Erneuerbare-Ausbau-Gesetz: Energiegemeinschaft mit Tücken
Diese Woche wurde im Ministerrat das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG) beschlossen. Damit will die Regierung das Ziel erreichen, die Stromversorgung bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu decken. Dazu ist es notwendig, die Kapazitäten von Wasser-, Wind- und Solarkraft gegenüber dem Niveau von 2019 um 27 Terawattstunden zu erhöhen.
Vor allem Solar- und Windkraft sollen dazu stark ausgebaut werden. Ein zentraler Punkt in dem Plan ist, die Gründung und den Betrieb von lokalen Energiegemeinschaften zu ermöglichen.
Entlastetes Stromnetz
Eine Energiegemeinschaft soll sich künftig aus mindestens 2 Privathaushalten oder Kleinunternehmen zusammensetzen. Hat einer der Partner etwa eine Photovoltaikanlage am Hausdach und möchte seinen Nachbarn mit Strom beliefern, soll er das künftig auch tun können. Bisher war der Betrieb einer solchen gemeinschaftlichen Anlage lediglich innerhalb eines Mehrparteienhauses möglich – nicht aber über Grundstücksgrenzen hinweg. Dabei gab und gibt es aber Ausnahmen (siehe unten). Privatpersonen sollen so vermehrt zu Erzeugern oder Abnehmern erneuerbarer Energien werden. Neben Strom können nämlich auch Wärme, Kälte oder Biotreibstoffe weiterverkauft werden.
Eine Energiegemeinschaft darf künftig nur niedere Netzebenen (5 bis 7, d.h. Mittelspannung bis Niederspannung) verwenden und nicht gewinnorientiert arbeiten. Das gesamte Stromnetz profitiert davon, weil der Strom nicht über weite Strecken übertragen werden muss. Die Kunden eines lokalen Stromerzeugers profitieren, weil sie auf diese Weise keine Netzgebühren für höherrangige Netzebenen zahlen.
Hund im Detail
Die Energiegemeinschaften mit dem EAG zu unterstützen, sei begrüßenswert, meint Raphaela Reinfeld vom Green Energy Lab. „Die Akzeptanz für den Ausbau erneuerbarer Energien kann nur gelingen, wenn die Menschen Teil des Ganzen werden. Wie so oft liegt der Hund im Detail. Im Moment ist schwer zu sagen, wie man Leute in Realität daran teilnehmen lässt.“ Die Errichtung einer Energiegemeinschaft sei doch mit einem gewissen Aufwand verbunden, außerdem sei fraglich, wer sich das technisch und organisatorisch zutraut. Reinfeld: „Wird das etwa der lokale Elektriker machen?“
Dann gebe es noch die Frage nach der Vermittlung, etwa bei der Abwicklung von Abrechnungen innerhalb einer Energiegemeinschaft. „Wer schafft es, eine einfache, funktionierende Plattform auf die Beine zu stellen, bei der auch etwa ein 70-Jähriger mitmachen kann?“ Laut Reinfeld laufen zu diesen Fragen gerade erst einige Forschungsprojekte. Laut Vera Immitzer, Geschäftsführerin des Bundesverbands Photovoltaic Austria, sei eine große Frage, wie Personen herausfinden können, wo die nächste Energiegemeinschaft existiert, der sie sich anschließen können.
Nutzen vs. Aufwand
Beim Klima- und Energiefonds soll eine Koordinierungsstelle aufgebaut werden, die solche Fragen klären könnte und Energiegemeinschaften bei der Gründung hilft. Laut Immitzer sei das EAG an einigen Stellen verbesserungswürdig. Sie halte es etwa für fraglich, ob das Gesetz bürokratische und organisatorische Hürden ausreichend abbaue.
Seit 3 Jahren sei etwa die gemeinschaftliche Nutzung von Photovoltaikanlagen in Mehrparteienhäusern möglich. Seitdem seien 400 solcher Anlagen errichtet worden – nur 1 Prozent aller 40.000 seitdem errichteten PV-Anlagen. Die Erwartungen lagen wesentlich höher. Die Rahmenbedingungen bei der Errichtung würden sich durch das EAG nicht ändern.
"Wir machen das schon seit 3 Jahren"
Kann man wirklich eine in Wien studierende Tochter in ihrer Wohnung mit Energie versorgen, wenn man mit seinem Windrad am Land eigenen Strom produziert? „Natürlich ist das möglich, wir machen das schon seit 3 Jahren so“, sagt Matthias Katt, der Geschäftsführer von eFriends.
Kunstgriff
Das niederösterreichische Start-up betreibt seit 2018 eine Energiegemeinschaft. Möglich wurde das durch einen Kunstgriff. „Wir sind vollwertiger Energieversorger. Wir wollten das nicht unbedingt werden, aber es war notwendig.“ Die gesetzlichen Voraussetzungen ließen es bisher nicht anders zu.
Bei eFriends können Privatpersonen Strom ins Netz einspeisen. Dank eines Geräts im Zählerkasten können Freunde und Bekannte den Strom dann an völlig anderer Stelle nutzen. Eine lokale Stromverwertung im Sinne einer Energiegemeinschaft ist dabei nicht zwingend vorgesehen. Insofern entspricht das Modell eher dem einer so genannten Bürgerenergiegemeinschaft, bei dem der Strom auch über weite Strecken übertragen werden kann.
Zweifel an Gesetz
Während die Kundschaft von eFriends langsam wächst, hat Katt Zweifel, ob das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz zur Blüte von Energiegemeinschaften führen wird: „Man muss einen Verein oder eine Genossenschaft gründen und auch sonst ist es ein gewisser Aufwand. Nicht jeder will sich das antun.“ Um Erfolg zu haben, müsse der Eintritt möglichst niederschwellig gestaltet werden.
Im Endeffekt sei es aber positiv, dass sich die Politik dieses Themas annimmt und es fördern will. „Wir können uns auf die Fahnen heften, dass wir seit 8 Jahren an dieser Idee dran sind und sind froh, dass das jetzt Früchte trägt.“ 2019 hat eFriends für seine Idee den futurezone Award in der Kategorie Energie gewonnen.