Wie sich Europa auf die nächste Pandemie vorbereitet
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Pandemien haben eine lange Geschichte. Es gibt sie seit dem Zusammenleben von Menschen und Nutztieren. Und trotz unserer Erfahrungen mit Pandemien können sie uns hart treffen. Die aktuelle etwa hat das Alltagsleben und die Wirtschaft praktisch weltweit lahmgelegt.
In Zukunft könnten wir auf derartige Katastrophen aber besser reagieren und sie einfacher bewältigen. Was es dazu braucht, sind neue Systeme und Simulationen, mit denen mögliche Zukunftsszenarien heute schon erforscht werden.
Informationsverbreitung
Eine gute Reaktion auf Pandemien hängt weitgehend von zwei Faktoren ab: Kommunikation und Kooperation, wie Thomas Glade, Leiter des Lehrgangs Risikoprävention und Katastrophenmanagement an der Universität Wien weiß. „Im Vergleich zu anderen Staaten hat Österreich mit den jeweiligen Kenntnisständen sehr gut auf die Pandemie reagiert. Global gesehen hätte man hinsichtlich der Informationsverbreitung über Landesgrenzen hinaus früher zusammenarbeiten können“, sagt er.
Denn was in China begonnen hat, sei lange Zeit nicht eindeutig bekannt gewesen. „China hat erst versucht, das Problem selbst in den Griff zu kriegen. Aber nur mit Vermutungen und Hinweisen zu arbeiten, ist sehr schwierig“, so der Experte. Eine offene Kommunikation aus allen Ländern sei aus diesem Grund essenziell.
Laut Glade nehme diesbezüglich die WHO eine bedeutende koordinierende Rolle ein, wodurch nationale Alleingänge vermieden oder erleichtert würden. „Die EU kann einem Staat zwar nicht vorschreiben, was zu tun ist, aber eine Richtung vorgeben. Und das sollte auch auf globaler Ebene passieren“, so der Fachmann.
Neues System erforscht
Für eine auf mehreren Ebenen ausgefeilte Koordination zwischen den primären Bedarfsträgern wie Ersthelfer, Praktiker, Krankenhäuser und Krisenmanager entwickelt ein europäisches Forscherteam im Rahmen des EU-Projekts STAMINA ein neues intelligentes System. Konkret dient es der Unterstützung von Entscheidungen bei der Vorhersage und beim Management von Katastrophen, auch Pandemien dienen. Eingesetzt werden Modellierungen, Frühwarnsysteme, etwa durch Analyse von sozialen Medien, oder Management-Tools zur Verteilung der einzelnen Verantwortungsbereiche.
Um etwa einen gemeinsamen, Grenzen überschreitenden Informationsraum zu schaffen, bindet das AIT (Austrian Institute of Technology), das am Projekt federführend beteiligt ist, ein Instrument namens „Public Safety Hub“ in das System ein. Es handelt sich dabei um eine Plattform, auf der Daten aus unterschiedlichen Bereichen syntaktisch und semantisch miteinander abgeglichen werden, sodass die Akteure über Grenzen hinweg Informationen austauschen können.
„Hier treten in vielen Subdomänen des Krisenmanagements bedeutsame Probleme auf. Es geht nicht nur um Sprachbarrieren, sondern beispielsweise auch darum, dass Akteure in einer Organisation nicht wissen, wer in einem Katastrophenfall der genaue Ansprechpartner ist“, erklärt Georg Neubauer, STAMINA-Projektleiter und Experte für Krisen- und Katastrophenmanagement am AIT Center for Digital Safety & Security. Im Falle einer Krise könne man ohne Zeitverlust und Nachdenken die richtige Organisation und vor allem unter der richtigen Adresse erreichen. Bei einer Pandemie könnten sich so etwa die Landessanitätsdirektionen austauschen.
Gemeinsames Lagebild
Um ein gemeinsames Lagebild zu erstellen, damit alle Akteure die gleichen relevanten Auskünfte haben, kommt eine Art Kartenübersicht für Notfälle zum Einsatz. Bei einer erneuten Pandemie zeigt das Instrument laut Neubauer etwa die Lage der Spitäler oder Betten an. Auch könne mit dem Berechnen von Ressourcen dargestellt werden, wo beispielsweise noch Beatmungsgeräte benötigt werden.
Getestet werden die Prozesse nach dem „Trial Guidance Tool“, um eine Krise so realistisch wie möglich darzustellen. Deren Beschreibungen werden in einem Lösungsportfolio – genannt „Porfolio of Solutions“ – gespeichert. „Das ist eine Art Marktplatz ohne kommerzielle Aspekte für Lösungen aus dem Krisen- und Katastrophenmanagement. Damit werden speziell die Bedürfnisse der Bedarfsträger, etwa Einsatzkräfte, Behörden oder Krisenmanager, wie auch die Features, technischen Details und Eigenschaften der Lösungen in einer einheitlichen Sprache beschrieben“, sagt der Projektleiter. Unter anderem könnten der Öffentlichkeit auf simple Weise Warnungen, Informationen und Richtlinien in Echtzeit zur Verfügung gestellt oder spontane Freiwillige erreicht und angesprochen werden.
Neben den Tests wird auch eine große Simulationsübung stattfinden. Das Projekt startet im September 2020.
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