FILE PHOTO: Power lines and pylons stretch out from Dungeness nuclear power station
© REUTERS / Luke MacGregor

Start-ups

Millionen-Finanzspritze für Wiener Stromhandels-Start-up

Der Strommarkt hat sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Strom von konventionellen Großkraftwerken wird zunehmend von erneuerbarer Energie und kleineren Erzeugern ersetzt. Die Komplexität steigt. Wie viel Strom Windkraft- oder Photovoltaik-Anlagen in das Netz einspeisen, lässt sich wetterbedingt nur schwer vorhersagen. Auf Schwankungen durch Lieferausfälle, aber auch durch Stromüberschüsse muss schnell reagiert werden, um die Stabilität des Netzes zu gewährleisten.

Entsprechend schwanken auch die Preise, zu denen Strom ge- und verkauft werden kann. Das Wiener Start-up enspired hat eine automatisierte Energiehandelsdienstleistung entwickelt, mit der Betreiber*innen von Stromerzeugungsanlagen, Stromspeichern und Unternehmen, die den eigenen Stromverbrauch regeln können, ihre freien Kapazitäten kurzfristig anbieten und von den Preisschwankungen am Strommarkt profitieren können.

Jetzt hat sich das Start-up in einer Finanzierungsrunde 7,5 Millionen Euro gesichert. Das Geld kommt von den internationalen CleanTech-Investoren Emerald Technology Ventures und 360 Capital. Ebenfalls dabei sind EnBW New Ventures und Helen Ventures sowie der österreichische Risikokapitalgeber i5invest

Vollautomatisierte Stromhandelslösung

Spezialisiert ist das Start-up auf den Handel am Intraday-Markt, wo Verkaufs- und Kaufgebote in kürzester Zeit erfolgen und abgewickelt werden. Vor allem kleinere Unternehmen haben zu dem kurzfristigen Handel an den Strombörsen in der Regel gar keinen Zugang und auch nicht die Ressourcen, ihn manuell zu bewältigen.  

Enspired ermöglicht ihnen den Marktzugang und wickelt den Handel mithilfe von Algorithmen und künstlicher Intelligenz vollautomatisiert ab. "Die Papierfabrik, die selbst Strom erzeugt, braucht keine Ahnung vom kurzfristigen Strommarkt zu haben, wir bieten den kompletten Service", sagt Jürgen Mayerhofer, der das Unternehmen Anfang 2020 gemeinsam mit Mario Schmoltzi gegründet hat.

enspired-Gründer Jürgen Mayerhofer

Bei seiner Lösung setzt das Start-up auf Algorithmen, künstliche Intelligenz und den Einsatz von selbstlernenden Modellen, die innerhalb von Millisekunden auf die Marktanforderungen reagieren können. Wettermodelle fließen in die Berechnungen ebenso mit ein wie Preisdaten, Orderbuchdaten, Auktionsergebnisse, historische Handelsdaten und Entwicklungen auf benachbarten Märkten.

Flexibilität zentral

Zentral sei die Flexibilität, die Fähigkeit, Erzeugung und Verbrauch an Angebot und Nachfrage anpassen zu können, sagt Mayerhofer. Betreiber, die ihre Kapazitäten entsprechend adaptieren können, sind in der Lage von teilweise sehr großen Preisschwankungen zu profitieren.

Hohe Flexibilität wirke sich auch auf die Stabilität des Netzes positiv aus: "Je mehr flexible Anlagen es gibt und je effizienter sie gesteuert werden, desto weniger muss das Netz Schwankungen ausgleichen und desto mehr erneuerbare Energie ist integrierbar." Auch bei großen Anlagen gebe es diesbezüglich noch viel ungenutztes Potenzial, sagt Mayerhofer.

Electric vehicle charging station for home.

E-Autos als "virtuelle Kraftwerke"

Die Lösungen des Start-ups können aber auch dazu genutzt werden, um Endverbraucher*innen zu entlasten. Etwa indem die Ladezyklen von Elektroautos auf die Schwankungen am Strommarkt abgestimmt werden. Mit dem Ladestationenbetreiber has.to.be arbeitet das Start-up bereits an entsprechenden Lademanagement-Lösungen, bei denen die Fahrzeuge künftig auch als eine Art "virtuelles Kraftwerk" fungieren könnten. "In Zukunft wird es immer mehr Player am Energiemarkt geben", sagt Mayerhofer.

Erfolgsbeteiligung

Geld verdient das Start-up durch die Beteiligung an den Mehrerlösen. "Wir sind in den meisten Fällen rein erfolgsbasiert unterwegs", sagt der Gründer: "Wir sind an den Mehreinnahmen prozentuell beteiligt". Je nachdem wie professionell die Kund*innen bereits agieren, können diese ihre Erlöse um 30 Prozent aufwärts steigern: "Die Kund*innen bekommen ein Dashboard und können zusehen, wie wir die Anlage vermarkten und wie es in Echtzeit am Markt aussieht."

Im operativen Geschäft erwirtschaftet enspired bereits Überschüsse. Zur Finanzierung des Start-ups haben auch Förderungen unter anderem der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG beigetragen.

Expansion

Mit dem Geld aus der Finanzierungsrunde will enspired, dessen Handelslösung bereits in Deutschland und Großbritannien zum Einsatz kommt, in den nächsten beiden Jahren die europaweite Expansion beschleunigen und alle wichtigen und großen Märkte in Europa abdecken. Für die Zeit danach hege man auch globale Ambitionen, sagt Mayerhofer. Interessant seien etwa die USA, Japan oder Australien. Angedacht werde aber auch der Einsatz der Lösung in anderen Bereichen, etwa im Emissionshandel oder auf Gasmärkten.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und Austria Wirtschaftsservice (aws).

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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