein können das nicht leisten. Das Rückgrat werden Smart Cities bilden." Intelligente Verkehrssteuerung, interoperable Mobilitätsdienste und nachhaltige Stadtplanung seien beispielsweise gefragt.
Neue Technologien können in allen Bereichen helfen, sagt Beate Kvamstad-Lervold von SINTEF. Das norwegische Forschungsinstitut arbeitet u.a. an autonomen Schiffen. Sie könnten den maritimen Verkehr effizienter machen und bisher unökonomische Routen erschließen. Die Vorteile kommen aber auch an Land zum Tragen, etwa in Form von autonomen Bussen. Wasserstoff wird im Verkehr ebenso großes Potenzial zugestanden, etwa um den Schwerverkehr zu elektrifizieren.
Adriaenssens: "Wie wir während der Corona-Krise gesehen haben, ist auch weniger Mobilität eine gute Lösung." Durch den technischen Fortschritt soll jedenfalls niemand ausgebremst werden: "Auch Menschen ohne Smartphone und App müssen künftig noch gut mit der Mobilität zurechtkommen." Dass niemand auf der Strecke bleibt, sei schließlich auch eines der Kernprinzipien des "Green Deal".
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